Die Meister-Liga Online ist bekanntlich mein liebster Spielmodus, wenn es um Sportspiele geht, und kostet mich jedes Jahr gut und gerne mehr als hundert Stunden meiner Lebenszeit. In den vorherigen Jahren stieg ich in diesem Modus immer ziemlich schnell auf und etablierte mich irgendwo unter den besten tausend Spielern auf der Xbox 360, doch dieses Jahr war es ein harter und steiniger Weg dahin, was neben ein paar Problemen Konamis vor allem an einer Person lag: Van der Mirch.

Meine ersten Erfahrungen mit ihm, wenn er im gegnerischen Team spielte, liefen alle gleich ab: der Gegner kriegt den Ball, der Gegner haut den Ball weit nach vorne, egal mit welchem Spieler, Van der Mirch ist schom am Ball, bevor meine Verteidiger sich überhaupt umdrehen konnten, und nach einer 1-gegen-1-Situation zappelt der Ball im Netz. Denn in den ersten paar Monaten MLO funktionierte der Filter, mit dem man sich seine Gegner nach etwas heraussuchen kann, nicht richtig: auch wenn man nach Gegenspielern suchte, die eine ähnliche Passhilfe-Stufe wie man selbst benutze, bekam man trotzdem regelmäßig Spieler zugeteilt, die alle Spielhilfen angeschaltet hatten. Habt ihr schon mal einen Racer mit und ohne Fahrhilfen gespielt? So extrem ist ungefähr der Unterschied. Bei minimalen Hilfen reicht es schon aus, den Daumen eine Nanosekunde zu lange auf dem Passknopf gelassen zu haben, um den Ball in die Stratosphäre zu knallen, bei maximalen Hilfen kommt einfach jeder Pass immer an.

Entweder es ist einfach die einzigartige Kombination aus Van der Mirchs Werten oder Konami hat ihm unter der Haube noch ein bisschen was gespritzt - auf jeden Fall ist der Junge um einiges besser als seine Werte suggerieren würden. Denn mit einer Gesamtstärke von 68 ist er, nun ja, eigentlich weit am unteren Spektrum anzusiedeln. Aber dummerweise hat er gerade bei den wichtigen Werten ziemlich viel zu bieten. Eine gute Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit, dazu gut mit dem Ball am Fuß und mit 187cm Körpergröße sowie viel Balance auch noch in der Lage, sich im Duell gegen die meisten Verteidiger durchzusetzen. Damit ist er im Vergleich zu anderen schnellen Spielern, wie Theo Walcott, klar im Vorteil, da diese normalerweise zwar pfeilschnell sind, aber klein und nicht gerade stark. Van der Mirch mit seinen Riesenstelzen hingegen stolziert über das Spielfeld wie der Road Runner, uneinholbar und unstoppbar.


Und das alles wäre noch immer nicht so schlimm, da seine anderen Statistiken absolut schrecklich sind. Er kann nicht passen, er kann nicht flanken, keine Freistöße schießen und auch sonst eigentlich nicht viel mehr außer schnell rennen und springen. Selbst seine Schussgenauigkeit im niedrigen Siebziger-Bereich ist für einen Mittelstürmer beschämend -- in Pro Evo haben die meisten ordentlichen Mittelfeldspieler mehr Torgefährlichkeit zu bieten. Wenn da nicht der simple Fakt wäre, dass er vor dem Tor einfach alle Dinger reinknallt. Entweder er dribbelt den Torhüter aus, schlenzt sie ins lange Eck, lupft oder hämmert ihn auch einfach mal voll drauf - in den meisten Fällen ist das Tor drin und so manch wenig frustresistenter PES-Spieler kurz davor, den Controller fliegen zu lassen. Was vielleicht dem Ganzen aber die Krone aufsetzt: Van der Mirch existiert nicht einmal! Wäre er ein realer Spieler, der eben auch in der Wirklichkeit als pfeilschneller Muskelprotz Abwehrreihen Woche für Woche terrorisiert, es wäre noch zu tolerieren. Aber er ist ein Fake, einer der typischen Konami-Spieler, die kein reales Vorbild besitzen, aber trotzdem enthalten sind.

Selbst jetzt, wo ich an einem Punkt angelangt bin, dass ich regelmäßig Gegner zugeteilt kriege, die in diesem Onlinemodus zur Top 1000 gehören, lässt mich Van der Mirch nicht in Ruhe. Da haben die Leute das Team voller Superstars, die Unsummen gekostet haben, und am Ende stürmt noch immer Van der Mirch vorne alleine, während Messi und Ronaldo auf der Ersatzbank sich höchstens im Daumencatchen auszeichnen können. Zum Glück habe ich mittlerweile die ultimative Technik gegen ihn gefunden: ich kontrolliere einfach manuell einen meiner Innenverteidiger und lasse ihn weit zurückfallen. Selbst wenn mal wieder so ein langer Ball auf Van der Mirch gespielt wird - mein Spieler steht entweder bereit, um die Kugel abzufangen, oder im schlimmsten Fall ist er wenigstens so gut positioniert, dass der Mirch-Meister nicht den direkten Pfad zum Tor suchen kann. Dennoch: wenn ich sehe, dass der populäre Fake, immerhin der meistbenutzte Spieler in der gesamten Meister-Liga Online mit weitem Abstand vor irgendwelchen realen Spielern, vorne steht und ein Ball auf ihn gespielt wird - das Herz rutscht mir dennoch leicht in die Hose.

Er existiert seit gerade mal einem Jahr, aber man kann jetzt schon sagen: Van der Mirch ist zu einer unsterblichen Legende des virtuellen Sports geworden. Auch wenn es einige Patches gab, die das Matchmaking soweit verbessert haben, dass man nicht mehr unbedingt die Leute zugeteilt kriegt, die mit vollen Passhilfen quasi auf Autopilot spielen: der Schaden wurde angerichtet. Ihr müsst seinen Namen nur mal in Google eingeben: 118,000 Resultate in der englischen Version für einen fiktiven Spieler, sowie unzählige Videos auf YouTube, die seine unendliche Macht demonstrieren. Wenn jemand in naher Zukunft eine Liste mit den besten virtuellen Athleten macht, ihr könnt euch sicher sein, Van der Mirch hat sich seinen Platz verdient. Evil