Defiance

(Artikel)
Haris Odobašic, 21. April 2013

Defiance

Borderlands als MMO?

Defiance war ein Projekt, das mich schon seit seiner Ankündigung faszinierte, da ich einfach schon jahrelang darauf gewartet hatte, dass jemand sich so ambitioniert zeigt und versucht, die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Medien richtig verschwimmen zu lassen, statt nur schwache Begleitprojekte zu bieten. Diesen Monat ist es endlich soweit, ist doch Defiance als Spiel erschienen, während auch die gleichnamige Serie seit einer Woche über die Fernsehbildschirme flackert. Zeit, sich das Spiel intensiver anzuschauen.

Die Geschichte spielt auf der Erde, die sich nach einem versuchten Terraforming ziemlich verändert präsentiert: alte Pflanzen- und Tierspezies sind ausgestorben, während neue die Welt nun bevölkern und auch einige Alienrassen genauso wie Mutanten nun den blauen Planeten ihr Heim nennen. Ihr seid im Spiel einer von vielen Archenjägern, die von einem großen Industrie-Magnaten eingestellt werden, um die Welt nach Alientechnologien zu durchsuchen, die er gewinnbringend vermarkten kann. Das Setting ist gut, weil es ziemlich frisch wirkt, doch wird es spürbar besser gemacht durch die Integration mit der Serie. Schon in den ersten Minuten begegnet man dem Hauptcharakter aus der Serie und trifft ihn in Missionen wieder, während sich die Spielewelt auch quasi wöchentlich verändert, um mit neuen Aufträgen und ähnlichen Spielereien auf Geschehnisse in der Serie Bezug zu nehmen. Es ist noch immer ziemlich schwer abzusehen, wie genau das Wechselspiel zwischen Serie und Spiel funktionieren soll, aber die ersten Zeichen sind da vielversprechend und wenn man sowohl die Serie, als auch das Spiel mag, kriegt man auf jeden Fall noch ein gewisses Extra zu seiner Spielerfahrung hinzu.


Auf Konsolen ist Defiance ohne Frage ziemlich besonders, gerade auf der Xbox gibt es ja quasi kaum MMOs, und das Trion-Spiel nutzt sein Alleinstellungsmerkmal voll aus, indem es eine Erfahrung bietet, die in ihrer Umkompliziertheit den Standards entspricht, die man bei einer Konsole gewohnt ist. Kaum startet ihr das Spiel, seht ihr schon andere Spieler herumlaufen, die auch mit euch interagieren können, ihr könnt per Voice Chat mit Spielern in der Nähe kommunizieren, und man hat ständig das Gefühl, in einer lebendigen Welt unterwegs zu sein, ohne sich jemals Gedanken darum machen zu müssen, wie das realisiert ist oder ob man vielleicht auf dem falschen Server spielt und nicht mit seinen Freunden spielen kann. Es funktioniert einfach, und das ist gut.
Ein weiterer großer Bonus ist, dass Defiance als Vollpreisspiel auf monatliche Gebühren verzichtet. Es gibt zwar Micro-Transactions, die sich aber eher subtil im Hintergrund halten und dazu dienen, euren Spielfortschritt etwas schneller voranzutreiben oder euch kosmetische Effekte zu bieten, statt in die Richtung "Pay to win" zu gehen. Aber ansonsten - hat man das Spiel gekauft, kann man es auch spielen, ohne dass einem Steine in den Weg gelegt werden.

Das Spiel an sich ist ein Third-Person-Shooter, der, neben Ähnlichkeiten zu gängigen MMOs, vor allem einen starken Schlag Borderlands abgekriegt hat. Egal, ob man die Superfähigkeiten eurer Charaktere betrachtet, die Steuerung, ja das komplette Spielgefühl lässt euch hier und da an Gearbox' Multiplayergranate denken, was in diesem Fall überhaupt nichts Schlechtes ist. Denn was zu viert schon einen Mordsspaß macht, kann ja mit mehr Leuten nur noch besser sein. Ohne Frage hat Defiance darin seine Stärke, auch weil man so oft andere Spieler trifft und selbst indirekt mit ihnen interagieren kann. Wenn man beispielsweise einer Mission nachgeht und ein anderer Spieler, seperat von euch, im selben Gebiet ist und auch diese Mission macht, spielt man automatisch für einen kurzen Moment zusammen und kann sich bei den Aufträgen helfen und Ähnliches.


