Alien: Isolation im Test

(Artikel)
Benjamin Strobel, 26. Oktober 2014

Alien: Isolation im Test

Alien, ick hör dir trapsen

Das letzte Spiel mit der Marke Alien im Namen war nicht besonders glorreich. Aliens: Colonial Marines hatte mit Ridley Scotts Sci-Fi-Horror wenig gemeinsam und konnte auch spielerisch nicht überzeugen. Alien: Isolation geht andere Wege. Hier kämpft ihr nicht gegen lästige Bugs, sondern ums pure Überleben: Begleitet eine starke Protagonistin durch ihren Horrortrip im All.

Es ist die perfekte Simulation von Ridley Scotts 70er-Science-Fiction. Alte Computer mit Eingabefenstern, große blinkende Knöpfe und braune Lederverkleidung bringen die virtuelle Replik der Filmsets zur Vollendung. Die Atmosphäre des Kinoklassikers wird in der ersten Sekunde eingefangen, wenn das alte FOX-Logo mit Störeffekten über den Bildschirm flimmert. Die beklemmende Enge der Raumschiffgänge und die Stille des Alls geben auch im Spiel ein hervorragendes Horror-Setting ab.

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Große Frau statt nur große Brüste: Amanda Ripley macht die Arbeit, während die Männer sich im Hintergrund verkriechen.

Der Spieler schlüpft in den Raumanzug von Amanda Ripley, Tochter von Kinoheldin Ellen Ripley. 15 Jahre nach den Geschehnissen des Films nutzt Tochter Ripley ihre Chance, dem Verschwinden ihrer Mutter auf den Grund zu gehen (Spoiler: das Alien könnte etwas damit zu tun haben). Auf der Raumstation Sevastopol soll es neue Informationen über deren Verbleib geben - mit einer kleinen Crew macht sie sich auf den Weg dorthin. Kurz nach Ankunft gibt es den ersten Zwischenfall: Ripley wird von ihrer Crew getrennt und wandelt nun allein durch die Gänge der Raumstation. Nicht ganz allein, wie sich bald herausstellt.

Die beste Beschreibung für Alien: Isolation ist wohl die Genre-Kombination Stealth-Survival. Das pinselt zwar niemand auf die Verpackung, fasst aber zusammen, was ihr in diesem Spiel hauptsächlich tut: schleichen und überleben. Ihr werdet euch nicht durch das Spiel ballern, auch wenn es ein paar Waffen gibt. Ihr werdet nicht rennen und springen. Warum, fragt ihr? Einfach. Erste Regel des Alien-Clubs: Wer nicht schleicht, wird gefressen. Zweite Regel des Alien-Clubs: Wer schleicht, wird trotzdem manchmal gefressen. Während der ungebildete Spieler sich womöglich fragt, warum die Raumstation so verlassen und leer gefegt aussieht, weiß der Profi: Klar, der Xenomorph (lies: das Alien) hat sich durch die Station gefressen. Und jetzt hat der extraterrestrische Nimmersatt auch Appetit auf Ripley, deren Schicksal in eurer Hand liegt, während ihr euch von Areal zu Areal manövriert. Ihr wollt eigentlich ja nur Kontakt zu eurer Crew aufnehmen und die bekackte Station verlassen, aber wie sich herausstellt, müsst ihr immer wieder Umwege in Kauf nehmen, weil der Strom ausfällt, Türen blockieren, Fahrstühle abstürzen oder weil euch das Alien sonst im Stück verschlingt. Harte Zeiten für die junge Ingenieurin.

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Das Letzte, was ihr seht, bevor ihr euren Spielstand laden müsst.

Auf den Wegen durch die Raumstation werden neue Areale etappenweise zugänglich. Die Mechanik ist dabei sehr Metroid-esque, so müsst ihr immer wieder neues Equipment finden oder den Strom an einem Ort wiederherstellen, um bislang unzugängliche Areale zu öffnen. Ein Richtungsanzeiger auf der Karte weist den Weg durch die Raumstation und legt wichtige Orte offen. Im Nacken sitzt euch allerdings ständig der Xenomorph. Zu Beginn des Spiels ging ich noch aufrechten Schrittes durch die Gänge, jetzt lache ich darüber. Ich lernte die erste Regel des Alien-Clubs auf die harte Weise kennen. Der Xenomorph hört jeden Schritt, den ihr macht, und bemerkt, wenn ihr mit euren Füßen Objekte umstoßt (aber keine Sorge, man kann auf den Boden schauen, um seine Füße gut zu beobachten und an lärmenden Objekten vorbei zu lenken). Das Alien schießt dann aus den Schächten hervor und springt euch tropfenden Maules ins Gesicht. Diese Momente sind kurze Schocker, aber insgesamt kurz und schmerzlos.

