Bloodborne im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 14. April 2015

Bloodborne im Test

Das wird eine lange Nacht

Große Schilde, dicke Rüstung, furchteinflößende Drachen - weg damit. FromSoftware verlässt mit Bloodborne nach fünf Jahren und drei Souls-Titeln die düstere Mittelalter-Fantasy und wendet sich düsterem Fantasy-Horror im 19. Jahrhundert zu. Das Schild wird zum Schießprügel, die Rüstung zum Cape. Und die Drachen? Werwölfe, möchte man zuerst meinen. Zuerst.

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Ah, Yharnam
Wir haben euch übrigens 21 Spieletipps zusammengestellt.
Wir erwachen in Yharnam, einer Jahrhunderte alten Stadt, die entsprechend ehrwürdige Bauwerke, verwinkelte Gassen und Geheimnisse angesammelt hat. Und bessere Tage, möchte man hoffen, denn die gebeutelten Straßen wirken so, als hätten hier Pest, Cholera und eine richtig fiese Erkältungswelle gleichzeitig ihren Jahresurlaub gebucht. Nicht zu vergessen die Lykanthropie! Neben verwilderten Wahnsinnigen mit brennenden Fackeln und Mistgabeln ziehen nämlich auch tollwütige Bestien, Halbwerwölfe, Vollwerwölfe und riesenhafte Unmenschen an den Häuserfronten der Yharnamiten vorbei, die sich mit schützendem Weihrauch hinter Türen und vergitterten Fenstern verbarrikadiert haben. Die kennen das aber schon - es ist eine Nacht der Jagd.

In solchen Nächten liegt es an den Jägern, die Straßen wieder sicher zu machen, bis der Morgen einbricht. Genau das ist unser Job. Nur dauert diese spezielle Nacht der Jagd ungewöhnlich lange. Einige meinen sogar, sie würde nie von selbst aufhören. Es bringt also nichts, mit unserem bewährten Sägenhackebeil durch die Straßen Yharnams zu grinden, sondern der Ursprung der Misere muss enthauptet werden. So schwer kann das ja wohl nicht sein?

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Apropos schwer
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn man einen Souls-Spieler nach seinem Lieblingsteil fragt, dann wird es meistens der erste sein, den er beendet hat. Die Spiele erfordern eine besondere Denkweise. Dafür muss das bockige Hirn des quicksaveverwöhnten Spielers erst mit harten Schlägen aufgeweicht und anschließend in Form gebracht werden. Man muss lernen, dass jede Aktion wohlüberlegt sein muss. Dass Umgebungen tückische Fallen oder große Verbündete sein können - schließlich ist der klaffende Abgrund für den Spieler genauso tödlich wie für alles, was sich unserer Schuhgröße 47 gegenüber stellt. Und man fing an zu denken. In einem Actionspiel! Taktiken mussten daher. So auch in Bloodborne. Ein halbtoter Werwolf war schon schwierig genug, und kaum eine halbe Stunde später soll man gegen zwei kerngesunde Exemplare gleichzeitig antreten? Das kann ja wohl nur ein Scherz sein! Aber mit dem richtigen Plan und einer gesunden Menge Geschick kann jeder Feind, auch der fieseste Boss, überwunden werden. Diese Metamorphose, die der generische Spieler vom ungeduldigen Warmduscher zum stoischen Kriegshelden durchmacht, ist wundervoll, kann aber niemals wiederholt werden. Darum wird wohl kein FromSoft-Titel je wieder denselben Eindruck auf mich hinterlassen wie Dark Souls, aber das soll nicht heißen, dass Bloodborne es nicht ganz stark versucht hat.

Bloodborne ist kein offizieller Teil der Souls-Serie, ist dieser aber in vielen Teilen so ähnlich, dass es zumindest als Halbschwester durch die Ahnenkontrolle kommt. Und auch wenn ein Souls-Spieler ohne große Schwierigkeiten mit der vertrauten Steuerung durch die ersten Stunden kommt, muss etwas umgelernt werden.

