Batman: Arkham Knight im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 29. Juni 2015

Batman: Arkham Knight im Test

Königsfledermaus zum krönenden Abschluss

Der Joker ist tot. Man sollte eigentlich meinen, dass nach dem Ableben des gefährlichsten Wahnsinnigen Gothams endlich Ruhe in die Straßen einkehrt. Allerdings hinterlässt eine verglühende Macht ein großes Loch. Und wenn es um Wahnsinn und Angst - zwei dominante Themen der Batman-Geschichten - geht, dann kann nur einer ins Vakuum schreiten: Scarecrow. Mit zerfetzter Visage und einem riesigen Vorraten an psychotropen Toxinen will er ganz Gotham zeigen, was Angst bedeutet. Okay, gut, das ist quasi der Plot von Batman Begins, aber das hält Batman: Arkham Knight nicht davon ab, daraus die spannendste und finsterste Geschichte der Serie zu machen.

Die erste Stunde kommt man kaum zum Luftholen. Jokers Körper wird den Flammen übergeben (ja, er ist wirklich tot), Scarecrow überrennt die Stadt, da ist ein Cyberninja-Batman-Klon, der einen gigantischen Hass auf den schwarzen Ritter hat und Scarecrows Armeen kommandiert, man besucht die langjährige Informantin und Ex-Batgirl Barbara Gordon in einem transformierenden Uhrturm, heizt mit dem Batmobil durch die Straßen, verprügelt Schurken, trifft Robin und findet heraus, dass Batman in seiner Höhle vier unschuldige Menschen gefangen hält. Puh. Und glaubt mal bloß nicht, dass ihr irgendwann im Spiel die Finger vom Controller nehmen dürft - gefühlt ein Viertel aller Zwischensequenzen ist interaktiv.

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Open Gotham
Batman: Arkham Knight treibt die Serie ordentlich ans Limit. Erst einmal passiert so viel, wie nie zuvor. Als Schatten, der die Nacht durchflattert, fühlt man sich als Spielball zwischen den Krisensituationen, in denen Gotham ständig am Abgrund steht, fast schon schlecht, wenn man einmal fünf Minuten abzwacken möchte, um eine Nebenmission zu klären. Da wurde gerade Verbündeter X entführt und Scarecrow hält ihm ein Messer an die Kehle - aber auf dem Weg muss erst einmal das brennende Gebäude gelöscht, die Mine entschärft, der feindliche Checkpoint geräumt, der Wachturm entleert und die Riddler-Trophäe eingesammelt werden. Dabei sind alle vierzehn Nebenmissionen gut designt und ein gelungener Mix aus storybasierten, dramatischen Missionen, Verfolgungsjagden, Rätseln, Kämpfen und der einen oder anderen Überraschung. Das kleine Highlight für mich waren da feindliche Checkpoints und Stützpunkte - oft sind das kreative Mischungen aus Schleich- und Prügelmissionen.

Dabei geht Rocksteady den wunderbaren Weg der gelebten Progression. Flattert der Flattermann nachts über die Straßen Gothams, leuchten überall grüne und rote Lichter. Die roten Scheinwerfer sind ein Symbol der Miliz, während grüner Schimmer Riddlers Hirngespinste darstellt. Befreit man die Stadt von Rätseln und feindlichen Stützpunkten oder holt eine Flugdrohne aus der Luft, dann reinigt der Spieler Gotham von diesen farbigen Plagen. Ein unbeflecktes Gotham fühlt sich einfach gut an. Genauso wie man mit jeder erfüllten Nebenmission einige Handlanger oder Superschurken in die Zellen der GCPD verfrachtet, die nach 25 bis 30 Stunden Gesamtspielzeit so menschenüberfüllt sind, dass man den stinkenden Angstschweiß der Verbrecher fast riechen kann. So nimmt Arkham Knight auf jeden Fall etablierte Konzepte anderer Open-World-Spiele, wie The Saboteur oder Assassin's Creed, in sich auf, macht sie durch konkrete Abwechslung und ein gelebtes Gefühl des Fortschritts zu mehr als einem bloßen Eintrag auf der To-Do-Liste.

batman-99-prozentNur der Riddler gehört noch verknackt.