Beinahe schlimmer ist es, wenn das Alien sich dazu entschließt, seine Schächte aus reiner Neugier zu verlassen und durch die Gänge zu schnüffeln. Dann muss man unter Vermeidung von Sichtkontakt Deckung suchen, davonschleichen oder sich in Schränken verstecken, die auf der Raumstation verstreut sind. Man hat der Kreatur nichts entgegenzusetzen. Zwar kann man Baupläne finden und sich aus Schrott Waffen und andere nützliche Gegenstände basteln, doch nichts davon wird euch retten, wenn sich der echsenartige Schwanz des Aliens einmal um euch geschlossen hat. Mit Feuer und Rohrbomben kann man dem Vieh einen Schrecken einjagen und es kurzzeitig verscheuchen. Darauf sollte man sich aber nicht zu lange ausruhen - Kollege Xeno bleibt in der Nachbarschaft.

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Die 70er haben angerufen, sie wollen ihr Filmset zurück.

Das Alien ist zwar der große Gegenspieler, aber nicht der einzige Feind im Spiel. Die Raumstation wird auch noch von fragwürdigen Androiden und einigen Überlebenden bewohnt. Der Ladebildschirm des Spiel behauptet zwar, nicht alle Menschen seien feindlich, aber das halte ich für eine Lüge. Bisher hat jeder einzelne auf mich geschossen, auch wenn ich nur mit Medipacks in der Hand an ihnen vorbei wollte. Diese Gauner! Dritte Regel des Alien-Clubs: Wenn du schon nicht gefressen wirst, wird zumindest auf dich geschossen. Wenn man andere Menschen hört oder sieht, ist man besser beraten, durch Lüftungsschächte an ihnen vorbei zu schleichen. Die Hunde zielen wie Profis aus dem Schützenverein, mit denen ist nicht zu Spaßen. Also Kopf runter und verstecken. Wie immer. Schleichen nicht vergessen, denn leise ist immer besser. In Notfällen besonderer Bedrängnis kann Ripley auch den kleinen Batman machen. So kann man Rauchbomben werfen, um sicher zu entkommen, oder Noisemaker platzieren, um Leute von ihren Posten wegzulocken. Mit präzisen Kopfschützen oder einer gefährlichen Rohrbombe kann man andere Menschen auch umlegen, aber das ist meistens eine Verschwendung der kostbaren Ressourcen. Außerdem wird man mit einem Erfolg belohnt, wenn man niemanden umbringt. Wie in jedem guten Schleichspiel!

Alien ist ein Spiel, in dem ihr viel sterben werdet. Meistens, weil ihr unvorsichtig seid, oder ungeduldig oder weil ihr euch dumm anstellt. Es gibt beispielsweise einen Bewegungsmelder, der nach wenigen Spielstunden euer bester Freund werden wird. Ihr werdet ihn eng bei euch tragen, mit ihm reden und ihn Wilson nennen. Er hat ein paar tolle Eigenschaften, beispielsweise zeigt er euch an, wenn Feinde in der Nähe sind. Er kann aber noch mehr: Piepen, wenn Feinde in der Nähe sind! Beides ist großartig und hilft euch sehr. Eure Liebe zu dem Gerät sollte allerdings Grenzen haben, was mich zur vierten Regel des Alien-Clubs bringt: Halt die Luft an, Kopf nach hinten und steck Wilson in die Tasche. Wann immer ihr euch unter Tischen oder in Schränken versteckt, weil das Alien direkt vor eure Nase seinen glitschigen Kadaver spazieren trägt, solltet ihr den Bewegungsmelder nicht auspacken. Das Vieh wird sein Piepen hören, die Schranktüren aufreißen und euch genüsslich verschlingen. Es kann aber auch einfach so auf die Idee kommen mal am Schrank zu schnüffeln, dann muss man schnell per Tastendruck die Luft anhalten und den Stick nach hinten ziehen, um den Kopf gegen die Hinterkante des Schranks zu pressen. Dann hilft nur noch Augen zu und hoffen, dass der Xenomorph weiter zieht. Haltet ihr euch an meine Regeln, kann da allerdings nichts schief gehen. Vermutlich.

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Selbstgebaut brennen sie einfach am besten.

