Mad Max im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 10. September 2015

Mad Max im Test

Postapokalyptisches Far Cry mit Autokämpfen

Open World mit Banditenlagern und Aussichtstürmen. Story-Missionen, Nebenaufgaben und Sammelobjekte. Eine Map mit vielen bunten Icons. Moment, ist das ein Ubisoft-Spiel? Nein, es ist Mad Max von Warner Bros. - ein postapokalyptisches Far Cry mit Autokämpfen und dem Kampfsystem von Batman: Arkham.

Auf dem Papier ist Mad Max eine sichere Nummer: Kurz nach dem Kino-Erfolg von Fury Road erscheint das passende Spiel. Es vereint Erfolgsrezepte aus bekannten Spielen, gibt eine Handvoll neue Ideen dazu. Und für die erste Hälfte des Spiels funktioniert das ziemlich gut.

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Nicht lang schnacken
Die Geschichte von Max und seiner postapokalyptischen Welt hält das Spiel vornehm im Hintergrund (da schaut euch besser die Filme an). Historische Sammelobjekte (alte Fotos) erzählen in kurzen Ausschnitten von der früheren Welt und werden von Max nur mit mundfaulen Zweizeilern gewürdigt. Wichtig für die Story des Spiels ist nur, dass Max dem fiesen Obermotz Scrotus mit der Kettensäge die Haare bis unter die Schädeldecke rasiert hat. Seine Karre hat er dabei zu Schrott gefahren, dafür hat er jetzt jede Menge falsche Freunde in der Scrotus-Fraktion, die ihn töten wollen. Hilfe erhält der wortkarge Antiheld jedoch schnell vom Schrottsammler Chum, der sich den Genpool offenbar mit Gollum teilt oder genauso gut ein Nachfahre von Notre Dames Glöckner sein könnte. Max einziges Ziel ist es jetzt, mit Hilfe von Chum ein neues Auto zu bauen. In einer Höhle. Aus Schrott.

Frei nach dem patentierten Ubi-Prinzip steht kurz darauf die offene Spielwelt zur freien Verfügung. Überall auf der Karte gibt es kleine und größere Lager, die geplündert werden können, sowie jede Menge optionaler Aufgaben. So kann man beispielsweise Sniper-Posten ausschalten, Convoys abfangen oder Minen entschärfen. Gleichzeitig senkt man dadurch den Einfluss der Feinde in dem jeweiligen Bereich - die größte Nebenaufgabe von allen. Aussichtstürme wurden in der Form von Heißluftballons realisiert, mit denen man an bestimmten Orten hoch in die Luft aufsteigen kann, um mit dem Fernglas wichtige Orte zu markieren, die dann zu bunten Icons auf der Karte werden. Im ersten Drittel des Spiels habe ich noch alle Aufgaben erledigt und jeden kleinsten Ort abgegrast, um ihn von den lästigen Icons auf der Karte zu befreien und den Einfluss der Feinde auf Null zu reduzieren. Für die Größe dieses Bereichs war das noch ein gesunder Vervollständigungswahn, der angenehm belohnt wurde: in vielen Locations konnte man einzigartige Teile finden. Damit kann man etwa eine Waffenkammer bauen, um sich in der Basis regelmäßig mit Munition zu versorgen. Mit Fortschreiten der Story migriert man jedoch in weitere Gebiete und jedes davon hat eine neue Basis, die bei Null startet und mühsam aufgebaut werden muss, bis sie Boni wie Munition, Wasser und dergleichen einbringt.

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Sammelwahn
Mit dem Sammeln der Einzelteile kann man Nachmittage verbringen ohne echten Spielfortschritt zu erlangen. Nachdem ich die erste Basis voll aufgewertet hatte, war die Motivation bei der zweiten schnell im Keller. Es fühlte sich falsch und ermüdend an. Man behält zwar jede Basis, aber bekommt trotzdem das Gefühl, alles von vorn machen zu müssen. An diesem Punkt wurde Mad Max zu Arbeit. Einerseits wollte ich von den Boni in der neuen Basis profitieren, musste andererseits aber dafür ackern. Dann fährt man zur Basis, markiert relevante Orte, klappert alle Locations ab, plündert die Items und fährt zur Basis zurück. Wie ein Hamster schiebt man sich Schrott zwischen die Arschbacken und schleppt das Zeug in den Bau. Die meisten Orte, die man dabei besucht, sind zudem einfallslos gestaltet. Bestenfalls tifft man auf Feinde, die den Ort bewachen, und findet ein verstecktes Sammelitem. Manchmal liegt nur ein Berg Schrott in einer kargen Ecke und das war's. Hier gilt: kennt man einen Ort, kennt man alle.
Leider ist man für Upgrades darauf angewiesen, viele Orte zu plündern. Schrotteile sind in Mad Max eine Universalwährung, mit der man neue Waffen baut, sein Auto panzert und Max neue Moves beibringt. Wenn er nur genug Schrott vor sich auftürmt, bringt ihm der Haufen irgendwann bei, wie man Gegner entwaffnet. Wirklich.

