Bound by Flame

(Artikel)
Paul Rubah, 03. Juni 2014

Bound by Flame

Dämonen und Gentleman-Zombies

Die Gruppe erfolgreicher, hochqualitativer Action-Rollenspiele hat ein wenig den Status von Elite-Universitäten: Jeder will rein, aber nicht viele haben das Zeug dazu. Bound by Flame vom Entwickler Spiders klopft an das gusseiserne Tor. Kommt es hinein?

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Ein übermächtiger Feind bedroht die Welt. Die Menschheit steht vor dem Aussterben. Nur ein einziger Held mit außergewöhnlichen Kräften kann den dunklen Mächten die Stirn bieten und in einem finalen Kampf die Schergen der Finsternis bezwingen.
Abgesehen davon, dass sich seit der Geburt des ersten sprachfähigen Dinosauriers jede zweite Geschichte an diesem Plot bedient, kennt man diese Handlung vor allem aus Bioware-Spielen. Man könnte fast sagen: Es ist der Bioware-Standard-Plot. Bound by Flame hat sich mit seiner Story stark von Dragon Age inspirieren lassen. Statt Darkspawn aus dem Untergrund kommen die untoten Deadwalker aus dem Norden, getrieben von sieben Nekromanten, die Icelords genannt werden. Der Krieg läuft schon eine ganze Weile und zu Beginn des Spiels schalten wir live zu unserem Protagonisten Vulcan, seines Zeichens Pulvermeister in der Söldnertruppe Freeborn Blades. Diese wurden als Leibwächter für eine Gruppe Möchtegern-Magier engagiert, die mit einem Ritual... etwas erreichen wollen. Was das ist, erfährt man erst später. Jedenfalls geht natürlich alles schief, ein Dämon fährt in Vulcan ein und fortan hat man einen kleinen Mann im Ohr, der einen so niedliche Sachen schimpft wie "Sterblicher" oder "Narr".

Trotz der ein bisschen etwas kleinwenig läppischen Ausgangsposition ist das Lore und die Interaktion mit den NPCs einer der stärkeren Teile von Bound by Flame. So ist sich im ignoranten Königreich Vertiel etwa jeder sicher, dass der Krieg erst vor zehn Jahren begonnen hat, Zwerge und Drachen nur Fabelwesen seien und man noch eine Chance gegen die untoten Armeen hätte, wenn man nur jede Armee zusammenzieht und alles auf einer Karte setzt. Tatsächlich haben sich nördlichere Königreiche schon verwüsten lassen, bevor es cool war, Zwerge und Drachen wurden in den Grenzgebieten restlos ausgerottet und das Bündnis aus Menschen und Elfen weiß noch gar nicht, wie gefickt es ist.
Vor allem die Präsentation der Icelords ist interessant und zeigt, wie intelligente Schreiber die generelle Autorenrichtlinie "Show, don't tell" aushebeln können: Für eine lange Zeit bekommt man keinen einzigen der sieben Nekromanten zu Gesicht. Man hört nur von ihren übermenschlichen Gräueltaten und sieht die Zerstörung, der sie fähig sind. Das baut Spannung auf. Zusätzlich ist da noch dieser Dämon, von dem man wirklich nicht weiß, was er eigentlich im Schilde führt. Oder ob er überhaupt ein Dämon ist. Jedenfalls klingt er oft gar nicht so böse, denn er hat das gleiche Ziel wie unsere kleine Heldenhanse, und dieses Mysterium zu lüften ist ein Hauptgrund, warum einen die Handlung nicht ganz loslassen will. Im Übrigen hat man an entscheidenden Stellen die Option dem Dämonen mehr Kraft zu geben, was auch Vulcans Äußerem etwas Zunder gibt.

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Eine weitere Stärke ist der bunte Charakterkader, der sich abermals viel von Dragon Age 2 abguckt. Ob Mathras, der 6000 Jahre alte Gentleman-Zombie, oder Randval, der verwitwete Ritter, der immer in der dritten Person spricht, nun besser sind als ihre Bioware-Kollegen, liegt in jedermanns Geschmack, jedoch gibt es einige schöne Charakter-Interaktionen und definitiv mehr als einen Lacher. Und Quasi-Hugo-Weaving, der seine Rolle als vollbärtiger Elrond in der Verkleidung eines Elfenprinzen wieder aufnimmt, sollte natürlich auch nicht verpasst werden.
Da ist es schon schade, dass Vulcan sehr stark in das Klischee des modernen, männlichen, weißen Actionhelden verfällt - zumindest in seiner männlichen Variante, denn das Geschlecht lässt sich frei bestimmen. Jedenfalls könnte man meinen, er heiße Raphael, because he has the most attitude of the team, ist ständig am Rumfrotzeln und hat nicht mal so einen sympathischen Dialekt, wie jeder andere Charakter. Abgesehen von Ultima 9 gibt es wohl kein anderes Spiel, in dem keine zwei Figuren aus derselben Region des Landes zu kommen scheinen.

