Lord of Magna: Maiden Heaven im Test

(Artikel)
Haris Odobašic, 10. Juni 2015

Lord of Magna: Maiden Heaven im Test

Angriff der göttlichen Hausmädchen-Schwestern

Rune Factory 4 war das letzte offizielle Spiel von Neverland. Der japanische Traditionsentwickler, der sich neben der Rune-Factory-Reihe immerhin auch für die Lufia-Serie verantwortlich zeigte, machte Ende 2013 dicht und hinterließ nicht nur viele traurige Fans, sondern auch ein fast fertiges Spiel in Form von Lord of Magna: Maiden Heaven. Es dauerte nicht lange, bis Stammpublisher Marvelous AQL die Gelegenheit nutzte, ein paar Schlüssel-Mitglieder des Teams anheuerte und ihnen die Möglichkeit gab, den Titel fertig zu stellen. Und auch wenn der Entwickler nun offiziell nur noch als Marvelous geführt wird, bleibt Lord of Magna eben doch irgendwie auch Neverlands letztes Spiel. Lohnt es sich, dem Schwanengesang eine Chance zu geben?

Luchs Eduard ist ein junger Pensionsbesitzer nahe eines kleinen Städtchens. Nachdem er seinem Vater geschworen hat, jeden Gast wie seine eigene Familie zu behandeln, hat er die Pension geerbt und kümmert sich fortan um das Tagesgeschäft. Nur leider verirrt sich niemand in die Gegend und die Pension hat noch nie einen Gast beherbergt. Aber da er den Familienbesitz nicht verhökern will, betätigt sich Luchs als Kristallgräber. Denn Kristalle sind in der Welt von Lord of Magna wichtigste Energieressource und gerade die Region, in der Luchs lebt, wimmelt nur so vor Kristallen, weil regelmäßige Erdbeben neue Gebirgsschächte produzieren. Als er eines Tages gerade seinem Nebenjob nachgeht, wird Luchs in einer Höhle von fiesen Monstern überfallen und ist sich seines Todes sicher, bis aus dem Nichts ein junges Mädchen erscheint und ihn mit einer schier göttlichen Macht rettet. Ihr Gedächtnis komplett verloren, nur an ihren Namen Charlotte kann sie sich erinnern, finden die beiden gemeinsam heraus, dass Luchs einen mysteriösen Armreifen besitzt, der gleichzeitig Charlotte Energie spendet und sie am Leben erhält. Und ehe sich die beiden einen Reim drauf machen können, stoßen sie auf ein weiteres Mädchen. Genauso von Amnesie befallen, aber das Wiedersehen treibt zumindest ein paar Erinnerungen an die Oberfläche. Denn die beiden sind Schwestern. Und nicht nur das! Die Familie war sehr aktiv und entsprechend treiben noch andere Mitglieder der Sippschaft ihr Unwesen.

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Entsprechend beschließt Luchs, dass die Schwestern bei ihm bleiben können, bis sie ihre Erinnerungen wiedergewonnen haben und man die restlichen Schwestern gefunden hat. Und da die Pension eh Personal braucht, bietet es sich an, sie gleich als Hausmädchen einzustellen. Maiden Heaven, eben!

Wer also total auf das Klischee vom Hauptcharakter ohne Gedächtnis steht, kriegt es hier gleich in massenhafter Ausführung an den Kopf geklatscht. Wie ihr schon ahnen könnt, ist die Geschichte von Lord of Magna nicht unbedingt die kreativste, aber sie wird durch gute Lokalisierung, charmant animierte Charakterporträts sowie gelungene Synchronsprecher zumindest so gut erzählt, dass man über diese Schwäche hinwegsehen kann.

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Die mangelnde Kreativität im Storytelling macht das Gameplay auch schnell wieder wett, denn das bietet eine ziemlich coole und sehr spaßige Mechanik: Bowling. Feindlichen Einheiten sind in Truppen gegliedert. Ihr seht vielleicht schon, wo das hinführt. Normalerweise hat man eine Haupteinheit, die eine Handvoll Untertanen beschwören kann und diese auch bei Bedarf wiederbelebt. Und diese Untertanen sind weich. Sehr weich. Haut ihr einmal zu, sind sie einfach platt und fliegen ein paar Meter übers Schlachtfeld. Und hier kommt der Clou: Treffen sie im Flug einen anderen Untertanen, ist dieser auch direkt kaputt und fliegt ebenfalls ein bisschen durch die Gegend. Das sieht nicht nur lustig aus, sondern hat auch einen konkreten Gameplay-Nutzen: schaltet ihr mit einer Aktion zehn oder mehr Gegner aus – Zehnerschritte sind das Zauberwort – warten Bonusaktionen für den Charakter auf euch. So könnt ihr den Großteil einer Gegnerhorde mit einem gekonnten Zug dezimieren, um euch dann die jeweiligen Haupteinheiten zu schnappen, die auch mehr als einen Schlag aushalten.

