Goodbye Deponia

(Artikel)
Kristin Riedelsberger, 25. Oktober 2013

Goodbye Deponia

Goodbye Rufus

Poki hat es in zahlreichen Interviews wieder und immer wieder bekräftigt: Mit Goodbye Deponia endet die Trilogie um den wohl meistgehassliebten Helden einer Adventuregeschichte, vielleicht sogar guter Geschichten überhaupt. Das Kapitel Rufus ist abgeschlossen. Definitiv. Und es ist verdammt schwierig, mit dieser Gewissheit noch einen Artikel zu schreiben, der dem Witz und der Genialität von Goodbye Deponia gerecht wird, denn der Abschiedsschmerz sitzt ganz schön tief. Ein Jahr lang hat mich die Vorfreude auf das große Finale über jede noch so furchtbare Spiele-Erfahrung hinweg getröstet: Ich zockte mich durch den Landwirtschaftssimulator, halbgare Wimmelbildspiele und selbst durch das nur unter Schmerzen spielbare Louisiana - alles in der sicheren Gewissheit, im Oktober dieses Jahres für meine Mühen entschädigt zu werden. Und jetzt? Gähnende Leere.

Dabei überfüttert einen Goodbye Deponia so fürsorglich mit fiesem Humor und Einfallsreichtum, dass ich eigentlich locker ein Jahr davon hätte zehren können. Nicht nur, dass Rufus mal wieder zur absoluter Höchstform aufläuft, es gibt ihn auch gleich mal drei! Und ich rede jetzt nicht von Cletus und Konsorten, wobei das Geheimnis um verblüffende Ähnlichkeiten und identische Stimmen natürlich auch endlich Auflösung erfährt. Nein, ich rede von drei waschechten Rufussen!

bettchen"Wir werden nur schlafen!" "Das hast du schon mal gesagt."

Für uns kann das nur gut sein, schließlich bedeutet Rufus x3 vor allem eins: mehr Chaos! Denn obwohl sich Deponias Einwohnerschaft mittlerweile größtenteils mit der Sprengung des Heimatplaneten abgefunden hat und eigentlich nur nach ein bisschen Ruhe lechzt, terrorisiert sie Rufus auch noch in den letzten Stunden mit wirren Plänen, fiesen Manövern und schlechten Witzen. Schließlich ist er seinen drei großen Zielen bislang noch kein Stück näher gekommen: Er will immer noch nach Elysium abhauen, Goal abschleppen und – falls dafür noch ein Minütchen übrig sein sollte - den drohenden Weltuntergang vereiteln. Und so bekommen der mittlerweile psychotische Bozo, Goal, Doc, Lotti und auch die gute Toni es noch einmal mit einer fetten Überdosis Rufus zu tun, während ihr euch an knackigen Rätseln, großen Verwirrspielen und neuen Spiele-Elementen erfreuen dürft. Tja, des einen Freud, des anderen Leid.

Wobei. Wenn wir einmal ganz ehrlich sind: Wir haben uns doch schon bei vielen von Rufus ignoranten, egoistischen, unüberlegten, verletzenden, hinterfotzigen Aktionen gefragt, ob wir jetzt wirklich lachen oder doch lieber weinen sollen, oder? Die ersten Minuten des zweiten Teils waren schon ein echtes Paradebeispiel für eine solche Situation, und ich kann euch versprechen, dass sie euch bei Goodbye Deponia noch viel öfter begegnen werden. Da werden kleine Kinder dazu ermutigt, zu zwielichtigen Gestalten in den Wohnwagen zu klettern, frisch verliebte Pärchen brutal auseinandergerissen, Menschen an frischgebackene Zuhälter verkauft und viele, viele andere Dinge, bei denen ihr nur verzweifelt den Kopf in den Nacken legen und lauthals "NICHT OKAY!" gen Himmel brüllen könnt, während euer Grinsen bis zu den Ohrläppchen reicht und eure Augen immer feuchter werden.

deponia3 2013-10-15 18-04-25-76Nicht okay.

Rufus war ein echter Geniestreich von Poki. Er ist ein Arsch. Aber wir lieben ihn. Wir lieben ihn – klar - weil er einen ausgezeichneten Sinn für schwarzen Humor hat, auch wenn wir nicht selbst dessen Ziel werden wollen; weil er Ideale und Träume hat, für die er einfach alles zu geben bereit ist; weil er nicht aufgibt und weil er auch in der verkorkstesten Situation noch einen Einfall hat. Und dass er ein Arsch ist, verzeihen wir ihm bereitwillig, vor allem, da doch immer wieder deutlich wird, dass er es eigentlich (meistens?) gar nicht böse meint! Er ist halt... ein bisschen blöd, was manche Dinge angeht. Und eines ist doch wohl ganz klar: Wäre Rufus nicht mit dieser kolossalen Einfältigkeit gesegnet, läge er schon lange unter den Schrottbergen Deponias begraben, denn das, was ihn heil durch seine Reise bringt, sind zweierlei: Mordsviel Glück und kurze Überraschungsmomente, die schlicht und einfach daraus resultieren, dass Rufus nicht so reagiert, wie seine Widersacher gedacht hätten. Eben nicht normal. Und so durchs Leben zu kommen, ist, um es in einem Wort zusammen zu fassen, schlichtweg bewundernswert...

deponia3 2013-10-15 17-07-00-82Unser Rufus bei der Therapie. Wer hätte das gedacht?