...bis man selbst zum Schurken wird
Ein knallhartes Highlight in Batman: Arkham Knight ist die Präsentation der Story. Es ist an dieser Stelle nahezu unmöglich, nicht zu spoilern, aber sagen wir so: Batman geht es nicht gut. Nicht nur hat er etwas von Scarecrows Toxin abbekommen, sondern Ereignisse aus Arkham City führten dazu, dass Bruce Wayne langsam aber sicher seinen Überschuss an Verstand verliert. Er sieht Dinge, die nicht da sind. Er hört Dinge, die niemand sagt. Und seine Augen verlieren ihren stahlblauen Terrence-Hill-Glanz.
Wenn ihr euch nach Bioshock Infinite dachtet, dass die Art der Geschichtenerzählung mit Einwirkungen des Spielers Schule machen sollte, und wenn ihr euch nach Arkham Asylum dachtet, dass ihr gerne mehr von Scarecrows kranken Missionen in einem Sequel hättet, dann lasst mich euch sagen, dass eure Wünsche erhört worden sind. Zusätzlich hat dieses Spiel ein paar so finstere Szenen parat, dass ich dermaßen von Verzweiflung gepackt worden bin, dass ich mir an Batmans Stelle gesagt hätte: "Warum sollte ich weitermachen? Es hat doch ohnehin alles keinen Zweck..." Aber natürlich habe ich weiter gemacht!

Das Dynamische Duo
Fast alle Riddler-Rätsel sind unterhaltsam und einige sind sogar ziemlich anspruchsvoll. Es gibt allerdings einen Rätseltyp, der ist komplett frustrierend: Mit einem Sensor muss man im Batmobil eine Fragezeichenspur verfolgen. Klingt nicht so schwierig, allerdings weigern sich die Fragezeichen manchmal aufzutauchen und es verschwinden auch immer mal wieder Teile der Spur.
Batman hat einen neuen Partner. Nein, nicht Robin oder Nightwing oder Catwoman oder Azrael. Die kommen zwar alle vor und lassen sich zwischendurch auch spielen, aber ich spreche hier vom Batmobil. Dieser schnuckelige Panzer ist Batmans Fahrzeug der Wahl, wenn es darum geht, Gothams Straßen sicher zu machen. Wie man es vom Batmobil erwartet, ist es wahnsinnig geschmeidig zu steuern, enorm gepanzert und ihm kommt eine Flamme aus dem Arsch. Zudem dient es Batman als Flugstartrampe, es kommt immer, wenn man es ruft und kann sogar im Kampf als Spezial-Knockout verwendet werden. Nicht nur das - im Panzermodus schießt das Fahrzeug mit 60mm-Geschossen (auf Drohnen) oder Hochgeschwindigkeits-Gummikugeln (auf Menschen), fährt ohne Ausnahme und ungehindert durch sämtliche Straßendeko und kann per Seilwinde sogar Wände hochklettern. Die Hälfte aller Riddler-Rätsel sind nur mit Hilfe des getreuen Batmobil zu lösen, das per Fernsteuerung auch Feinden, die denken, sie hätten die Fledermaus eingekesselt, wie eine autogewordene Manifestation von Batmans Schleichkünsten in den Rücken fällt. Zudem schlägt die Panzersteuerung komplett in einen für Batman ungewohnten Shootermodus um: Auf einmal kann man strafen! Im Kampf gegen Panzerdrohnen ist das auch notwendig, denn hier verwandelt sich Arkham Knight in ein japanisches Bullet-Hell-Shoot-'em-Up und man muss den projizierten Schussbahnen ausweichen, während man sich gleichzeitig der Feinde entledigt. Lasst euch gesagt sein: Investiert in die Panzerung des Batmobils!

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Kämpfe sind im Übrigen nach dem verpatzten Arkham Origins wieder auf gewohnter Höhe. Im Kampf Faust gegen Faust hat Batman einige Tricks dazugelernt: So kann er, wenn der Kombozähler hoch genug ragt, mit aufgeladenen Gadgets ganze Feindscharen in Schach halten, das Batmobil zum Angriff pfeifen oder die Umgebung für Sofort-Takedowns missbrauchen. Da denkt der eine oder andere Handlanger, er könnte Batman jetzt schön eine verpassen - aber er steht in der Nähe eines Stromverteilers. Tja, Kopf rein, da hat wohl jemand nicht auf seine Umgebung geachtet!
Aber auch die Gegner haben einiges dazugelernt. Sanitäter können gefallene Feinde wiederbeleben und sie mit Stromstößen unantastbar machen. Ab und zu kommen auch Feinde mit Bodyslams auf Bats zugestürmt oder nehmen ihn hinterrücks in den Schwitzkasten. Das sind alles kleinere Veränderungen, die die Kämpfe für Veteranen interessanter gestalten ohne gleich den ohnehin hervorragenden Freeflow Combat unnötig auf den Kopf zu stellen.