Hier spielt auch die Individualität der Figuren eine große Rolle. Denn Luchs ist zwar immer dabei, aber der ist eben auch eine Lusche. Kann heilen und buffen, aber sein Angriffsradius ist so mickrig, dass eine ordentliche Kombo kaum möglich ist. Effizientes Monsterkloppen ist eben Frauensache! Also füllt ihr die insgesamt vier Plätze in eurer Party zum Beispiel mit der schwertschwingenden Lottie, die mit einem Kegel von gut und gerne 45° alles, was direkt vor ihr steht, plättet oder wagt euch an die Deutschfanatikerin Frieda heran. Deren Schusswaffe erfordert zwar eine gewisse Distanz zum Feind und hat eine echt mickrige Reichweite – einen dünnen Halbkreis, der mit Glück drei dicht beieinander stehende Gegner erreicht –, dafür schießt sie aber auch gleich dreimal und lässt entsprechend schöne Schadenswerte über den Bildschirm tanzen.

Doch das rundenbasierte Kampfsystem forciert euch nicht nur, gut zu überlegen, wie ihr euren Bewegungsradius nutzt, um den optimalen Schlagwinkel zu finden, sondern bietet auch weitere Tiefe durch die Möglichkeit, einen Zug einfach auszusetzen. Denn jede Aktion, außer die normale Laufbewegung, kostet euch einen Aktionspunkt, den ihr sowieso zu Beginn eures Zuges kriegt. Spart ihr euch diesen nun auf, erhaltet ihr Zugriff auf mächtige Zaubersprüche und verheerende Spezialangriffe. Heilen und Buffen ist genauso im Repertoire vorhanden wie den Feinden fiese Statusveränderungen zu verpassen oder eben mit dem besonderen Schlag glänzen zu können.

Manchmal ist also Nichtstun wirklich die beste Lösung, gerade wenn gleich mehrere Feindhorden auf euch zu marschieren und ihr mit einer Pause sicherstellt, dass ihr in eurem nächsten Zug nicht nur in Reichweite seid, sondern auch eine Spezialattacke mit großem Angriffsradius auspacken könnt. Wenn dann eine besonders große Kombo und damit die gewünschte Extra-Aktion das Resultat ist, geht dem Hobby-Strategen das Herz auf.

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Das Spiel scheitert allerdings daran, euch seine gesamte Tiefe effektiv näherzubringen. So gibt es ein Crafting-System, welches essentiell ist, um Skill-Chips zu erschaffen. Rüsten Charaktere diese aus, verleiht es ihnen neue Kampffertigkeiten. Das reicht von passiven Effekten, wie einem HP-Bonus oder größerer Angriffsreichweite, bis hin zu den oben angesprochenen Zaubern und Angriffen. Doch das Crafting-System an sich bleibt unerklärt, und dass das System überhaupt existiert, erwähnt ein Nebensatz eines eher belanglosen Dialogs. Ich habe von einem anderen Spieletester gehört, wie er bis kurz vor Ende des Spieles nicht mal mitgekriegt hat, dass es dieses System gibt und das überrascht mich auf gar keinen Fall. Man muss nicht mal sonderlich unaufmerksam sein, um dieses doch eigentlich wichtige Spielelement vollkommen zu verpassen.

Und wenn wir schon beim Verpassen sind: Luchs hat die Möglichkeit, mit den Schwestern zwischen den Missionen zu interagieren. Es gibt ein bisschen Dating, bei dem man mit den einzelnen Schwestern auf Minimissionen geht, sie so näher kennenlernt und außerdem zusätzliche Attacken freischaltet. Leider leider übergeht man einen großen Teil dieser Inhalte nur allzu leicht, denn nicht immer ist man sich überhaupt bewusst, dass eine der Schwestern gerade Bock auf Ausflug hat. Deswegen muss man, wohl oder übel, in jedem ruhigen Moment, in dem man Luchs‘ Familienpension durchstöbern darf, ausnutzen, um das Gebäude komplett zu durchlaufen, auf der Suche nach einem Hausmädchen mit Herz (über dem Kopf schwebend). Und wenn man zwei oder mehrere findet, heißt es: entscheiden. Denn das Spiel lässt euch nicht etwa alle Events in einem Durchlauf sehen, ihr müsst schon überlegen, wen ihr favorisiert. Komplettionisten nehmen den Umweg über das New Game+, welches aber zumindest alle Zwischensequenzen überspringen lässt.