Hach ja. Schnüff. Aber ich komme ins Philosophieren, dabei soll ich euch doch noch etwas mehr über das Spiel an sich erzählen. Mal sehen, wie bekomme ich die brutalste Kurve zu Gameplay-Elementen und Rätsel-Design? Ich weiß! Mini-Spiele! Nichts ist weniger spielrelevant als Mini-Spiele!

Neben den altbewährten knackig-schweren und gut designten Logik-Rätseln beglückt einen Daedalic im letzten Teil nun auch mit mehr oder minder witzlosen Mausbewegungs- und Puzzle-Spielchen, die bei mir ein faltenreiches Stirnrunzeln zur Folge hatten. Bestes Beispiel: ein Mini-Spiel übers Zähneputzen! Hier muss Rufus seine Zahnputz-Bewegungen durch Auf-, Ab- oder Kreisbewegungen mit der Maus mit denen von Cletus synchronisieren. Ja, sind wir denn hier bei Heavy Rain? Aber gut, ich will nicht schimpfen, schließlich gibt es ja das hübsche X in der rechten oberen Bildschirmecke, falls der persönliche Gusto sich nicht mit dem servierten Zwischengang anfreunden kann. Und es gibt Spieletipps mit ganz spoilerfreien Ultra-Hinweisen, die man sich zu Gemüte führen kann, wenn man gerne möchte, aber nicht weiß wie. Generell lässt sich sagen, dass die Mini-Spiele von sehr unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und von sehr unterschiedlicher Art sind, sodass sicher für jeden etwas dabei sein wird.

deponia3 2013-10-25 19-59-49-26WTF?

Die klassischen Adventure-Rätsel hingegen sind durchweg logisch - es sei denn, das Spiel führt einen ungewollt auf die falsche Fährte. Das ist bei mir allerdings nur zwei Mal vorgekommen. Schwierig wird Deponia vor allem durch seinen Wust an unterschiedlichen Aufgaben. Manchmal hatte ich einfach keine Ahnung, was ich nun zuerst machen sollte. Das kannte ich zwar schon aus Teil eins und zwei, aber dass es jetzt plötzlich drei Rufi gibt, von denen einer in der Kanalisation, einer an der Oberfläche und der letzte wieder ganz woanders herumkrebst, erschwerte die Sache doch um einiges. Selbst, wenn klar ist, welcher Rufus welchen Gegenstand unbedingt braucht, so weiß man mitunter noch lange nicht, mit welchem Rufus man nun welches Rätsel wo lösen muss, um ihn zu bekommen und mit den anderen tauschen zu können - und wenn er einem dann plötzlich in die Hände fällt, kann einem das schon mal sehr random vorkommen. Trotzdem macht es unheimlich viel Spaß, sich durch drei chaotische Schichten wonniger Absurditäten zu buddeln.

Und was die Absurditäten angeht, so übertrifft das Finale seine Vorgänger noch um einiges. Ich meine: Hallo? Drei Rufusse?!? Das alleine ist ja schon Indiz genug! Aber Deponia bietet noch weitaus mehr! Zum Beispiel von Schimmel ergrünte Absteigen, eine grandiose Verwechslungskomödie, XXL-Teigtaschen als Schlafsäcke, Putzibots, einen Blick in Rufus' persönliche Hölle, einen Dodo und Bozos Mama! Dazu gesellen sich die typischen großen, dramatischen Spannungsmomente, die noch größer, dramatischer und spannender sind als bisher. Warum also bin ich trotzdem nicht zufrieden?

deponia3 2013-10-17 15-22-57-69Hmmmm.

Zum ersten gibt es nur ein Ende. Was soll das? Selbst Edna und Lily hatten jeweils mehrere Enden, warum also nicht die großartige Deponia-Trilogie?

Zum zweiten ist dieses eine Ende – zumindest aus meiner Sicht – ganz, ganz großer Müll. Es kommt viel zu plötzlich, wird den Charakteren überhaupt nicht gerecht und macht noch dazu rein situativ und logisch betrachtet überhaupt keinen Sinn. Innerhalb von zwei Minuten hat es Goodbye Deponia geschafft, meinen doppelt am Boden festgenagelten, hinter Panzerglas gesicherten und in schützender Knickerfolie eingewickelten Glücks-Speicher aus dem Boden zu reißen, zu zerbersten und meine so mühselig angesammelte Spieleflaute-Überbrückungs-Euphorie in alle Richtungen zu verteilen.

Ein echter Rufus, dieses Ende. Kristin

Goodbye Deponia

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A
RANK
Reife Leistung. A-Spiele machen alles richtig oder sind nah dran. Kleine Schwächen werden durch Stärken mehr als wett gemacht. Das ist Spieldesign auf hohem Niveau.

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