Halo Wars

(Artikel)
Haris Odobašic, 06. März 2013

Halo Wars

Halo, wie es sein sollte?

Ein gern zitiertes Faktum, wenn es um die Halo-Reihe geht, ist, dass das erste Halo ein Echtzeitstrategiespiel werden sollte - mit dem Master Chief als Spezialeinheit. Ohne Frage wäre das ein interessantes Spiel geworden, doch ich glaube gerade im Nachhinein kann man froh sein, welche Evolution Halo durchgemacht hat und damit insbesondere die Konsolenwelt nachhaltig veränderte. Doch das konnte natürlich nicht die danach Neugier befriedigen zu wissen, wie ein Halo-RTS wohl ausgesehen beziehungsweise sich gespielt hätte. Und so setzte Microsoft sein bestes Team für Strategiespiele, die Macher von Klassikern wie Age of Empires, Ensemble Studios, daran, nicht nur diese Frage in dem 2009 erschienen Halo Wars zu beantworten, sondern auch zu zeigen, dass Echtzeitstrategie auf Konsolen möglich ist.

Gerade diese Aufgabe nahm man bei den Ensemble Studios sehr ernst. So ernst, dass man sich ganze 6 Monate nur damit beschäftigte, ein ordentliches Kontrollschema zu erarbeiten, ehe man sich überhaupt an die Entwicklung des Spiels wagte. Das Resultat ist eine Steuerung, die funktioniert und leicht von der Hand geht, doch nicht ganz ohne Probleme daherkommt. Denn wo beispielsweise bei einem Genre wie dem FPS der Sprung von Maus und Tastatur zum Controller einfach nur in einem leichten Präzisionsverlust resultiert, ist klar, dass bei der Echtzeitstrategie, die wie kaum ein anderes Genre von Tastenkürzeln und APM, kurz für actions per minute, dominiert wird, der Unterschied um einiges signifikanter sein wird.
So ist zum Beispiel eines der wohl wichtigsten Features in diesem Genre, das Gruppieren von Einheiten, gleich komplett weggefallen. Man hat zwar die Möglichkeit, per Tastendruck entweder alle Einheiten oder alle auf dem Bildschirm ersichtlichen Einheiten auszuwählen, was aber kein gleichwertiger Ersatz ist. Micro-Management ist so ziemlich schwierig, gerade wenn man an mehreren Fronten kämpfen will.

Leider stellt sich nicht nur die Steuerung quer, auch das Gameplay wurde für Konsolen in entscheidenden Aspekten eingegrenzt. Der Bau von Gebäuden ist an Basisbauplätze gekoppelt, von denen es auf jeder Karte mehrere gibt. An einem dieser Plätze kann man eine Hauptbasis erstellen, die dann limitierten Platz für die üblichen Gebäude wie Kraftwerke, Verteidigungsanlagen und Kasernen bietet. Das fokussiert das Spielgeschehen zwar einerseits, da man als Spieler zwangsläufig dazu gezwungen wird, zu expandieren und deswegen eigentlich immer ein hitziger Kampf um die wenigen Bauplätze ausbricht. Andererseits fehlt es dem Spiel aber so im Vergleich zu anderen RTS an taktischer Tiefe und dem Überraschungsmoment. Nachvollziehbar ist die Entscheidung trotzdem: man stelle sich nur vor, man könnte überall auf der Karte Gebäude bauen. Ohne die Möglichkeit, per Mausklick auf die Minimap an jede beliebige Stelle zu springen, wäre Unübersichtlichkeit noch das kleinste der Probleme. Spätestens bei einem Großangriff wäre das totale Chaos die Folge.

Doch trotz seiner Fesseln macht Halo Wars das Beste daraus, was nicht zuletzt den gut ausbalancierten Einheiten und einigen Gameplaykniffen geschuldet ist. Das altbekannte Schere-Stein-Papier-System kommt zum Einsatz, sorgt dafür, dass man auf jede Antwort auch eine passende Gegenantwort hat, und verhindert, dass es offensichtlich zu mächtige Einheiten gibt. Zusätzliche Tiefe wird außerdem durch Extrafähigkeiten, die nicht an Einheiten gebunden sind, verliehen. So kann man Luftangriffe beordern, einen Pelican rufen, um Truppen zu transportieren, oder großflächige Reparaturen anordnen. Doch das wohl beste Feature ist, dass jede Einheit im Spiel eine Spezialfähigkeit hat, die auf die Y-Taste gelegt wurde. Marines schmeißen Granaten, Eliten machen sich unsichtbar und Banshees können per Boost große Distanzen schnell überwinden. Das gibt dem ganzen Spiel ein verstärktes Halo-Feeling, wenn man sieht, wie ein Spartaner ein Fahrzeug der Allianz übernimmt oder man dem Warthog befiehlt, die Gruppe von Grunts auf die nicht-StVO-konforme Art umzulegen. Und ein netter Nebeneffekt ist, dass man stärker in die einzelnen Gefechte involviert ist, statt nur auf Angriff zu drücken und das Resultat abzuwarten.

