Lords of the Fallen im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 20. November 2014

Lords of the Fallen im Test

Starkes Leichtgewicht

Dark Souls hat einen Trend losgetreten. Die Reihe hat gezeigt, dass Bedarf an bockschweren Spielen besteht und sich damit im RPG-Sektor gut platziert. Lords of the Fallen folgt dem Trend, weiß sich aber durch Eigenleistung von der Vorlage zu unterscheiden.

Es ist schier unmöglich, über Lords of the Fallen zu schreiben und Dark Souls nicht als Vergleich herbei zu ziehen. In diesem Test möchte ich sowohl diesem Vergleich gerecht werden, als auch das Spiel eigenständig betrachten.

LotF_temple_outside

Der Spieler schlüpft in die ruppige Haut des Schwerverbrechers Harkyn. Der Halunke wurde rehabilitiert, um im Kampf gegen Dämonen aus einer anderen Dimension sein schmutziges Werk zu tun. Neben kleinen Monstern und Kreaturen bekommt man es auch mit den dunklen Lords der Rhogar-Dimension zu tun. Um die Welt vom Bösen zu befreien, müssen diese Bossgegner nach und nach in taktischen und schweißtreibenden Kämpfen bezwungen werden.

Einen Charakter-Editor gibt es nicht, Harkyn ist einfach immer Harkyn. Man kann sich vor Beginn des Spiels aber für eine von drei Magie-Klassen entscheiden (Kampfmagie, Verteidigungsmagie oder Täuschung) und anschließend für eine von drei Spezialisierung, die die Startverteilung der Attributpunkte und die erste Ausrüstung festlegen. Durch neue Attributpuntke kann im weiteren Verlauf dann eigene Spezialisierungen vornehmen. Das ist wichtig, denn viele Waffen und Rüstungen verlangen Mindestwerte für bestimmte Attribute.

Management ist das wichtigste Stichwort für Kämpfe in Lords of the Fallen. Wie in Dark Souls darf man das Leisten-Triumvirat nicht aus dem Auge verlieren: Lebensenergie, Mana und Ausdauer. Der Kampf mit Schild und Schwert (oder Axt, Lanze usw.) ist oft schwerfällig, jede Aktion kostet Ausdauer und kann im falschen Moment die Deckung für einen Schlag des Gegners öffnen. Meistens bekommt man es nur eins gegen eins mit seinen Gegnern zu tun, aber das ist schwierig genug. Kassiert man ein paar Schläge, ist Rückzug angesagt, um Lebensenergie mit einem Trank aufzufüllen. Magie ist mächtig, braucht aber viel Energie, die sich erst wieder aufladen muss. Selbst der stärkste Zauber macht für Sekunden der Vorbereitung verwundbar und ist immer ein Risiko. Und wenn man die mannshohe Axt mit voller Wucht daneben semmelt, fehlt vielleicht die Ausdauer für den wichtigen Block kurz danach. Mit Geduld, sicheren Schlägen und ständiger Defensive kämpft man sich Gegner um Gegner nach vorn. Bis zum nächsten Checkpoint, bis zum nächsten Boss. Oberflächlich unterscheiden sich Lords of the Fallen und Dark Souls nur wenig.

LOTF_chamber_demigod

Nach wenigen Stunden Spielzeit wird deutlich, dass die Spiele sich in vielen Punkten unterscheiden. Anders als beim Einstieg in Dark Souls gibt das Spiel keine Rätsel darüber auf, wie es funktioniert. Lords of the Fallen erklärt dem Spieler alles Nötige, um seine Mechaniken zu verstehen. Wann immer man den Punkt erreicht, an dem ein neues System relevant wird, liefert das Spiel Erklärungstexte, um sich dem Spieler verständlich zu machen. Früher hätte es in der Anleitung gestanden und man wäre dankbar darüber gewesen. Auch heute bin ich dankbar, wenn mir jedenfalls gezeigt wird, wie ein Upgrade-System funktioniert und welche Bedeutung die Statuswerte haben. Gegenstände werden einfach gehortet und von allein sinnvoll sortiert, man muss nicht handeln oder verkaufen. Der einzige Weg, sein Equipment zu verbessern geht über Runen, die man im Verborgenen findet oder von besiegten Feinden erhält. Bei einem Schmied kann man an vielen Stellen im Spiel diese Runen einsetzen und tauschen, um Schaden oder Resistenzen für bestimmte Elemente zu verbessern. Lords of the Fallen geht offen auf den Spieler zu und macht kein Geheimnis aus seinen Mechaniken. Damit wird es auch für Leute zugänglich, die mit einem Dark Souls anfänglich überfordert waren. Die niedrige Schwelle macht Lords of the Fallen zu einem perfekten Einstieg ins Genre. Dafür fehlen aber auch die vielen kleinen Geheimnisse und Aha-Momente, die der Konkurrent dem aufmerksamen Spieler schenkt.