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Schlange statt Schildkröte
Die größte Änderung überhaupt: Spieler müssen schwerer Rüstung und dem Blocken Ade sagen. Das war ein Schock für mich, denn ich gehörte zu denen, die einen gigantischen Turmschild trugen und dahinter erst mal gemütlich Raucherpause machten, während Nito, Sif, Ornstein und Smough zeitgleich auf mich einhämmerten.
Stattdessen kommen in die linke Hand der Spielfigur nun Pistolen oder Donnerbüchsen. Klingt nach einem lahmen Versuch, den Shooter ins Souls-Spiel zu bringen, entpuppt sich aber als neues Hilfsmittel mit altem Chic, denn Fernangriffe dienen nun als Parade. Viele normale Gegner in Bloodborne und rund ein Drittel der Bossgegner lassen sich parieren - ein guter Schuss zur rechten Zeit und das Vieh geht in die Knie, nur damit man mit Wumms in seine Brust hämmern kann. Das Paradesystem ist dabei gefühlt etwas gnädiger als noch bei Souls, lässt mehr Raum für Fehler und betäubt auch bei schlechtem Timing einen Gegner noch lange genug, dass man für die verschwendete Quecksilberkugel dem kommenden Angriff immerhin ausweichen kann. Notwendig ist das Meistern dieser Mechanik zwar nicht, kann einem aber oftmals den Arsch retten - und es ist schließlich auch sehr befriedigend, einen Bosskampf mit einem stilvollen Konter zu beenden. Wer ein Gefühl dafür bekommen möchte, wie sich Bloodborne in der Hinsicht anfühlt, der sollte in Dark Souls einfach mal eine Weile ohne Schild herumlaufen - das Resultat ist recht ähnlich.

Während ich der Abkehr vom Schild nach kurzer Zeit recht gleichmütig gegenüber stand, begrüßte ich bald die neuen Textilrüstungen sehr, denn: Es ist fast egal, was man trägt, so dass man lustig seinen Charakter gestalten kann. Es war schon immer ein großer Teil der Souls-Serie, sich über die Klamotten mit seiner Figur zu identifizieren, aber in den Souls-Spielen waren Qualitätsunterschiede zwischen Rüstungsstücken teilweise gewaltig, so dass man nicht immer die freie Wahl hatte. In Bloodborne kann man anziehen, was man will - Stoff ist Stoff, da schützt die Baumwollkutte genauso gut vor scharfen Zähnen wie die Lederjacke. Natürlich gibt es immer noch Unterschiede zwischen den Klamotten und die eine Robe schützt mehr vor Gift, während die andere Magie abwehrt, aber die meiste Zeit muss man eben doch auf die Level der Figur, eine hochgezüchtete Waffe und einen flinken Druck der Ausweich-Taste setzen.

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Trick 17
Puncto Style sind auch die Trick Weapons ganz groß. Jede Waffe in Bloodborne verfügt über zwei Modi mit unterschiedlichen Movesets, die sich auch in der Kombo unterbringen lassen. Eine Säge klappt aus wie ein Taschenmesser, ein Silberschwert verschwindet im Schaft eines steinernen Vorschlaghammers und ein Säbel verwandelt sich in ein Gewehr. 15 sehr unterschiedliche Primärwaffen haben ins Spiel gefunden, die sich über ihre Modi zu insgesamt 30 Nahkampfwaffen entfalten. Da muss jeder Spieler für sich herausfinden, auf welche Reichweite und mit welchem Mix aus Horizontal- und Vertikalbewegungen er am besten umgehen kann. Das geht außerdem leicht genug, dass auch ein Anfänger ein paar gefährlich aussehende Ratten verfrühstücken kann, bevor er dem nächsten schäumenden Maul zum Opfer fällt. Angriffsbewegungen sehen übrigens immer deliziös aus und so eine richtig lange Hacksägenkombo lässt nicht nur das Blut links und rechts aus Peter dem Wolf spritzen, sondern klingt zudem auch gut.