Doch auch sonst spielt Halo Wars die Stärken, die es durch die Serie erbt, vollkommen aus. Nicht nur die detailreiche Darstellung von Einheiten und Strukturen kann überzeugen, insbesondere die Animationen sind wunderbar gelungen. Wenn man sieht, wie ein Warthog scharfe Kurven nimmt und bei kleinen Erhebungen ordentlich durch die Luft fliegt, kann man nicht anders, als sich an die Hauptspiele zurückzuerinnern. Der Soundtrack ist auch, trotz anderem Komponisten, stark, was ja nicht immer gegeben ist, wenn man sich beispielsweise den neuesten Halo-Sproß anhört.

Doch leider nutzt man das gegebene Universum gerade in der Kampagne nicht vollkommen aus. Zwar bietet man eine interessante Perspektive auf die Halo-Geschichte, indem man sich in der Zeitlinie weiter in die Epoche kurz nach dem Erstkontakt zurückwagt, doch leider wird viel von dem Potential durch eine vorhersehbare Geschichte und insbesondere schwache Klischeecharaktere zunichte gemacht. Da wiegt es fast noch schlimmer, dass man sich eine Allianz-Kampagne gleich komplett gespart hat. Die Widersacher sind zwar als voll spielbare Fraktion für den Multiplayer enthalten, aber es ist schade, dass man hier quasi den Grundstein gelegt und das nicht ausgenutzt hat, um auch eine vollwertige Kampagne nachzulegen, die nicht nur den Blickpunkt der Allianz hätte zeigen, sondern die mit 10 Stunden etwas magere Einzelspielerkampagne bedeutend verlängern können. Zumindest ist aber das Missionsdesign in den 15 Aufträgen, die man für die UNSC erfüllt, gelungen und bietet genug Abwechslung, von Evakuierungsmissionen bis hin zu schon so was wie einer Art Bosskampf.

Damit die Langzeitmotivation doch erhalten bleibt, gibt es, wie sollte es auch anders sein, einen ausführlichen und ziemlich gut gelungenen Multiplayermodus. Einerseits wartet Kampagnen-Coop auf die Spieler, was eine absolute Seltenheit in dem Genre ist, sich aber als richtig gut erweist, da man durch die doppelte Einsatz- und Befehlskraft nicht nur weniger Probleme mit manchen der knackigeren Missionen hat, sondern es ein ganz neues Spielgefühl ist, wenn man sich eine Basis teilt und so regelmäßige Absprachen zur Pflicht werden.
Aber auch Freunde des Versus werden bedient. Zwei traditionelle Deathmatch-Varianten können genossen werden, was gerade durch die Möglichkeit, nicht nur 1 gegen 1 sondern auch mit bis zu 3 Spielern pro Team anzutreten, für interessante Gefechte sorgt.

Selbst als eingefleischter Konsolero waren für mich die ersten Spielstunden mit Halo Wars durch eine Hassliebe geprägt, da ich das Gefühl hatte, dass hier ein gutes Spiel durch eine nicht adäquate Steuerungsmöglichkeit zurückgehalten wird. Oder, um es anders zu sagen: zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich mir an einer Konsole eine Maus in die Hand nehmen zu können. Zum Glück verebbte dieses Gefühl mit der Zeit und ich lernte mich mit den Limitationen zu arrangieren. Ich ertappe mich zwar noch immer bei dem Gedanken, dass Halo Wars auf dem PC ein besseres Spiel hätte sein können, doch gerade durch die überraschende Tiefgründigkeit bietet nicht nur die Kampagne mit ihrem geschickten Coop-Feature viel Spaß, sondern auch im Multiplayer können durchaus packende Schlachten zwischen Allianz und der UNSC geschlagen werden. Daher darf man als allgemeiner Halo- oder Strategie-Fan, der auch mal auf der Konsole etwas aufbauen will, durchaus zuschlagen. Nur Hardcore-Strategen, die sich mit ihren APM brüsten, bleiben, alleine schon aus Selbstschutzgründen, möglichst weit weg von diesem Spiel. Evil

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RELEASE
27. Februar 2009
PLATTFORM
Xbox 360
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