Stürmt das Lager!
Ein unbestreitbares Highlight von Mad Max sind jedoch die Lager, von denen es zahlreiche gibt. Ähnlich wie bei Far Cry oder aktuell bei Metal Gear Solid 5 müssen diese Locations mit ausreichend Abstand ausgespäht werden, um Fallen und Verteidigungsmechanismen aufzudecken. Mit dem Fernglas werden relevante Punkte sofort markiert, auch wenn sie von anderen Objekten verdeckt werden. Max spürt sie durch Wände hindurch, weil...! Typischerweise gibt es außerhalb des Lagers ein paar Türmchen, die brennenden Schrott werfen, und den ein oder anderen Sniper. Tore werden gern von Flammenwerfern geschützt. Klassiker!
Am Anfang ist es noch recht spannend, da man sich gut überlegen muss, von welcher Seite man sich nähert, um den Fallen zu entgehen oder wie man sie am besten ausschaltet. Leider lässt sich fast alles mit dem Sniper-Gewehr aus dem Wagen heraus erledigen, bevor man nah genug kommt, dass sie einem gefährlich werden. Hat man erst mal die Waffenkammer in der Basis gebaut, mangelt es auch niemals an Munition und dieser erste Schritt wird erheblich leichter. Dann allerdings muss man zu Fuß in die Basis, um sie einzunehmen. Je nachdem, um was für ein Lager es sich handelt, gibt es unterschiedliche Ziele: Alle Feinde auslöschen, den Obermotz besiegen, Pumpen zerstören und so weiter.

Zusätzlich kann man in allen Festungen Schrottteile und spezielle Insignien sammeln, um sie zu 100% auszuplündern. Obwohl das auch nach Arbeit klingt, machen diese Abschnitte immer viel Spaß, vor allem deshalb, weil die Bereiche sehr kompakt sind und man nicht ewig herumeiert, bis man alles gefunden hat. Stattdessen sind es kleine Labyrinthe, in denen man aufmerksam um die Ecken schauen muss, um alle Schätze zu finden. Manchmal kann man von Leuten in der Wüste auch Hinweise über die Orte bekommen und erfährt so von geheimen Zugängen oder verborgenen Kammern. Auch wenn hier das Prozedere immer dasselbe ist, macht es bis zum Schluss Freude, die Basen zu plündern. Durch unterschiedliche Aufgaben, neue Fallen und Gegnertypen bleibt immer genug Abwechslung drin, damit es nicht zu eintönig wird.

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Immer uffe Omme
Max ist ein Freund von Fäusten. Vor allem, wenn sie sich fest und wiederholt in die Gesichter von Feinden graben. Anders als Batman ist es Max dabei ziemlich egal, ob seine Widersacher dabei den Löffel abgeben. Max befürwortet die Faust, die nur einmal zuschlägt. Mit einem Messer, einem Beil oder einfach nur unverschämt hart. Das Kampfsystem ist grundsätzlich von der Arkham-Reihe inspiriert, reicht an das Original aber nicht ganz heran. Man kann schlagen, ausweichen und kontern, wobei ein Konter in letzter Sekunde als perfekt gewertet wird und etwas härter reinhaut. Die Kämpfe sind allerdings nicht so flüssig und so elegant wie in Batman. Es gibt deutlich weniger Animationen und die Timings stimmen nicht ganz. Einfach alles, was Max tut, ist unglaublich träge: drückt man die Rennen-Taste, dauert es ein bis zwei Sekunden, bis Max tatsächlich sprintet; Schläge sind langsam und lassen sich nicht abbrechen; einige Finisher haben längere Animationen, machen Max aber nicht unverwundbar. Die Kamera macht auch Probleme. Vor allem, wenn man in engen Räumen ist, sieht man Gegner nicht kommen und kassiert unfaire Schläge in den Rücken.

Unverständlich ist auch, dass es in der Konsolenversion kaum Optionen gibt, die Steuerung anzupassen. So kann man die Bewegungsgeschwindigkeit der Kamera (auch beim Zielen) nicht ändern und ist an eines von zwei Button-Layouts gebunden, die sich beide an der Fahrzeugsteuerung orientieren und für eine Figurensteuerung eher ungewöhnlich sind: so liegt Rennen auch auf der unteren Schultertaste, während man mit der oberen rechten Schultertaste ausweichen soll und mit einem Facebutton schießt, anstatt per Schulteraste. Eine Gewöhnungsphase ist definitiv nötig, bis man (vor allem in Kämpfen) gut damit zurecht kommt.

