Bayonetta 2 im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 02. November 2014

Bayonetta 2 im Test

Eine Hexe bleibt sich treu

Es ist schon eine Weile her, dass die Hexe zum Tanz gebeten hat. Bayonetta hat seit 2009 die Krone auf, wenn es um Hack 'n' Slay geht. Keiner konnte sie vom Thron stürzen. Nur sie selbst wäre dazu in der Lage. Es ist wie Chuck Norris, der sich selbst ins Gesicht roundhousekicken muss, um sich zu rasieren. Jedenfalls kam dann die gute Nachricht: Bayonetta 2! ...exklusiv für Wii U. Okay? Egal! Pistolen an die Heels geschnallt, wir gehen auf Engeljagd!

Bayonetta - oder Cereza, wie sie mit bürgelichem Namen heißt - hat seit ihrem Kampf mit dem Obergott Jubileus nichts an Kessheit verloren. Ob Engel, Dämonen oder Männervolk: Die Dame mit den langen Beinen und kurzen Haaren dominiert Schlachtfelder und Konversationen gleichermaßen. Aber auch eine Hexe muss mal Alltag haben. Während sie mit ihrer Freundin und Hexenkollegin Jeanne Klamotten shoppen geht, werden die beiden von einer Horde Engel angegriffen. Das ist jetzt nichts abnormales, schließlich haben Umbrahexen einen Pakt mit der Unterwelt. Engel zur Hölle zu schicken gehört da zum Tagewerk.

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In diesen ersten paar Minuten explodiert der Bildschirm förmlich: Von choreographierten Kampfmanövern in schwindelerregender Höhe auf den Tragflächen eines Jets, einem schwarzen, durchtrainierten Weihnachtsmann mit Sonnenbrille und der Girlpop-Version des Countrysongs Moon River ist alles dabei, was man sich nur wünschen kann. Als Jeanne und Bayonetta Rücken an Rücken über Kopf auf separaten Flugzeugen in Positur aneinander vorbei düsten, wollte ich den Controller hinlegen und schon mal mein Game of the Year anmelden. Jedenfalls: Bayonetta lässt die gesamte Himmelsschar nach ihrer Flöte tanzen und beschwört als i-Tüpfelchen ihren getreuen Riesendrachen, der das übergroße Federvieh zerfleischt. Dann geht aber einiges schief: Nach getaner Arbeit lehnt sich der Drache gegen seine Herrin auf. Was ist da los? Jeanne gerät ins Kreuzfeuer, ein heftiger Schlag trennt ihren Körper von ihrer Seele, die dann auch prompt in die Unterwelt hinabgezogen wird. Nachdem Bayonetta dem Drachen einschläfern musste, macht sie sich auf, ihre Freundin aus der Hölle zu befreien.

So viel zum interessanten Teil der Story. Das neue Ziel ist der Berg Fimbulventr - eine Art mythologischer Hauptbahnhof für die Reise zwischen Erde, Paradiso und Inferno. Leider verkommt Jeannes Rettung sehr schnell zum Beiwerk eines relativ langweiligen Plots, der viel vom Vorgänger klaut. Es geht dann mal wieder um ein Kind, die beiden Eyes of the Overseer, die die Geschicke der Menschheit steuern können, und um so einen Typen, der Gott spielen will. Insgesamt nicht ganz so verwirrend wie beim ersten Teil, aber immer noch fernab von mitreißend.

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Es gibt übrigens einen Twist! Ein Lumen Sage, also das Gegenstück einer Umbrahexe, hat überlebt! Wer das wohl sein mag? Lange bleibt das Geheimnis aber nicht erhalten. Genau genommen verrät es das Spiel bereits im Prolog vor dem Prolog. Trotzdem lässt es sich Bayonetta 2 nicht nehmen, bis kurz vor Schluss um die Enthüllung der ach so geheimnisvollen Identität herumzutanzen. Es ist wirklich schade, dass die Entwickler es einfach nicht packen, die Story mit Leben zu füllen, da die Spielwelt mit vielen Tagebucheinträgen und Hintergrundinfos zu Engeln, Dämonen und Orten eigentlich reich bestückt ist.