Zudem seht ihr im Spiel selten mehr als die Pension, die zwischen Missionen als Hub dient, in dem ihr euch unterhalten oder ein paar freie Missionen zum Trainieren und Beutemachen ausführen könnt. Das ist schade, denn im Verlauf der Story lernt ihr doch andere Orte kennen, die aber niemals erforscht werden können. So gerne wäre ich mal durch die Straßen der Stadt geschlendert, die an Luchs‘ Pension angrenzt, um mich mit den Dorfbewohnern zu unterhalten und einfach etwas Abwechslung zu finden, ist einem leider nicht vergönnt.

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Außerdem ist das Spiel technisch nicht ganz einwandfrei. Während die Präsentation mit gezeichneten Hintergründen und süß animierten Chibi-Figuren zwar grafisch nicht brilliert, aber doch putzig anzusehen ist, zeigen sich gerade in den Kämpfen ein paar Schattenseiten, die man gar nicht erwarten würde. Denn obwohl das grafische Niveau allerhöchstens 3DS-Mittelmaß ist, bricht die Framerate sehr gerne ein, wenn sich viele Feinde auf dem Bildschirm tummeln. In einem Spiel, dessen Hauptelement darin besteht, euch Dutzende von Feinden mit einem Streich ausschalten zu lassen, ein wirklich schwerer Fauxpas. Zum Glück läuft es dann wieder flüssiger, wenn man die Horden etwas ausgedünnt hat.

Lord of Magna ist ein Spiel, welches richtig toll ist und euch dennoch mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Denn das Kampfsystem mit seiner Bowling-Mechanik macht viel Spaß und gerne würde man mehr von der Welt sehen, statt nur immer die leidige Pension. Die paar Ausblicke, die man in Zwischensequenzen und Ähnlichem erhält, wecken den Forscherdrang im Spieler. Man will aus den Fesseln des Spieles ausbrechen, die Welt erforschen und mehr Zeit mit ihren Einwohnern verbringen, doch stattdessen landet man auf der Schiene im Express ohne Bremsen, der euch nach prompten zwanzig Stunden ans Ziel führt. Das sind zwar zwanzig sehr unterhaltsame Stunden, aber eben auch Stunden, die von verschenktem Potenzial geprägt sind und natürlich die Frage offen lassen, was hätte sein können, wenn Neverland nicht mitten im Entwicklungsprozess pleite gegangen wäre. Ein Nachfolger erscheint unwahrscheinlich, weswegen wir diese Antworten wohl niemals erhalten werden. So bleibt Lord of Magna eine kleine Perle, die es wert ist, entdeckt zu werden, wenn man damit klarkommt, dass man nach dem Spielen auch einen kleinen Riss im Herzen davontragen wird.Haris

Lord of Magna: Maiden Heaven wurde auf dem Nintendo 3DS getestet. Ein Testmuster wurde uns von Marvelous AQL zur Verfügung gestellt.

Lord of Magna: Maiden Heaven

(Ranking)
B
RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

Kommentare

master
Gast
16. Juni 2015 um 03:58 Uhr (#1)
tipp: vergönnt heißt gegönnt. so macht der satz in deinem text keinen sinn.
Rian
16. Juni 2015 um 19:38 Uhr (#2)
Falsch - wenn es gegönnt hieße, dann würde es im Widerspruch zu seiner Aussage stehen. In diesem Fall entspricht "vergönnt" einem "nicht gegönnt".
master
Gast
17. Juni 2015 um 01:18 Uhr (#3)
dumm, dümmer, ri.. vergönnt heißt nun einmal jemandem etwas zu gönnen, da kannst du erzählen was du willst. als referenz wäre der duden zu nennen. also rian, erst denken, dann etwas schreiben oder in dem fall besser ruhig sein.
Rian
17. Juni 2015 um 10:31 Uhr (#4)
Schade. Du hast natürlich recht, aber du hast dich durch Beleidigungen leider um meine Entschuldigung gebracht. Nicht, dass ein so dudenfester Mensch auf so etwas angewiesen wäre.
Ben
17. Juni 2015 um 10:57 Uhr (#5)
Dem kann ich nur hinzufügen, dass der Text sprachlich korrigiert wurde, um den geltenden Regeln Rechnung zu tragen.
Gast
29. März 2024 um 07:32 Uhr
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RELEASE
04. Juni 2015
PLATTFORM
Nintendo 3DS
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