Das Spiel dauert je nach Schleichgeschwindigkeit und Erkundungslust so um die 20 Stunden. Wer viel stirbt, wird länger brauchen, denn speichern geht nicht ständig. Nur an Notfalltelefonen, die als Speicherort fungieren, kann man seinen Fortschritt festhalten. Auch diese kleinen Freunde sollten von euch volle Aufmerksamkeit bekommen, denn sie sind nicht gerade an jeder Ecke. Aber ihr könnt sie bereits aus der Ferne piepen hören. Fünfte Regel des Alien-Clubs: Folge dem Piepen des Telefons. Schon nach kurzer Zeit werdet ihr das Geräusch lieben, denn es sagt euch: Gott sei Dank, ich muss die letzte halbe Spielstunde nicht wiederholen. Ich speichere und dann kann ich mich beruhigt fressen lassen.

Hauptfigur Ripley macht sich so manches Mal völlig authentisch ins Hemd, zieht ihre Missionen aber durch und verliert dabei ihr eigentliches Ziel nie aus den Augen. Die männlichen Figuren kommen dagegen weniger gut weg: Sie halten sich im Hintergrund, sind heimtückisch oder ängstlich. In jeder Spielminute ist es allein an Ripley, die Aufgaben zu wuppen und voranzukommen. Auf der Suche nach Informationen über Mutter Ripley kann der Spieler allerhand Terminals hacken oder in PCs den Mailverkehr nachlesen, um Hintergrundgeschichte in sich aufzusaugen. An manchen Stellen gibt es explizite Erzählungen über die Geschehnisse, beispielsweise in Videologs, die man in der Raumstation findet. Neben den Brotkrumen, die man nicht verpassen kann, gibt es aber jede Menge optionale Geschichte. Die findet man mit etwas Erkundungsfreude - und oft unter Lebensgefahr. Da gerät man auch als Spieler so manches Mal unter Spannung: opfere ich meine sichere Position für einen Blick aufs Terminal? Solche Ausflüge können tödlich enden.

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Augen immer auf den Bewegungssensor. Schauen Sie nicht auf den zerstörten Roboter. Gehen Sie einfach weiter, es gibt nichts zu sehen.

Vor dem Review stellte ich eine zentrale Frage an das Spiel: Bleibt das Alien bis zum Ende gruselig? Darauf gibt es zwei Antworten: 1) Ja, aber 2) das Alien ist auch nicht zu jeder Zeit präsent. Es gibt Phasen, in denen ihr euch durch die Raumstation bewegt ohne dass das Alien euch direkt bedroht. Das Spiel benutzt diese Phasen geschickt, um etwas Abwechslung ins Spiel zu bringen und eure Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt zu senken. Alle Spielszenen mit dem Alien sind schweißtreibend, schwierig und manchmal zäh. Aber sie sind bedrohlich, weil das Alien keinen vorgefertigten Pfaden folgt, sondern eine eigene KI besitzt, die dem virtuellen Monster vorgibt, wie es sich verhält. Manchmal sucht das verrückte Biest zweimal in Folge denselben Raum ab, manchmal springt es hinter einem aus dem Schacht. Manchmal sieht man es minutenlang gar nicht. Die Bedrohung ist unberechenbar und deshalb wirklich gruselig. Bevor es jedoch zu anstrengend wird, wirft das Spiel Passagen ein, in denen man es mit anderen Gefahren, wie Menschen, zu tun bekommt, die auch eine andere Spielweise nötig machen.

Alien: Isolation schafft etwas, das nicht viele Spiele schaffen: Es ist ein großartiges Filmspiel, in dem Sinne, dass es dem Quellmaterial gerecht wird und die Atmosphäre des Originals hervorragend einfängt. Und es ist gleichzeitig ein großartiges Genre-Spiel, das sich die Labels Horror und Survival verdient hat. Alien: Isolation ist spannend und abwechslungsreich, es hat eine starke Protagonistin mit einer glaubhaften Motivation im Hintergrund und flechtet ihre Geschichte subtil ins Spiel ein. Es ist aber auch nichts für schwache Nerven oder schreckhafte Spieler und daher sicher nicht jedem zu empfehlen. Wer aber nach einer guter Horrorkost im Stile der Alien-Filme sucht, bekommt sie hier zum ersten Mal auch in Spielform. Ben

Alien: Isolation wurde auf der Xbox One getestet. Ein Testmuster wurde uns von Sega zur Verfügung gestellt.

Alien: Isolation

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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28. März 2024 um 11:48 Uhr
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RELEASE
07. Oktober 2014
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.
Playstation 3
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Playstation 4
Plattform - Die Playstation 4 (PS4) von Sony ist eine Spielkonsole der 8. Generation. Sie erschien am 29. November 2013 europaweit als Nachfolger der Playstation 3.
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