Rise of Venice

(Artikel)
Rian Voß, 31. August 2013

Rise of Venice

Vom Marktschreier zum Dogen

Simulationen sind für mich wie in der Schule der Mathe-Unterricht: Ich verstehe sie nicht, aber finde sie wahnsinnig interessant! Kaufen, verkaufen, Intrigen schmieden, Konkurrenten ausbooten und generell der cleverste Bastard an den Schalthebeln der Wirtschaft sein, um das Spielziel zu erreichen. Und ein cleverer Bastard muss man sein, wenn man im Handelskrieg gegen Genua der größte venezianische Kontor aller Zeiten werden möchte. Aber mit Rise of Venice sind Patrizier- und Port-Royale-Entwickler Gaming Minds ja auch voll in ihrem Element.

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Der erste Schritt im Spielkonzept ist bereits der interessanteste und wichtigste: Rise of Venice ist ein Sandbox-Spiel. Die Kampagne ist zwar schön und gut und vor allem auch historisch interessant, aber hauptsächlich dazu da, um das Spiel und alle seine Feinheiten zu lernen. "Keiner liest mehr Handbücher", hieß es da. "Deswegen haben wir überall kleine Fragezeichen-Schaltflächen eingebaut, für Leute, die Tipps brauchen oder mehr über die Renaissance in Italien erfahren wollen."
Das wahre Ziel ist das freie Spiel: Man beginnt als Mini-Händler in Venedig. Bevor man überhaupt erst mal eine Flotte aufbauen und Im-/Export betreiben kann, muss man erst mal im näheren Umfeld Kohle scheffeln - zuerst mit günstigen Produkten, wie Lebensmitteln, später dann auch mit extravaganten Luxusgütern, wie Seide und Gewürzen.

Hat man sich ein paar Moneten verdient, kann man sich endlich im Mittelmeerraum ausbreiten. Schärfster Konkurrent: Genua auf der anderen Seite des südländischen Stiefels. In die Richtung wird man erst einmal nicht weit kommen, da die Städte dort dem Handelsriesen ihre Loyalität geschworen haben und man gar nicht erst anlegen darf. Dafür kann man auf der frei zoombaren und echt hübschen Karte herumerkunden und auch in anderen Richtungen neue Handelsbeziehungen aufbauen. So findet man nicht nur neue Abnehmer, sondern tut eventuell sogar Ratsherren einen Gefallen.

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Das ist nämlich ziemlich wichtig. Ratsherren, sowie der Doge an der Spitze der Hierarchie, sind das Gesetz von Venedig. Sie bestimmen, mit was für Gütern man handeln darf, wie viele Schiffe man besitzen darf und gucken einem selbst beim Nasebohren gehörig auf die Finger. Will man größer werden, muss man im "Level aufsteigen". Dazu müssen einen die Ratsherren mögen. Das erreicht man oft am leichtesten, indem man ihnen Gefälligkeiten tut. Da einige Ratsherren aber unterschiedliche Vorlieben haben - manche sind weltoffen, andere hassen Ausländer -, kann man sie aber auch anders auf seine Seite ziehen; so kann man mit dem Bauen von Kirchen im erzkatholischen Italien immer Punkte machen, und da offensichtlich absolut jeder nördlich von Zentralafrika zu der Zeit bestechlich war, können besonders reiche Spieler auch regelmäßig oder einmal kräftig Geld rüberwachsen lassen. Ist man der unangefochtene Händlerkönig, kann man sogar zum Dogen anstelle des Dogen werden.

Um andere Spieler nun auszustechen, stehen einem verschiedenste Optionen zur Verfügung, die man auch in der Realität für sich beanspruchen würde: Man kann durch die Produktüberflutung eines Marktes für ein ordentliches Preisdumping sorgen, so dass Gegner dort nur noch einen Hungerlohn für ihre Topseller erhalten. Man kann ihre Waren zu teuren Preisen aufkaufen und so eine künstlich hohe Nachfrage erzeugen. Man kann Embargos verhängen und Städte bis zur Kooperation aushungern. Man kann Piraten schlachten gehen, um so besser dazustehen. Interessant ist, dass nicht nur Jahreszeiten und Naturkatastrophen die Bedürfnisse der Städte und die Weltgeschehnisse verändern oder die Kirche Städte wegen Gottlosigkeit exkommuniziert und so de facto unbrauchbar macht, sondern auch historische Ereignisse werden beachtet: So rücken das osmanische Imperium immer weiter an, die auch ihrerseits die Piraten buttern, damit diese ausschließlich Nordmittelmeer-Schiffe ausnehmen.

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Handelsroutenplanung ist natürlich auch eine essentielle Sache. Hier kann man sich als totaler Simulationsfreak total verlieren, denn Spielern, die es ganz genau wissen wollen, wird eine Mini-Programmiersprache zur Verfügung gestellt, mit denen sie das Verhalten ihrer Schiffskapitäne ganz genau feintunen können: Fahre hier hin, hole X von Ware Y, verkaufe in Stadt Sowieso 30 Y, falls der Preis über Z pro Einheit liegt, ansonsten steuere Hafen Irgendwo an und wiederhole den Vorgang, aber erhöhe den geforderten Preis um P, um den Verlust durch die Fahrtzeit wieder auszugleichen... Auch ohne Feineinstellungen wird der Transport von Waren von der Anfertigung bis zum Verkauf haarklein simuliert - auf der Karte tummeln sich irgendwann dutzende Schiffe gleichzeitig.

Rise of Venice ist so ein Spiel, das einen locker ein paar hundert undurchgeschlafene Nächte einbringt. "Was passiert, wenn ich an diesem Regler drehe? Oder mit dieser Stadt eine bessere Handelsbeziehung eingehe? Wie sehr muss ich mich momentan auf meine politische Karriere konzentrieren? Wie kriege ich die Genua-Städte dazu, mit mir zu arbeiten?" Neben dem freien Spiel, welches bis zu vier Spieler unterstützt und viele frei einstellbare Optionen bereitstellt, um das Spiel den eigenen Bedürfnissen anzupassen, wird es auch noch Ranglistenspiele geben, die Speedruns für bestimmte Herausforderungen darstellen. So wird es für Simulations-Fans und PC-Besitzer im Herbst wohl keinen Weg um Rise of Venice geben. Rian

Kommentare

Venezianer
Gast
15. Februar 2015 um 18:19 Uhr (#1)
Auch ich liebe dieses Spiel; gegenüber den quasi-Vorgängern Port Royale 3 und Patrizier 4 (ebenfalls Gaming Minds/Kalypso) gibt es zudem zahlreiche Verbesserungen: als Gold-Edition (deutlich größere Spielwelt durch Erweiterung "Beyond the Sea") sicher die beste Handelssimulation auf dem Markt.
Gast
18. April 2024 um 10:37 Uhr
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