In den ersten Stunden ist das aber total egal, denn da tobt die Action. Das Gefolge von Paradiso ist zahlenreich, Gegner werden so schnell eingeführt, dass man einen Typen gerade erst einmal bekämpft hat, bevor gleich der nächste Monstereintrag im Journal landet. Das Kampfsystem hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht geändert. Neue Moves, neue Waffen. Man kann weiterhin seine Autschmacher an Hände und Füße pappen, was in einem modularen Kampfsystem aufgeht - tu ich mir die Kettensägen an die Beine und halte Schwerter in der Hand? Benutze ich die Flammenwerfer mit den Fingern oder kommen sie für schwere Attacken an die Waden? Hinzu kommt die bekannte Slowmotion, wenn man einem Angriff knapp ausweicht, die freakigen Folter-Finisher sowie ein Powermodus mit verstärkten Attacken. Auch die wundervollen (und sich endlich nicht mehr wiederholenden) Bossfinisher mit Quicktime Events sind wieder mit dabei.
Letztendlich ist es nicht weiter wild, dass hier nicht viel geändert wurde: Bayonettas Kampfsystem ist seit fünf Jahren das Beste, was das Genre zu bieten hat, gibt Anfängern sowie kombosüchtigen Profis die Gelegenheit, sich richtig zu verausgaben und sich wie eine Kaiserin des Krieges zu fühlen. Neulinge können nun sogar per Touchscreen auf Monster eindreschen.

Man kann Bayonetta natürlich auch wieder Kostüme kaufen, die diesmal sogar Auswirkungen aufs Gameplay haben können. Im Link-Outfit häckselt Bayonetta ihre Feinde mit Schwert-Schild-Kombo klein, als Fox McCloud kann sie ihren Blaster aufladen.

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Hätte ich eine Tochter und würde sie mir sagen, dass sie wie Bayonetta sein will, wenn sie mal groß ist, dann würde ich das richtig toll finden. Bayonetta hat Selbstvertrauen, lässt sich von niemandem beeinflussen, ist die Beste in dem, was sie tut (und was sie tut, ist nicht nett) und hat ein weiches Herz für die, die sie liebt. Also, vielleicht wäre es mir etwas lieber, wenn meine Tochter nicht ständig in hautengen Sachen herumlaufen würde, aber das wäre ein geringer Preis.
Bayonetta 2 zieht das Tempo dermaßen an, dass im vierten Kapitel - und Kapitel gehen höchstens eine halbe Stunde - ein Bosskampf maximaler Epicness auf den Spieler wartet, komplett mit mehreren Phasen und himmlischen sowie infernalischen Kreaturen im Hintergrund, die auch mal in den Arenakampf eingreifen. Kurz hatte ich Angst, dass nach dem Kampf schon die Credits abrollen würden, denn wie sollte das Spiel das noch toppen wollen? Glücklicherweise ging es dann doch weiter.
Toppen konnte sich das Spiel dann aber tatsächlich nicht. Nach dem vierten Kapitel merkt man schnell, dass Platinum Games ihr Pulver verschossen haben und die Kreativität auf der Strecke blieb. Die Bosskämpfe sind zwar gut, erfordern allerdings kaum Hirn. Wer einigermaßen gut gucken kann und einen schnellen Ausweichfinger hat, kann hier locker Höchstwertungen abgreifen. Kämpfe wie im Vorgänger, wo man auch mal von Plattform zu Plattform hüpfen oder im Eiltempo in Panthergestalt eine tödliche Ranke entlanglaufen musste, fehlen komplett. Einzige Ausnahme ist der besagte Superkampf in Kapitel Vier, wo man für ein paar Sekunden als Riesendämon in einen Boxkampf verwickelt wird. Selbst der letzte Bosskampf ist nur ein Abklatsch vom Fight in Kapitel Vier. Ein grafisch opulenter Kampf-nach-dem-letzten-Kampf ist nicht drin. Selbst mit den echten Zwischensequenzen haushaltet der Entwickler sparsam und bringt stattdessen vermehrt die langweiligen Standbild-Videos zurück.