Gänsehaut im Ohr
Und das muss ich hier einfach sagen: Die Soundkulisse ist richtig, richtig gut. Schreie in der Ferne, ein Windhauch - oder war das eine Bewegung? Man weiß nie so recht, was einen Hinterhalt um die nächste Ecke verrät und was dem Spieler nur Angst machen soll. Einige Bossgegner kreischen und brüllen sogar so nervenzerfetzend, dass ich jetzt immer noch unkontrolliert zucke und meine Beruhigungstabletten vom Tisch stoße. Hinzu gesellen sich die bekannten düsteren Tracks der Souls-Spiele, die in ihrer Bedrohlichkeit kaum zu Wünschen übrig lassen, auch wenn die Choräle dem Serienveteran nichts Neues zu bieten haben.

Was die Sinne angeht, ist der Ton jedenfalls das Highlight. Yharnam und Umgebung sehen zwar nett aus, allerdings mehr durch verliebte Details an den gothischen Bauwerken, aufwendig gestalteten Statuen oder dem brennenden Karren am Wegesrand als durch pure Polygon-Power. Allerdings läuft man in Bloodborne auch Gefahr, durch den Ganzfeld-Effekt temporär zu erblinden, denn bis das Spiel sich mal dazu entschließt, Farben jenseits von Grau und Rot einzustreuen, muss erst einmal über die Hälfte der etwa fünfunddreißig Stunden Spielzeit vergehen. Und selbst dann gibt es für das Auge nicht solche Schmankerl, wie es sie bei den beiden Dark Souls erleben durfte. Eine ewige Nacht in einer alten Stadt zeichnet sich halt nicht durch viel Potenzial für Vielfalt aus.

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Like a boss
Es gibt einen Zeitpunkt im Leben eines Menschen, da denkt man, man hätte alles gesehen. Und wenn man zu den ganz Glücklichen gehört, dann kommt jemand daher oder etwas passiert, das einem vor Augen führt, wie wenig man doch weiß. Für Souls-Spieler sind die Bosse von Bloodborne leider nicht diese gewünschte Offenbarung, umso mehr allerdings für Neuankömmlinge.

Bosse sind seid jeher ein wichtiger Teil der FromSoft-Spiele. Groß, haarig, eklig, geschwind, langsam und immer erbarmungslos. Was das angeht, hat Dark Souls für mich nach wie vor die perfekte Abmischung aus cleveren Obermotzen, deren Schwäche man erst einmal auf den Grund gehen muss. Bloodborne featured dagegen eine recht große Menge zotteliger Biester, zwischen deren Beinen man sich versteckt, um ihnen die Knöchel aufzuschlitzen, während sie frontal ins Leere fäusteln. Abwechslung in Form ungewöhnlicher Kampfabläufe und Bossstrategien gibt es immer noch, aber die dicke Schicht direkter Riesen-Angreifer, die in zwei oder drei Stufen ihre Angriffsmuster modifizieren, ist mit diesem Titel nicht von der Hand zu weisen. Das ist sehr schade, vor allem weil ich mir bei einigen Schreckgestalten allein wegen des hochqualitativen Designs zünftig in die Hosen pieselte, bevor ich bemerkte, wie wenig sie letztendlich für mich zu bieten hatten.
Nichtsdestotrotz ist das die Perspektive eines Typen, der schon viele Jahre dabei ist. Für Neulinge dürfte das Bossangebot immer noch ein schönes Bouquet sein, für das sie sich richtig doll verausgaben müssen. Die wissen ja gar nicht, wie sie denken müssen! Und dann macht es irgendwann Klick und es klappt auch mit dem Blood-starved Beast. Nur die enorm langen Ladezeiten können bei häufigen Anläufen auf ein Bossviech gehörig die Geduld des Spielers strapazieren.