Das war jetzt schon der dritte Absatz über Story und Charaktere. Bin ich fertig? Nein, bin ich nicht. Auch wenn die Story zwar sehr gut, sagen wir, zu konsumieren ist, ist sie doch erschreckend überraschungsarm. Abgesehen vom Mysterium des Dämons, die Spannung auf den Reveal der Icelords und den ulkigen Interaktionen zwischen Vulcan und seinen Partymitgliedern läuft der Plan der Gruppe komplett ohne Probleme. Und selbst in diesem geradlinigen 20-Stunden-Marathon schaffen es die Writer-Azubis bei den Entwicklern, ein paar riesige Lücken in den Plot zu reißen, die einfach nicht Not getan hätten. Drei oder vier Stunden lang läuft alles gut, dann passieren Dinge.
Etwa verrät einen ein Partymitglied und eine andere Figur hat es verschwiegen, denn "Wo wäre da der Spaß?" An anderer Stelle bekommt man von einem Boss mal richtig auf die Fresse und anstatt die Gruppe zu töten, sagt er "Hah, kommt zu mir, wenn ihr stärker seid! Muahahaha!" und verschwindet. Etwas später soll man nach einem weiteren Verräter suchen. Der Verdacht fällt auf einen alten Kumpel. Der sagt: "Ich habe die Torwache verfolgt!" Dann geht man zur Torwache. Die sagt: "Nein, das war ganz anders. Ich habe deinen Kumpel verfolgt!" Dann geht man zurück zum Kumpel und während man noch den Bildschirm anschreit, dass man diese Kanaille nicht einfach da zurücklassen, sondern bitte mitnehmen soll, schnauzt einen der Kumpel an, man geht zurück und der Verräter ist entkommen. Was war die Option, die die Nebenmission mit Erfolg belohnt hätte? Die Wache auf Verdacht zu töten, natürlich! Das sind glücklicherweise nur dumme Einzelfälle, aber sie sind deswegen nicht weniger dumm.

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Warum rede ich überhaupt so viel über Story und Charaktere und so einen Kram? Hauptsächlich weil das Gameplay nichts Besonderes ist. Im Grunde haben die Entwickler Butterbrotpapier über Dragon Age 2 gelegt, durchgepaust und ein bisschen verziert. So bewegt man sich in den Kapiteln durch vier oder fünf halboffene Karten, die mehrere lineare Wege erlauben und häufig im Kreis führen, mit einer Basis oder Stadt als Zentrum. Backtracking steht für die vielen Nebenaufträge an der Tagesordnung, wovon die allermeisten aus "Bringe mir zehn dies" oder "Töte zehn das" bestehen. Interessanterweise ist die Umsetzung hier bei weitem nicht so nervig wie bei Vaterfigur Dragon Age 2: Ladezeiten sind kurz, Kämpfe unterhaltsam, wenn auch nicht ganz glatt. So ist die Kamerakontrolle im Gefecht kaum weniger als die reinste Hölle und Ausweichspringer katapultieren unseren Protagonisten gerne mal rittlings in die Gegnerhorde vor ihm. Das macht aber nichts, da man während des Rückwärtssprungs so lange unverwundbar ist, dass man die Bewegung prima spammen kann, um sich aus jeder Situation heraus zu lavieren. Trotzdem gibt es einige fordernde Kämpfe und es wird irgendwie nie langweilig, das Popcorn auf dem Weg dorthin zu metzeln.

Vulcan kann zwischen zwei Kampfstilen wählen: Zweihänder und Messer. Messer sind dabei so lachhaft overpowered, dass man nach den schnellen 15 Leveln, die man in den ersten Spielstunden erhält, kaum noch Punkte in andere Zweige investieren braucht. Das Gleiche gilt für passive Boni, bei denen sich Müll und Gottgegebenes wie Tag und Nacht unterscheiden. Lieber 20% mehr XP und 40% mehr Loot oder 2% mehr Critical Hits?
Ebenfalls interessant: Bound by Flame verbaut eine Schleich- und Meuchelmechanik, die tatsächlich ziemlich gut funktioniert und überaus hilfreich ist, um feindliche Reihen vor dem Großangriff auszudünnen. Und man kann Fallen stellen. Letzteres ist relativ langweilig und nicht mehr als ein aktiver Skill, der nicht viel bringt, weil der dumme CPU-Begleiter ohnehin schnurstracks auf die Feinde losläuft, so dass sie nicht mehr in unseren Hinterhalt plumpsen. Wahrscheinlich hatte der Entwickler mehr mit dem Konzept vorgehabt.

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Auf der technischen Seite wird schnell klar, dass Spiders nicht das Budget größerer Studios hatten: Gegner werden häufig recycelt (sogar Bosse werden irgendwann zu normalen Gegnern), Farben wirken ausgewaschen. Ich weiß nicht, wie das Spiel auf der aktuellen Konsolengeneration aussieht, aber auf der PS3 gab es auch das Problem, dass im Wald die Schattentexturen der Baumkronen nach Belieben aufploppten und verschwanden. Immerhin: Jedes Ausrüstungsteil samt Upgrades baumelt sichtbar am Hauptcharakter. Löblich!
Auch der Sound hat seine Macken. Die Musik ist nicht per se schlecht, allerdings werden manchmal Lieder gewählt, die nicht ideal zur augenblicklichen Stimmung passen, es gibt unerwartete Sprechpausen in Zwischensequenzen oder Stimmen und Sounds sind zu laut oder zu leise abgemischt.

Bound by Flame ist kein schlechtes Spiel, nur auch nichts schrecklich Originelles: es sieht okay aus, die Kämpfe sind okay und die Story wäre nett, wenn sie nicht ein paar haarsträubende Schnitzer hätte, was sie okay macht. Gerade bei Charakteren und Hintergrundgeschichte traut sich das Entwicklerstudio etwas, aber bei weitem nicht genug, um mit modernen Rollenspielgrößen vom Schlag eines Bioware, Bethesda oder CD Projekt mitzuhalten. Zu einem okayen Preis kann man sich dieses okaye Spiel aber durchaus geben.

Bound By Flame

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RANK
Anständig. Stärken und Schwächen halten sich die Waage. Positive Überraschungen sind genauso selten wie negative. Unterm Strich muss man seine Spielzeit keinesfalls bereuen.

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