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Auch die normalen Feinde sind etwas auf der Meh-Seite der hohen Erwartungen. Die meisten von ihnen erfordern keine spezielle Taktik und sind nur Nahkämpfer - draufhalten und ab und an ausweichen ist die Devise. Wer den ersten Teil gespielt hat, sollte sofort auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad beginnen, sonst fehlt die Herausforderung. Selbst die abtrünnigen Dämonen bringen da kaum Farbe ins Spiel, könnten sie doch genauso gut in Weiß und Gold bestrichen auf der Seite der Engel kämpfen - spielerisch sowie inhaltlich macht das keinen Unterschied. Insgesamt war die Auswahl der Feinde im ersten Teil besser.

Kleine Auflockerungen gibt es mit Minigame-Kapiteln. Da darf Bayonetta dann mal in einer Flutwelle Gebäudetrümmern ausweichen oder nach Panzer-Dragoon-Art heranfliegende Engel und Dämonen abschießen. Die kleinen Abwechslungen sind willkommen, unterscheiden sich jedoch erneut nicht viel vom Vorgänger.

Platinum verfolgt mit Bayonetta 2 eine "Playing it safe"-Strategie. Neben dem ganzen anderen Kram, der kaum Änderungen erfahren hat, ist dafür das Setting ein guter Beweis: Nach Vigrid, der Stadt der Geheimnisse, verschlägt es uns in Bayonetta 2 die meiste Zeit nach Naotun, der Stadt der Geheimnisse. Das bedeutet: Ruinen, verlorene Pfade, Ruinen, Ruinen und dann noch mal Ruinen. Ein bisschen Abwechslung hätte dem Ganzen wirklich gut getan. Wir machen zwar kurze Abstecher nach Paradiso, Inferno und sogar nach Vigrid, wo man im Sekundentakt mit Hexenclanunterstützung so ziemlich alle Bosse des ersten Teils noch mal nach Strich und Faden verhaut - aber das reicht einfach nicht. Es sind zu viele alte Gemäuer und das Auge langweilt sich. Und was ist überhaupt mit dem Gegnerremixen auf den höheren Schwierigkeitsgraden geschehen? Wo einen in Bayonetta noch bei angezogenem Härtefaktor früh im Spiel die anspruchsvollen Gegner überrumpelten, bleibt bei Bayonetta 2 das Programm immer das gleiche.

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Eine coole Neuerung ist der Online-Ko-op-Modus. Zwar lässt sich nicht das gesamte Spiel zu zweit durchzocken, aber nach jedem Storykapitel wird man mit Missionen beschenkt, die man dann im Multiplayer ausprobieren kann - da sind dann auch die Bossfights dabei. Der Modus dient allerdings nicht nur dem gemeinsamen Spaß beim Verkloppen von Monstern, sondern auch zum Geldsammeln. Wer in einer Mission am besten prügelt, bekommt die meisten Heiligenscheine und kann auf das 9.999.999 Halos teure Platinumticket sparen. Was das macht? Keine Ahnung! Aber es ist teuer und man will es haben! Außerdem sind Bayonettas Kostüme auch nicht ganz billig.

Bayonetta 2 transportiert viele gute Sachen auf die Wii U: Eine starke Heldin, ein glorreich flüssiges Kampfsystem und auch der Ko-op-Modus ist nicht verkehrt. Allerdings tritt die Serie auf der Stelle. Bayonetta 2 bringt kaum Neues in den Ring und hat große Mühe, die absurden und epischen Momente zu toppen, die den ersten Teil so einmalig gemacht haben. Es ist schwierig zu sagen, ob der erste Teil wegen seiner besseren Gegnerauswahl und dem furiosen Ende nicht sogar das bessere Spiel war. Paul

Bayonetta 2 wurde auf der Wii U getestet. Ein Testmuster wurde uns von Nintendo zur Verfügung gestellt.

Bayonetta 2

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A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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RELEASE
24. Oktober 2014
PLATTFORM
Wii U
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