Endlich: Ein Batman-Spiel, das fast ohne Scharfschützen auskommt!
Auch schleichen kann die fledernde Maus noch. Hier bietet sich aber wenig Neues zu den Vorgängern: Mit alten und neuen Gadgets kann Batman nun besser die neuen Drohnengegner lahm legen oder erblinden lassen oder bestimmte Ausrüstungsteile sabotieren. Ganz neu sind die Fear Takedowns: Hat Batman genug Feinde mit stillen Takedowns abgeräumt, kann er je nach Upgrade bis zu sieben Feinde gleichzeitig vom Spielfeld tilgen. Ein fieser Vorteil! Allerdings muss man oft richtig nah an den Gegnern dran stehen und kann nicht aus beliebiger Höhe in einen Ringelpiez hineinflattern. In einigen Situationen ist die Aktivierung des Fear Takedowns auch so wackelig, dass man den Knopf drückt und just in diesem Moment hat sich der Goon einen halben Zentimeter bewegt, so dass aus dem legendären Rundumschlag eine ganz normale Doppelschelle wird. Die lässt einen Schläger zwar Sterne sehen, aber seine Freunde mit den AKs im Anschlag finden die Bud-Spencer-Referenz nicht ganz so witzig. Und wie wir alle wissen, sind Kugeln Batmans einzige Schwäche. Kugeln und Frauen, denen er seine geheime Identität verrät.

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Next Gen but Oldschool
Als Sprung von der letzten zur jetzigen Konsolengeneration sieht Arkham Knight natürlich viel besser aus als sein Vorgänger und das gesamte Spiel - abgesehen von unfreiwilligen Toden - kommt ohne offensichtliche Ladezeiten aus. Insbesondere Close-ups von Figuren und Gesichtern wirken entzückend, allerdings ist die Kamera im durchschnittlichen Spielgeschehen zu distanziert, als dass der Spieler die Effekte und Details wertschätzen kann. Gothams Gassen gleiten nur so im Flug vorbei, Schläger sehen im Kampf bei der notwendigen Entfernung zur Übersichtlichkeit ihren Last-Gen-Vorgängern sehr ähnlich. Bei der von uns getesteten PS4-Version gab es außerdem immer wieder Gebäude-Pop-Ups in der Distanz oder Modelltexturen luden nicht immer ganz rechtzeitig. In der Xbox-One-Version sind uns die Pop-Ups nicht aufgefallen. Aber egal, denn die Grafikfehler sind sofort wieder vergessen, wenn man mit dem Batmobil im Drift mühelos Laternen, Denkmäler und Bäume planiert.

Batman: Arkham Knight ist ein hervorragendes Sequel und ein hervorragender Abschluss der Serie. Rocksteady hat mit diesem Spiel alles herausgeholt, was noch zu machen war. Und auch wenn es das Rad trotz vieler schicker Zusätze nicht neu erfindet, kann ich ganz ehrlich sagen: Die Fledermaus darf ruhigen Gewissens ihr Cape an den Nagel hängen. Mehr Batman geht nicht.

Batman: Arkham Knight wurde auf der Xbox One und PS4 getestet. Ein Testmuster für Xbox One wurde uns von Warner Bros. Interactive zur Verfügung gestellt, die PS4-Version hat sich der Autor selbst gekauft.

Batman: Arkham Knight

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

Kommentare

Ben
30. Juni 2015 um 10:49 Uhr (#1)
Stimme dir in allen Punkten zu. Es ist ein krönender Abschluss für eine großartige Reihe.
Adrian
30. Juni 2015 um 15:46 Uhr (#2)
Es scheint fast so, als müsste ich mir Batman auch noch besorgen... So ein gutes Spiel möchte ich nicht verpassen :D
blackmaniac
30. Juni 2015 um 19:47 Uhr (#3)
I've come here to beat the shit out of criminals and hug my parents.
And I'm all out of parents!
Gast
29. März 2024 um 14:26 Uhr
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23. Juni 2015
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