Der folgende Text enthält große Spoiler zu sowohl Danganronpa als auch Danganronpa 2. Es wird empfohlen, beide Teile durchgespielt zu haben.

Danganronpa 2 ist eines meiner Lieblingsspiele, die in diesem Jahr erschienen sind, doch, neben der starken Story und den spannenden Fällen, gibt es vor allem ein Element, welches mich besonders fasziniert hat: der Umgang mit seinem direkten Vorgänger. Denn der typische Nachfolger in der Spieleindustrie hat eine bestimmte Charakteristik: er greift den Vorgänger auf, bleibt aber thematisch unabhängig. Manchmal referenziert so ein Sequel die Figuren aus dem ersten Teil, palavert über gewisse Geschehnisse des Vorgängers in einem Nebensatz - doch das ist eher Fanservice. Ein kleines Zuzwinkern an die treuen Fans, um ihnen zu sagen, dass man sie nicht vergessen hat, ohne aber eine wirkliche Mauer für Neueinsteiger zu errichten.

Danganronpa 2 hingegen baut fest darauf, dass man den ersten Teil gespielt hat. Gewisse Aspekte, wie die Mordfälle, lassen sich zwar auch ohne Vorkenntnisse genießen, aber je weiter man voranschreitet, desto verwirrender wird die Geschichte. Da hilft nur Vorwissen. Aber Danganronpa 2 wagt sich auch daran, in seinen Referenzen auf der Meta-Ebene zu spielen und die Erwartungshaltung des Spielers auszunutzen und dann zu unterwandern.



Wer Danganronpa durchspielt hat, weiß, dass einige Charaktere das tödliche Spiel überleben. Deswegen klingt es plausibel, dass eben einige dieser Figuren auch im Nachfolger eine Rolle spielen würden. Byakuya ist einer dieser Überlebenden und sein Auftritt in Danganronpa 2 hat es in sich: der arrogante Schnösel hat sich ordentlich Gewicht angefressen, ist nun richtig fettleibig. Sind ihm sein privilegierter Status und sein Talent zu Kopf gestiegen? Da passt es dann natürlich auch super, dass er, der als einziger Charakter über alle Abläufe Bescheid weiß, als erster stirbt. Es ist ein klassischer Kunstgriff, der in Nachfolgern angewendet wird, und trägt den Namen "Sudden Sequel Death Syndrome".
Nun hat das Ganze ein Problem: Byakuya ist gar nicht Byakuya. In Wirklichkeit ist es nur ein Trickbetrüger, der "Ultimate Imposter", der in Byakuyas Rolle geschlüpft ist. Und er macht seine Arbeit so gut, dass man als Spieler gar nicht anders kann als darauf reinzufallen. Trotz der Gewichtszunahme.



Jeder Mordfall in Danganronpa 2 ähnelt einem Mordfall im direkten Vorgänger: im ersten Kapitel geht es in beiden Fällen um einen fehlgeschlagenen Mordversuch, im zweiten Kapitel um einen Serienmörder, der sich unter den Charakteren versteckt, während in den dritten Kapiteln jeweils ein Doppelmord stattfindet. In beiden Spielen gibt es auch jeweils einen Selbstmord, einen Mord an einer KI sowie eine Situation, in der ein Charakter zweimal "stirbt". Damit ist jeder Mordfall auf die ein oder andere Weise eine Referenz auf einen Mord im anderen Spiel. Selbst die Sequenz der Morde ähnelt sich erschreckend. In Danganronpa sterben zuerst zwei weibliche Charaktere, dann fünf Männer in Folge und dann wieder drei Frauen. In Danganronpa 2 müssen zuerst zwei Herren dran glauben, ehe es fünf Damen hintereinander und dann wieder drei Jungs trifft.



Das hier ist vielleicht das Glanzstück in Danganronpa 2, ein Schwindel der über gut und gerne 20 Spielstunden aufgezogen wird. Denn schon früh im Spiel wird die Frage aufgeworfen, ob Nagito Komaeda in Wirklichkeit Makoto Naegi ist, der Protagonist aus dem ersten Teil. Es würde immerhin in die Geschichte passen, da Makoto, ähnlich wie Byakuya, den ersten Teil überlebte. Das Spiel streut dabei viele Hinweise auf diese mögliche Verbindung, manche offensichtlich, andere weniger offensichtlich:

- Beide Charaktere teilen sich einen Sprecher, sowohl in der englischen als auch der japanischen Version.
- Beide Charaktere haben das gleiche Talent: "Ultimate Lucky Student". Das ist insofern signifikant, weil sonst kein anderes Talent doppelt existiert.
- Der Name an sich ist ein Anagramm: Aus Nagito Komaeda lässt sich nämlich Makoto Naegi-da machen, eine japanische Phrase, die sich übersetzen lassen würde mit "Ich bin Makoto Naegi".

Am Ende ist es das komplette Gegenteil vom fetten Byakuya. Hier tut das Spiel nämlich alles, um euch davon zu überzeugen, dass Nagito in Wirklichkeit Makoto ist - ohne es explizit zu sagen. Und jeder, der etwas tiefer gräbt, wird auf diesen Trick reinfallen. Nur um dann am Ende vom Spiel noch mal ausgetrickst zu werden, wenn Makoto (und auch Byakuya) ihren großen Auftritt im letzten, genialen Fall des Spiels haben. Am Ende ist Nagito nur eine Art "böses Gegenstück" zu Makoto, doch die zwanzig Stunden zuvor, in der Danganronpa 2 den Spieler auf die falsche Fährte geführt hat, verdienen ihren Applaus.

Ich habe nur die offensichtlichsten Verbindungsstücke aufgezählt, denn Danganronpa 2 ist voll mit vielen weiteren kleinen Referenzen auf seinen direkten Vorgänger. Am Ende ist diese Beziehung zwischen zwei Teilen aber etwas, was ich so noch nicht in Videospielen gesehen habe und gerade die Umsetzung ist genial. Der Wunsch bei einem Nachfolger ist immer groß, keine Grenze für neue Spieler aufzubauen und gleichzeitig alte Fans zu befriedigen. Danganronpa 2 zeigt, was man für erzählerische Möglichkeiten in einem Spiel hat, wenn man auf diese Offenheit zugunsten einer stärker querverbundenen Geschichte verzichtet. Haris