Danganronpa im Test

(Artikel)
Paul Rubah, 08. September 2014

Danganronpa im Test

Wer solche Freunde hat...

Und dann wurden alle von einem Teddybären entführt. Nicht weniger ungewöhnlich beginnt die Visual Novel Danganronpa: Trigger Happy Havoc, denn die exklusive Privatschule, die fünfzehn herausragende Highschooler eingeladen hat, entpuppt sich als Falle des bizarren Bärchens Monokuma. Alle Türen und Fenster sind versiegelt, es gibt kein Entrinnen! Aber so schlimm ist das auch nicht, denn für das leibliche Wohl aller ist gesorgt. Solange sich die Schüler an die wenigen Regeln halten, passiert ihnen rein gar nichts, und sie können den Rest ihres Lebens gemütlich und sorgenfrei auf dem Gelände von Hope's Peak verbringen. Wer damit nicht zufrieden ist und dem Schulleben den Rücken kehren will, muss nur einen seiner Mitschüler umbringen.

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In Danganronpa übernimmt man die Rolle von Makoto Naegi - einem ziemlichen Normalo unter seinen Mitschülern, die allesamt in irgendetwas die ultimativen sind. Der ultimative Baseballspieler, die ultimative Moralapostel, die ultimative Programmiererin, das ultimative Popidol. Nur Makoto hat per Los gewonnen und ist nun offiziell der ultimative Glückspilz. So schnell, wie sich die Geschichte dann aber zum Schlechten entwickelt, ist er wohl eher der ultimative Pechvogel. Denn, wie es bei Chunsoft so üblich ist: Wenn mehr als drei Teenager in einem Käfig stecken, dann dauert es nicht lang, bis das Blut in Strömen fließt.

Jeder Mord in Danganronpa beginnt seine eigene Detektivgeschichte. Denn jemand anderen zu ermorden ist zwar schön und gut, das ist ja jetzt keine Leistung, aber um tatsächlich der Schule zu entkommen, darf man auch nicht überführt werden. Die Aufklärung eines Mordfalls hat immer zwei Phasen, nicht unähnlich der Phoenix-Wright-Serie: Zuerst durchstreift man in der Egoperspektive das zugängliche Schulgelände auf der Suche nach Hinweisen, verhört seine Mitschüler und lässt sich von Monokuma ärgern. Monokuma, der mysteriöse Schuldirektor von Hope's Peak, tut sein Übriges, um der Ermittlung im Weg zu stehen und schreckt auch nicht davor zurück, den Teilnehmern des tödlichen Spiels immer mal wieder Motive für das nächste Attentat zu geben, falls ihm nicht genug Action passiert.

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Ist der Tatort ausreichend erkundet, geht das Spiel ins Gerichtsverfahren über, an dessen Ende der Killer per absoluter Mehrheit bestimmt werden soll. Fällt das Votum tatsächlich auf den Mörder, wird dieser von Monokuma auf bizarre und menschenverachtende Weise in einer mehrminütigen Filmsequenz umgebracht. Liegen die Kinder dagegen falsch, kommt der Killer frei - und der Rest wird für sein Versagen mit dem Tod bestraft. Ganz schön happig.
Während man vor dem Prozess die Grundbausteine für die logischen Schlüsse sammelt, die zur Überführung des Täters münzen - und ihn mit ein wenig Hirnschmalz beim Durchgehen der Beweise oft zu einem guten Teil im Vorfeld lösen kann -, ergeben sich die letzten zwanzig Prozent über mehrere Minispiele. Das häufigste Element ist die Nonstop-Debatte: Alle Teilnehmer reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und beschuldigen sich gegenseitig. Allerdings kann Makoto einige Schwachstellen in den Argumenten identifizieren - diese Textfetzen sind dann orange eingefärbt. Beschießt man nun mit dem richtigen Beweisstück (und ich meine wirklich beschießt, mit Fadenkreuz und allem), hat man einen Widerspruch entdeckt und das Spiel geht weiter. Falsche Beschuldigungen verursachen stattdessen Schaden an der eigenen Glaubwürdigkeit.