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Auf der Straße zuhause
Eine Besonderheit des Spiels ist der Fahrzeugkampf, der in Mad Max eine besonders große Rolle spielt. Fährt man durch die Spielwelt, tauchen immer wieder andere Fahrzeuge auf, die Streit suchen. Entsprechend kann man sein Auto mit allerhand Waffen upgraden, wie Spikes, Flammenwerfern und einer mächtigen Harpune, die als Grappling-Hook fungiert, mit dem man Leute aus fahrenden Autos ziehen oder Türme und Tore einreißen kann. Und wenn es Max einmal zu bunt wird, feuert er mit der Schrotflinte zum Fenster hinaus. Ihm wird es schnell zu bunt, vor allem, wenn er gerade wieder einen Satz Muni aus der Basis hat mitgehen lassen.
Verschiedene Fahrzeuge haben unterschiedliche Schwachstellen und vor allem der Kampf mit der Harpune ist sehr unterhaltsam. Eine gute Design-Entscheidung ist definitiv die Zeitlupe beim Zielen, die es während des Fahrens leicht ermöglicht, auf Schwachpunkte zu zielen und seine Feinde gezielt auszuschalten. So pflückt man Türen von Autos, um die Banditen dahinter mit der Flinte zu begrüßen. Fahrzeugkämpfe sind ein echtes Highlight und wirken deutlich ausgereifter als die Faustkämpfe.

Natürlich dürfen dann auch Rennen nicht fehlen! In jedem Gebiet gibt es ein einzigartiges Racing-Event mit einer Besonderheit: man muss keiner festen Strecke folgen, sondern kann sich, egal wie, bis zum Ziel vorkämpfen. Rennen sind eine schöne Abwechslung, zumal es eine Menge unterschiedliche Strecken gibt.

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Die Puste geht aus
Spätestens in der zweiten Hälfte bekommt Mad Max aber einen Platten. Es gibt keine neuen Elemente mehr, sondern man realisiert, dass man die immer gleichen Aufgaben verfolgt, die mittlerweile mehr Arbeit als Vergnügen sind. Auch Survival-Aspekte, die das Spiel zu Anfang andeutet, spielen später kaum noch eine Rolle. Die anfängliche Knappheit an Benzin und Munition wird durch die Versorgung an der eigenen Basis komplett aufgefangen - effektiv hat man schon nach kurzer unbegrenzten Vorrat und kann allein mit dem Sniper-Gewehr viele Gefahren ohne Risiko ausschalten. Selbst feindliche Festungen, die mit der höchsten Schwierigkeit gekennzeichnet sind, stellen nur mäßige Anforderungen, wenn man ihre Verteidigung in wenigen Sekunden lahmgelegt hat. Für die zweite Hälfte möchte man sich einfach nur noch darauf konzentrieren, die Story-Missionen abzuschließen, die zumindest etwas mehr Abwechslung bieten als die tägliche Minenentschärfung und der x-te Sniper im Bau.

Mad Max versucht viele Dinge gleichzeitig, doch nicht alle funktionieren. Vor allem die Nahkämpfe haben große Schwächen, vor allem im Vergleich zur Arkham-Reihe. Fahrzeugkämpfe treffen dagegen den richtigen Nerv und heben das Spiel von anderen Titeln ab. Am Ende ist das größte Problem jedoch eine große Liste an Aufgaben, die schnell zu Arbeit werden und Mad Max unnötig langatmig machen. Dann muss man sich auf Leckerbissen wie Story-Missionen und Festungen zu konzentrieren, um noch mal Spaß aus dem Spiel zu kitzeln.

Mad Max wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von WB Games zur Verfügung gestellt.

Mad Max

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

Kommentare

Adrian
11. September 2015 um 08:32 Uhr (#1)
Die Story hört sich genau so an wie man es von den Avalanche Studios kennt: sie ist zwar da, aber so der Burner ist die dann auch nicht...
Vielleicht wurde die zweite Spielhälfte auch so lahm, weil die Entwickler zum wesentlich interessanteren Projekt (Just Cause 3) abgezogen wurden :D
Haris
11. September 2015 um 17:26 Uhr (#2)
Benny weiß Dinge über die Anatomie von Hamstern, da staunt man!
Rian
26. September 2015 um 12:13 Uhr (#3)
So, Mad Max: Fury Road auf Bluray bestellt. Zweimal im Kino geguckt, bald dann in HD auf dem heimischen Bildschirm. Einfach nur ein toller Film! Schade, dass das Spiel nur anständig ist.
Gast
29. März 2024 um 14:22 Uhr
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