Im weiteren Spielverlauf gibt Lords of the Fallen dem Spieler Werkzeuge an die Hand, um das Spiel leichter oder schwieriger zu machen. Magie ist mächtig und kann häufig eingesetzt werden, um sich Kämpfe zu erleichtern. So benötigt meine Paladin-Klasse außerhalb von Bosskämpfen eigentlich keine Tränke mehr, da ich mich mit einem Zauber oft und effektiv heilen kann. Es tut also nicht so weh, auch mal ein paar Treffer zu kassieren. Wenn ich mir das Spiel dagegen schwieriger machen möchte, investiere ich Erfahrungspunkte nicht in magische Fähigkeiten, sondern kann mich rein auf die Attribute konzentrieren. Damit fallen Heilungsmagie und magische Geschosse weg, die einem häufig den Arsch retten. Will ich mir die Aufgabe noch schwieriger machen, kann ich darauf verzichten, Erfahrungspunkte an Checkpoints sicher einzulagern, trage sie lose herum. Dies birgt das Risiko, sie zu verlieren, wenn man stirbt und in die blöde Lage zu kommen, sie wieder einsammeln zu müssen. Anders als bei Dark Souls verringern sich die Punkte sogar über die Zeit, sodass man nicht nur überleben muss, sondern auch die Hacken in den Teer hauen sollte, wenn man keine Erfahrung einbüßen möchte. Als Belohnung für die Enthaltsamkeit, Erfahrung einzulagern, steigt mit jedem Kill ein Multiplikator an, der die Chance erhöht, dass Gegner seltene Items fallen lassen. Ob man sich das Spiel auf diese Weise schwieriger macht, hängt ganz von einem selbst ab. Speichern kann man an Checkpoints übrigens jederzeit - Feinde werden nur dann zurückgesetzt, wenn man stirbt. Insgesamt kann man in Lords of the Fallen also befreiter atmen als in Dark Souls, da man selten vor der Gefahr steht, große Passagen wiederholen zu müssen.

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Was will der Autor uns mit seinem Untertitel sagen? Da ich ja keinen Deutschunterricht gebe, löse ich das auf. Einerseits ist Lords of the Fallen ein Leichtgewicht. Ich habe insgesamt das Gefühl, dass es einfacher und nachgiebiger ist als Dark Souls und dass es mehr Annehmlichkeiten bieten, die das Spiel erleichtern (z. B. jederzeit Speichern ohne Reset der Gegner). Es ist, anders als auf der Gamescom vermutet, nicht so hart wie Souls. Trotzdem ist Lords of the Fallen ein starkes Spiel. Es ist viel zugänglicher und schneller verstanden als ein Dark Souls und frustriert vor allem zu Anfang seltener. Der Einstieg ins Spiel ist leichter und man kann sich später auf schwierige Passagen besser einlassen. Das Kampfsystem ist taktisch und fair - und sorgt für interessante (Boss-)Kämpfe. Wann immer man Schläge bezieht, weiß man, dass man selbst Schuld daran hat; wann immer man siegreich hervorgeht, hat man sich auch das verdient. Während gewöhnliche Feinde mit der Zeit keine große Herausforderung mehr stellen, sind die Bosskämpfe fast immer ein Highlight und machen den größten Spaß am Spiel aus.