Außerdem gibt es große Events, Archenfall genannt, wo Alientechnologie von einem großen Konstrukt im All auf den Boden knallt und ein Wettstreit darum entbrennt, wer sich diese Technologie sichern kann. Meist sind diese Ereignisse mit einem massiven Gegneraufkommen verbunden, was generell bedeutet, dass man wirklich große Schlachten erlebt, in denen gut und gerne dutzende, wenn nicht sogar hundert und mehr menschliche Spieler auf engstem Raum miteinander kämpfen. Beeindruckend ist dabei vor allem auch, wie problemlos das über die Bühne geht.

Abseits von solchen Großereignissen gibt es aber auch viele unterschiedliche Missionen, die von simplen Nebenmissionen über Aufträge, die direkt mit den Serienepisoden zu tun haben, bis schließlich zu größeren Brocken, die die Story des MMOs vorantreiben, reichen. Doch hier findet sich das vielleicht größte Problem von Defiance: fast alle Missionen sind nicht besonders spannend gestaltet. Es gibt zwar einige Spaßmissionen, so ein bisschen wie in Far Cry 3, wo man beispielsweise Gegner unter bestimmten Bedingungen metzeln muss und Highscores sammeln kann, sowie ein paar kleinere Rennen. Und diese Missionstypen sind vollkommen okay - nur leider ist alles, was darüber hinaus geht, extrem repetitiv, weil egal, ob normale Neben- oder aufwändige Storymission -- inklusive guten Zwischensequenzen und allgemein höherwertiger produziert, als man es von einem MMO erwarten würde --, es allzu oft auf eines hinausläuft: zerstöre X von diesem, sammle Y von jenem. Gerade, wenn man mal ein bisschen alleine spielt, fällt das extrem negativ auf und selbst in einer Gruppe mit anderen kann der Multiplayer-Spaß nicht immer über die simpel gestrickten Missionsstrukturen hinwegtäuschen.


Defiance erfreut aber nicht nur PvE-Fans, sondern hat auch eine große PvP-Komponente, die mit einem sehr interessanten Ansatz untergebracht wird. Ihr habt nämlich jederzeit im Spiel die Möglichkeit, Matchmaking zu initialisieren, um beispielsweise an einem PvP-Team-Deathmatch, massiven Schlachten mit über 100 Mitspielern um einen Archenfall oder auch nur an einer kurzen Co-op-Mission teilzunehmen. So hat man quasi immer die Wahl, was man in der Welt unternehmen möchte, was ein ziemlich guter Kniff ist, gerade, wenn man nicht unbedingt die Zeit hat, sich richtig im Spiel zu verlieren, sondern gerne auch mal nur 'ne halbe Stunde spielen will und trotzdem das Gefühl zu haben, dass man etwas erreicht hat. Und auch hier sticht heraus, wie gut das umgesetzt ist. Wenn mal nicht genug Leute da sind, um mit euch zu spielen, landet ihr automatisch in einer Warteschlange und könnt problemlos noch ein bisschen durch die Welt wandern oder Missionen erfüllen und werdet benachrichtigt, wenn sich genug Mitspieler gefunden haben.

An manchen Stellen würde man sich wünschen, dass Defiance vielleicht ein bisschen mehr Risiken wagt. Denn es ist spaßig, doch die größte Individualität findet sich nicht unbedingt im Spiel an sich, das doch sehr derivativ wirkt, sondern in der Serienanbindung, die es wirklich einzigartig macht. Es ist zwar verständlich, dass die Entwickler hier keine großen Experimente gewagt haben, um sicherzustellen, dass das Spiel eine möglichst breite Basis anspricht, aber das Potenzial wäre vorhanden, aus der Welt mehr zu machen und an irgendeinem Punkt mehr zu bieten, statt nur stures Third-Person-Geballere.

Defiance steht auf einer soliden Grundlage, denn das Grundgameplay macht in all seinen Formen Spaß, es wird mehr als genug Abwechslung geboten und die Welt ist interessant gestaltet und lädt zumindest auf den ersten Blick zum Erkunden ein. Viele der Problemchen sind auf typische MMO-Kinderkrankheiten zurückzuführen und die etwas größeren Schäden sind absolut nicht irreparabel, da man dafür nicht noch mal das Fundament einreißen müsste. Wenn ich ein besonderes Lob Defiance aussprechen könnte, dann weil es immer wieder Momente gab, wo mir das Trion-MMO ähnlich viel Spaß gemacht hat wie Borderlands. Und dank der für ein MMO sehr geringen Einstiegshürden, darf es dementsprechend jedem ans Herz gelegt werden, der gerne mal fette Monsterschlachten mit mehr als nur drei Mitspielern an seiner Seite schlagen würde. Evil

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