Might & Magic X Legacy

(Artikel)
Benjamin Strobel, 30. Januar 2014

Might & Magic X Legacy

Das Oldschool-RPG im Test

Von der hübschen 3D-Welt darf man sich nicht täuschen lassen. Might & Magic X Legacy ist ein Rollenspiel der alten Schule: Vier verschrobene Helden bilden eine Party, die der Spieler aus der Ego-Perspektive über eine schachbrettartige Umgebung navigiert. Der Kampf ist rundenbasiert, taktisch und genau so klassisch wie der Rest. Das deutsche Entwicklerstudio Limbic Entertainment bringt die Essenz einer ganzen Rollenspielgeneration zurück auf den PC.

Früher waren es 2D-Hintergründe, und mit den Pfeiltasten wechselte man von Raum zu Raum. Manchmal stand dort eine Truhe oder ein Gegner und dann kümmerte man sich darum. Am unteren Bildschirmrand grinsten den Spieler die vier Gesichter seiner Party an. Im Kampf leuchteten sie nacheinander auf, dann wählte man einen Angriff oder Skill aus und eine kurze Animation deutete an, dass tatsächlich etwas geschah. Jetzt ist das alles in 3D, aber das macht nichts. Might & Magic X Legacy funktioniert im Wesentlichen so, als hätte sich seit 25 Jahren nichts geändert. Es bietet alten Hasen eine nostalgische Reise in die 80er Jahre und jungen Spielern eine ungeahnte Alternative zur heutigen Definition des Rollenspiels. Das gab es schon bei Legend of Grimrock? Nicht ganz. Grimrock bietet das gleiche Spielsystem, ist aber ein reiner Dungeon-Crawler. Might & Magic X besticht dagegen mit großen Städten und einer bunten Overworld.

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Kein Dungeon!

Klassische Elemente neu aufzulegen ist aber kein Selbstgänger. So spreizt M&MX die Beine zum Spagat zwischen alt und neu, zwischen hardcore und casual. Schon mit Spielstart steht der Spieler vor zwei wichtige Entscheidungen. Will er ein Abenteuer erleben oder seine strategischen Fertigkeiten in schwierigen Kämpfen erproben? Das stellt dem Schwierigkeitsgrad die Weichen für Neulinge oder Veteranen. Als nächstes hat man die Wahl, das Spiel mit einer ausbalancierten Standard-Party zu starten oder alle vier Recken selbst zu erstellen. Vier verschiedene Rassen mit je drei einzigartigen Klassen (= 12 verschiedene Klassen insgesamt) und zahlreichen Fertigkeiten machen den Party-Editor zu einem spannenden Werkzeug, das die ersten Spielstunden durchaus füllen kann - wenn man will.

Die offene Spielwelt von Might & Magic X bietet vier Städte und 20 Dungeons mit bis zu fünf Unterleveln. Und einen Sack voll kleinerer Höhlen und Kathedralen, die manchmal nur einen Raum haben, diesen aber mit fetten Feinden oder einem knackigen Rätsel füllen. Obwohl man sich auf den festen Feldern eines Schachbretts bewegt, ist die Welt lebendig und lädt durch ihre Offenheit zur Erkundung ein. Der dynamische Tag-Nacht-Wechsel bringt nicht nur optische Abwechslung, sondern variiert auch die Charaktere und Feinde, denen man begegnen kann. In den Gassen der Städte gibt es verborgene Truhen, manchmal auch versteckte Feinde. Infos über die Welt und neue Quests entlockt man zahlreichen herumstreunenden Personen. Manche der NPCs schließen sich zeitweise der Gruppe an und verschaffen ihr verschiedene Boni. Andere Figuren sind einfach relevant für die Story und machen sich bemerkbar, wenn man an die richtigen Orte kommt. Bis zu zwei Kompagnons kann man seiner Party als spielerische und atmosphärische Ergänzung hinzufügen. Einen Kompass oder blinkende Wegpunke gibt es nicht. Das ist kein Fehler, sondern öffnet den Blick für gutes Leveldesign: Auf Orte von Interesse stößt man von ganz allein, sie sind entweder gut positioniert oder früh erkennbar. Ein gutes Beispiel aus dem ersten Akt ist ein Leuchtturm, der am Horizont hoch empor ragt und bereits von den Stadttoren in der Ferne sichtbar ist.

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Die Geschichte von Might & Magic X schließt sich zeitlich den Ereignissen von Heroes 6 an und wird in vier Akten erzählt. Grenzen werden dem Spieler aber nicht nur durch natürliche Hindernisse gesetzt. Da die Feinde im Spiel nicht - ähnlich wie Skyrim - mitleveln, sind einige Pfade durch starke Monster anfangs unpassierbar oder lassen sich nur mit Glück bestreiten. So hat man nach ernüchternden Rückschlägen aber die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehren und an ehemals übermächtigen Feinden eine vernichtende und wohltuende Rache zu üben. Nimm dies, Riesenspinne, die mich vor zahlreichen Spielständen danieder streckte! Die Bewegung durch die Spielwelt und ihre Erkundung sind daher offen und natürlich, auch wenn es dazu kommt, dass man neu laden muss, weil man sich mit falschen Kreaturen angelegt hat.