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Verschlungene Pfade der Sonderklasse
Wenn Yharnam eins ist, dann ein gottverdammtes Labyrinth. Und ich liebe es! Das geht schon im eigentlich noch ganz beschaulichen Central Yharnam los. Von der Speicherpunkt-Lampe aus läuft man geradeaus, kommt auf eine Kreuzung, dann wieder eine, hier ein verschlossenes Tor, da eine Treppe, eine Brücke, ein Gebäude, sich verschraubende Pfade, ein Kanalsystem... das alles verknüpft mit Leitern und Fahrstühlen, so dass sich Menschen mit Orientierungssinn stets wundern, ob man an der nächsten Ecke nicht vielleicht auf der anderen Seite des verschlossenen Tores nahe des Speicherpunkts auftaucht. Vertikalität und sich ineinander verzahnende Gebiete ohne Ladeunterbrechungen ziehen sich durch das gesamte Spiel, so dass sich zu jeder Zeit Entdecker und wagemutige Abseits-der-Wege-Forscher über geheime Items, Abkürzungen oder sogar den ein oder anderen optionalen Boss freuen können. Ich will mich mal aus dem Fenster lehnen, möglicherweise sogar etwas Eigenblasphemie betreiben, und sagen, dass die durchdesignten Gänge und Pfade voller Fallen, Feinde - und auch dem einen oder anderen freundlich gesinnten NPC samt Nebenquests - vielleicht sogar gleichwertig mit Dark Souls sind. Ein höheres Lob kann ich eigentlich gar nicht aussprechen.

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Jolly Cooperation
Natürlich sind auch Invader- und Ko-op-Systeme wieder mit von der Partie. Spieler können mithilfe von Glocken andere Spieler zur Hilfe rufen oder als böse Geister in ihr Spiel einfallen und ihnen das Leben zur Hölle machen. Soweit, so bekannt. Auch Covenants gibt es wieder - drei an der Zahl, die in diesem Spiel allerdings komplett auf PVP ausgelegt sind und damit wahrscheinlich den enttäuschendsten Aspekt des Spiels stellen. Fehlende Covenants sind jetzt kein riesiger Beinbruch, aber wo es vorher über ein halbes Dutzend Nebenaufgaben und Methoden gab, wie sich Spieler gegenseitig kloppen oder unterstützen konnten, ist hier einfach nicht viel zu holen.

Dafür gibt es jetzt aber die Chalice Dungeons. Einige Bosse spucken Kelche aus, mit denen sich teils zufallsgenerierte Dungeons samt Minibossen und Bossen erstellen lassen. Hier gibt es nicht nur spezielles Loot zu holen, sondern man kann diese grindigen Dungeons mit anderen Spielern bestreiten. Hat man mal einen grandiosen Dungeon erstellt, kann man diesen auch mit anderen Spielern teilen. Ich denke, dass jedes Spiel von einem optionalen Unendlich-Modus nur profitieren kann und Bloodborne liefert hier auf ganzer Linie.

Kritik an Bloodborne ist Kritik auf hohem Niveau. Auch wenn es einige Dinge im Vergleich zur Pate stehenden Souls-Reihe anders macht, sind die Ursprünge kaum zu verkennen - und bleibt entsprechend gut. Was die Optik angeht, musste Bloodborne ob schierer Gräue zwar etwas einstecken, kehrt nach dem langweilig-ausfächernden Dark Souls 2 aber zu alter Leveldesign-Größe zurück. Zudem ist es ohne Frage toll, wie sich FromSoft aus dem etablierten und sicheren Fantasysetting nahezu komplett heraustraut - das ist erfrischend. Bloodborne bleibt stets anspruchsvoll, ist mit seiner etwas hacklastigeren Spielweise aber auch einsteigerfreundlicher geworden. Da ist es nur schade, dass nicht alle Bosskämpfe für Souls-Spieler etwas Neues bieten. Verbesserungen am PVP, große Areale zum Erkunden und die umfangreichen Zusatzinhalte durch pseudo-zufallsgenerierte Spezialdungeons bieten allerdings genug Stoff, um jeden Spieler lange bei der Stange zu halten.

Bloodborne wurde auf der Playstation 4 getestet. Für den Test hat sich der Redakteur das Spiel selbst gekauft.

Bloodborne

(Ranking)
S
RANK
Herausragend. S-Spiele erweitern Horizonte. Sie bieten intensive Erlebnisse oder halten den Spieler noch lange am Bildschirm gefesselt. Selbst wenn man sie nicht jedem empfehlen kann, will man doch mit jedem über sie reden.

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RELEASE
25. März 2015
PLATTFORM
Playstation 4
Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.

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