Gut gefällt mir auch der leicht explorative Ansatz des Spiels. An vielen Orten gibt es versteckte Schalter, Räume hinter brüchigen Wänden, Geheimgänge und verstreckte Truhen. So manches Mal muss man sich geschickt anstellen, um ein Rätsel zu lösen. An einigen Orten kann man auch (versteckte) NPCs finden, die kleine Aufgaben bereithalten, die man nebenher erledigen kann. Da es aber keinen Questmarker und keine Map gibt, können auch Nebenquests zu kleinen Rätseln werden, die entworren werden wollen - und selten auch mal zufällig gelöst werden. Man hat fast immer das Gefühl auf sich selbst und das eigene Urteilsvermögen gestellt zu sein und das trägt wie auch bei Dark Souls stark zur Atmosphäre bei. Eine lineare Story gibt dem Spiel dazu etwas Struktur und setzt den Dark-Fantasy-Hintergrund in Szene. Voll vertonte NPCs tragen erheblich zur Atmosphäre bei und machen die Präsentation des Spiels wirklich rund. Wer nach der Geschichte nicht mit der Lupe suchen möchte, wird mit der offensiveren Erzählung von LotF vermutlich mehr anfangen können als mit den versteckten Häppchen, denen man Dark Souls aus der Nase (sprich den Itembeschreibungen und vagen Andeutungen der meist halbverrückten Gesprächspartner) ziehen muss. Die Welt von Lords of the Fallen kommt mir lebendiger und relevanter vor. Versteckte Schriftstücke an Wegesrändern und in Verliesen erzählen, ebenfalls vertont, Hintergrundgeschichte zur Fantasy-Welt ohne sie einem dabei ins Gesicht zu reiben. Erkundung wird nicht nur mit Waffen, sondern auch Erzählungen belohnt.

LOTF_challenge_boss

Wenn ihr Dark Souls gespielt habt, merkt ihr: Hier steckt einer der größten Brüche mit dem Vergleichstitel. Wo einem bei Dark Souls zwar zu Beginn sehr nahegelegt wird, wo man hingehen sollte, kann man sich doch immer dazu entscheiden, nicht nach der Pfeife der Designer zu tanzen und seinen eigenen Weg zu gehen. Diese Möglichkeit gibt Lords of the Fallen nicht. Das Gleiche gilt für viele andere Spielelemente: Der energische Entdecker wird belohnt. Nach der Narrative, Schätzen, Hinweisen auf Schwachstellen von Gegnern muss man explizit suchen. Es ist der Inbegriff des weggenommenen Silbertabletts, den Dark Souls zugegebenermaßen auch mal zu weit treibt.

Technisch ist Lords of the Fallen zumindest auf der Xbox One nicht ganz einwandfrei. Die Auflösung ist mit 900p geringer als auf der PS4 (1080p) und manchmal kommt es zu Screen-Tearing. Während meiner Spielzeit musste ich zudem zwei Vollabstürze hinnehmen, die mich zurück ins Dashboard der One katapultiert haben - inklusive Fortschrittverlust. Ein Spiel, das darauf basiert, nicht ständig speicherbar zu sein, sollte wirklich nicht abstürzen. Ein Patch ist bisher nicht erschienen.

Wenn ihr euch wünscht, gut durchgekaut und wieder ausgespuckt zu werden, bekommt ihr von Lords of the Fallen nicht die Behandlung, die ihr euch erhofft. Das Spiel ist schwierig, aber nicht bockschwer. Es lässt sich zwar erschwert spielen, reicht aber nicht an die Qualitätsschwierigkeit (oder, wie es gerne heißt, absolute Fairness) eines Dark Souls heran. Auf der anderen Seite ist es deutlich zugänglicher als Dark Souls und wird Neulinge nicht sofort verschrecken. Gleichzeitig ist Lords of the Fallen ein kurzweiliges Spiel, das mit seichter Story und toller Atmosphäre zu unterhalten weiß. Vielleicht wird es nicht alle Souls-Anhänger überzeugen, dafür viele neue Spieler. Ben

Lords of the Fallen wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von Koch Media zur Verfügung gestellt.

Lords of the Fallen

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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RELEASE
31. Oktober 2014
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Playstation 4
Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.
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