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Es gibt noch weitere Minigames, die für Abwechslung sorgen und das Prozessverfahren schön vor sich hinfließen lassen: Manchmal muss man in lückenbesetzten Hinweiswörtern die passenden Buchstaben einsetzen, andernmal in einer Art Guitar Hero einen panisch brabbelnden Schüler mit rhythmisch platzierten Argumenten zur Vernunft bringen, oder in einem Comic die Bildchen zum Mordvorgang zusammenfügen - alles immerzu begleitet von adrenalintreibenden Soundtracks, die den Spannungsgehalt der Szene perfekt untermalen. Insgesamt ist das wohl die dynamischste und mechanisch beste Variante des Phoenix-Wright-Gerichtverfahrens, die mir bislang untergekommen ist. Dazu kommt, dass jeder Fall einen gut nachvollziehbaren (manchmal vielleicht zu nachvollziehbaren) Tathergang aufweist und es richtig Spaß macht, die Schritte des Killers zurück zu verfolgen.

Anders als bei Phoenix Wright gibt es hier aber nicht das glorreiche Gefühl des Sieges. Jeder Killer hat von Monokuma gute, manchmal sogar sehr gute Gründe geliefert bekommen, das Schulgelände verlassen zu wollen. Hier nagelt man niemanden fest, der es verdient hat, sondern jemanden, der vielleicht nur ein oder zwei Schritte vom eigenen Nachgeben der Verführung von Freiheit, Geld oder dem bloßen Verlangen, die eigene Familie wiederzusehen, entfernt war. Oder dem man vertraut hat. Das wird nur dadurch schlimmer gemacht, dass man jede Figur auf die ein oder andere Weise verstehen kann - selbst den arschigen Lackaffen Byakuya.
Ganz klischeefrei sind Charaktere wie der Rowdy-Biker Mondo oder der perverse Fanfic-Mangazeichner Hifumi zwar nicht, aber bei einem Cast von etwa anderthalb Dutzend Figuren ist es auch nicht so leicht, jedem Charakter auch eine tiefgehende Persönlichkeit zu geben. Noch schlimmer wird das emotionale Band zu den vielleicht bald Ermordeten, vielleicht bald Mordenden, durch die Free Time. Zwischen den Anschlägen darf man sich ein wenig die Beine vertreten und Zeit mit denen verbringen, denen man die Zeit schenken will, um sie besser kennenzulernen und nützliche Zusatzfähigkeiten für den nächsten Gerichtsprozess zu erlangen. Und wenn sich gerade der beste Freund mit der traurigsten Geschichte als kalkulierender Killer herausstellt? Das tut weh. Was auch etwas weh tut, sind die langen Laufwege während der Freizeit, denn wenn man einen bestimmten Charakter sucht, muss man schon mal ein paar Stockwerke nach ihm oder ihr durchsuchen.

danganronpa-fahrstuhl

Wer die Story durchspielt, darf übrigens ein "Was wäre wenn"-Szenario mit allen Figuren durchspielen - hier sollen alle in fünfzig Tagen für Monokuma Ressourcen sammeln und ihm hübsche Doppelgänger bauen. Wat?
Bei all dem sehr durchstrukturieren, linearen Spielablauf mit den durchdachten Wechseln zwischen Freizeit, Untersuchung und Prozess, gilt es natürlich das bogenspannende Mysterium zu ergründen: Warum zur Hölle sind überhaupt alle in dieser Schule? Und: Wer steuert Monokuma? Und natürlich: Warum tut er ihnen das alles an? Wer mit den bisherigen Werken von Chunsoft vertraut es - also insbesondere 999 oder Zero Escape -, der wird bald Parallelen und Zeichen erkennen. Wer die Titel bereits verschlungen hat, hängt sowieso jedem Charakter an den Lippen, glaubt niemandem ein Wort und liest gar nicht mehr die Zeilen, sondern nur noch das, was dazwischen lauert.

Und das ist wohl auch mein größtes Problem mit Danganronpa: Die Geschichte ist in zu vielen Teilen nichts Neues. Das heißt nicht, dass es nicht gut es. Es ist sogar sehr gut und hielt mich gut zwanzig Stunden bei der Stange. Das aber eher durch die netten Charaktere, die hervorragend inszenierten Morde, die spielerisch einwandfreien Prozesse und nicht zuletzt durch Monokumas bizarres Wesen. Für einen Fan von Chunsoft (oder jetzt: Spike Chunsoft) hält sich nur leider der Spannungsgehalt in Grenzen.

Danganronpa: Trigger Happy Havoc

(Ranking)
A
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Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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