Kämpfen ist ein wichtiger Teil bei Might & Magic. Ein Orb am oberen Bildschirmrand kündigt mit gelber Farbe nahende Feinde an. Zeigt er rotes Licht, beginnt ein Kampf. Fortan kann man sich nicht mehr frei über das Schachbrett bewegen, sondern darf Runde um Runde nur einen Schritt tun oder mit seiner Party Aktionen ausführen. Per Rechtsklick kann man sich aber jederzeit mit der Maus frei umsehen und erspähen, aus welchen Richtungen Feinde nachrücken. Fernkampfwaffen und einige Zauber können mehrere Felder überbrücken, einige machen sogar Flächenschaden und können einen ganzen Trupp treffen. Man kann aber auch einen Schluck vom Heiltrank nehmen oder seinen Mana-Pool auffüllen. Jede Figur hat nur eine Aktion, dann sind die Gegner dran. Jede Tat will also gut überlegt sein.

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Am Besten kämpft es sich, wenn man Helden unterschiedlicher Klassen hat und ihnen verschiedene Aufgaben zuteilt. Ein Klassiker wäre ein prügelnder Zwerg mit Fernkampfergänzung, ein Ork mit roher Nahkampfgewalt, eine menschliche Magierin und eine Elfe für den Fernkampf. Da man die Reihenfolge seiner Angreifer selbst bestimmen kann, kann ein Magier Feinde vor den Angriffen der Partymitglieder schwächen oder am Ende einer Runde heilen, wenn sie sich über eine Runde schlechte Statuseffekte wie Vergiftung und dergleichen einfangen. Und mit jeder Runde muss man neu überlegen und sich auf die Aktionen der Feinde einstellen. Man kann aber auch ein Team aus vier Bogenschützen anführen und das Beste hoffen.
Prinzipiell sind ausbalancierte Teams anpassungsfähiger und machen das Spiel etwas leichter, aber Beschränkungen gibt es keine. Wer gerade den Hobbit gesehen hat und mit vier Zwergen losziehen möchte, kann das problemlos machen. Sollte man gewisse Schwächen im Team feststellen, kann man durch richtige Vergabe der Skillpunkte mit neuen Fähigkeiten auch neue Taktiken erspielen. Welche Skills ein Held lernen und wie gut er maximal darin werden kann, hängt aber von seiner Klasse ab. Für den Taktiker ist es daher umso interessanter im Party-Editor alle Fähigkeiten der Klassen zu studieren und früh darauf hinzuarbeiten, welche Fähigkeiten er ausbauen möchte. Der angenehme Schwierigkeitsgrad macht das Spiel aber auch für Einsteiger interessant, die sich mehr für die Geschichte, Figuren und Rätsel interessieren, aber weniger Zeit in Kämpfe und Fertigkeiten investieren wollen.

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Probleme zeigt Might & Magic X Legacy überwiegend in Form von Bugs, die das Spiel wiederholt daran hindern, wie gedacht zu funktionieren. Regelmäßiges Speichern empfiehlt sich daher nicht nur in Dungeons, sondern eigentlich immer. Zu den mannigfachen Schwierigkeiten zählen Grafikbugs, verschwindende Items und unzugängliche Quests. M&MX wird dadurch nicht unspielbar, doch Fehler sind schlichtweg zu häufig für ein fertiges Produkt. Abhilfe und Patches sehe ich aber schon kommen, da Interplay schon während der Entwicklung sehr bemüht war. Das kleine Studio hat eng mit der Community zusammengearbeitet und sich Kritik im Entwicklungsprozess zu Herzen genommen. Zukünftige Updates und neue Inhalte sollen völlig kostenlos sein und über die nächsten Monate erscheinen. So wird auch ein Dungeon kommen, der von der Community entworfen wurde.

Might & Magic X Legacy gefällt mir herausragend gut. Es haucht alten Spielelementen neues Leben ein und lässt sie nicht antiquiert da stehen. Obwohl sich M&MX klar an Fans der Reihe richtet, bietet der Titel allerhand Mechanismen, um Neulingen den Einstieg zu erleichtern. Die gute Balance aus Erkundung, kleinen Rätseln und taktischen Kämpfen macht Might & Magic X Legacy zu einem erstklassigen Oldschool-Rollenspiel. Einziger Wermutstropfen sind nervige Bugs, an deren Behebung ich allerdings fest glaube. Klare Empfehlung! Ben

Might & Magic X Legacy

(Ranking)
A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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RELEASE
23. Januar 2014
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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