Sprachlos.

(Artikel)
Kristin Riedelsberger, 06. Mai 2017

Sprachlos.

Abenteuer ohne Worte

In letzter Zeit schießen sie vermehrt aus dem Boden, diese Adventures, in denen kein einziges Wort gesprochen wird. Nach dem Knet-Adventure The Neverhood waren es wohl vor allem Amanita Designs Spielehits Samorost, Machinarium und Botanicula, die immer mehr Entwickler dazu inspiriert haben, das Konzept der Sprachlosigkeit für ihre eigenen Projekte zu übernehmen. Und während sich die einen noch die Mühe machen, dem Spieler wenigstens mit in Sprechblasen gepressten Zeichentrick-Tipps auf die Sprünge zu helfen, beschränken sich die anderen einzig und allein auf Kopfschüttler, Nicker und "M-mhm"'s.

Dieser Beitrag wurde erstmals am 22.11.2013 veröffentlicht.

In meinem Artikel zum russischen Full Pipe schrieb ich noch voller Begeisterung, das Spiel käme "ganz ohne Worte aus". Rian freute sich bei Machinarium diebisch, sich endlich einmal nicht durch hunderte von Dialogen quasseln zu müssen und feierte Botanicula als "Fest für die Seele", das seine Magie ganz aus der ihm eigenen Atmosphäre schöpfe, nicht aus irgendwelchen "cleveren Dialogen". Und dann war da noch sein Review über das zutiefst düstere Plattformer Limbo, in welchem ebenfalls kein Wort gesprochen, dafür aber kontinuierlich gehetzt geatmet wird, sodass einem am Ende selbst die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Purer Psychoterror!


Es gibt also durchaus Adventures, die keiner Worte bedürfen, um fantastisch zu sein, bei denen langwierige Dialoge dem Spielerlebnis sogar schaden könnten. Adventures nämlich, bei denen es hauptsächlich ums Fühlen geht, um Farben, Licht und um Musik. Botanicula und Limbo gehören auf jeden Fall zu dieser Kategorie, genauso wie der formvollendete Adventure-Jump&Run-Symbiont Journey.


Andere Spiele hingegen verschenken durch ihre Sprachlosigkeit einen ganz gehörigen Haufen Potential. Journey of a Roach zum Beispiel. Es hat einfach viel zu viel Ähnlichkeit zu den klassischen Point&Click-Adventures: Die Grafik ist im beliebten Comic-Stil gehalten ohne dabei besonders stimmungsvoll oder überhaupt besonders zu sein, die Autoren setzen auf abgedrehte Charaktere und, von einigen seltenen, innovativen Ausnahmen einmal abgesehen, auf die gängigen Kombinations- und Schalterrätsel. Durch die fehlenden Dialoge wirkt die ganze Geschichte um die Kakerlaken Jim und Bud irgendwie platt, es fehlt an großen Lachern (die ja zu einem klassischen Comic-Adventure auf jeden Fall dazu gehören!) und an Bindung zu den Charakteren.


Natürlich ist es eine Herausforderung, ein Adventure zu schaffen, das sprachlos und trotzdem für uns lösbar bleibt. Aber die weit größere Herausforderung liegt darin, es dann auch trotzdem so interessant zu gestalten, dass man sich während des Zockens nicht nach wenigstens einer Handvoll geistreicher Worte verzehrt. Ansonsten wirkt der Verzicht auf Dialoge einfach nur wie eine Zeit- und Geldsparmaßnahme, und nicht wie ein totaaal innovativer Geniestreich.

Ich jedenfalls hoffe, dass sich der Trend zur Gesprächsarmut nicht zum Non-Plus-Ultra mausern wird. Für mich gehört eine schier unendliche, unterhaltende Dialogflut einfach zum Spielerlebnis dazu, egal, ob sie nun so lustig oder so unheimlich beklemmend ist, dass sie mir Tränen in die Augen treibt - und deswegen werden alle anderen so genannten "Adventures", ganz gleich wie wunderschön und besonders sie auch trotz ihres Sprachlosigkeit sein mögen - für mich immer Puzzler, Riddler oder Platformer bleiben. Kristin

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