Hitman: Absolution

(Artikel)
Daniel Fink, 07. Dezember 2012

Hitman: Absolution

To kill or not to kill?

Viele Jahre sind seit der letzten Begegnung mit unserem Lieblingsglatzkopf, der Nummer 47, vergangen, doch nun ist auch er in der aktuellen Konsolengeneration angekommen. Hitman zeichnete sich immer durch seine Eigenart aus: Das Gameplay war relativ träge, Geduld zählte mehr als das furiose Betätigen des Abzuges seiner Waffe und jeder Auftrag benötigte einen absolut präzisen Plan, den man nur durch brutales Trial and Error erarbeiten musste. Deshalb sprach es immer eine bestimmte Nische von Spielern an.
Unser kahler Freund musste in seiner Zeit viele Menschenleben nehmen. Er versuchte sich auf einen anderen Pfad zu begeben, seine Bestimmung in einem katholischen Kloster zu finden, jedoch wurde er immer wieder in alte Schranken gedrängt. Wohin wird das Schicksal unseren chic gekleideten Auftragskiller diesmal verschlagen?


Das Spiel beginnt mit dem Auftrag Diana zu töten. Diana ist der "Handler", der den Spieler durch unzählige Kontrakte begleitet hat und sich mit dem Killer letztendlich anfreundete. Leider versuchte sie die "Agency" zu zerstören und dafür soll sie nun büßen. Im Zuge ihres Vorhabens entführte sie aus unbekannten Gründen ein Mädchen, welches den Namen Victoria trägt.
Da Nummer 47 ein Profi im Gebiet des Mordens ist, erledigt er seine Mission wie eine Maschine. Als Diana jedoch im Sterben liegt, spricht sie den kaltblütigen Killer als Freund auf persönlicher Ebene an und stellt ihm eine Bitte in Form des Auftrages, das Mädchen Victoria zu beschützen. Den letzten Willen Dianas gilt es im Spielgeschehen umzusetzen.

Die Story insgesamt trägt einen sehr seriösen Ton, so wie es eben zum Franchise passt. Das Problem ist, dass der Inhalt der Story kaum ernst zu nehmen ist. Es entsteht ein Widerspruch in der Stimmung des Spiels, denn man versucht überzogene Stereotypen als echte Antagonisten zu verkaufen. Auch wenn ich den zuerst ernsten Ton sehr willkommen hieß, empfand ich den Abstieg in diese Verrücktheit als sehr amüsant. Es ist fast unmöglich sich das Lachen zu verkneifen, wenn man plötzlich von Killernonnen in Domina-Latexoutfits verfolgt wird. Insofern denke ich nicht, dass Hitman seine eigene Story wirklich für voll nimmt und mit dieser Einstellung sollte man auch ins Spiel eintauchen.


Beim Gameplay wird aber ersichtlich, dass trotz der Story, die Nummer 47 nur vorsätzlich in interessante Gebiete treiben soll, der neuste Ableger der Reihe auf keinen Fall ein dummes Spiel ist. Der Kern von Hitman: Absolution ist nicht weit von früheren Titeln abgeschweift, was sehr lobenswert ist, denn so geht die Identität des Franchises nicht verloren.

Eine typische Mission sieht folgendermaßen aus: Man spawnt in dem Areal, in welchem sich unsere lebende Zielscheibe aufhält. Zunächst gilt es diese im Level zu orten. Ist das erledigt, öffnet sich die Freiheit von Hitman, denn die Art, wie man sein Ziel zur Strecke bringt, ist kaum vorgegeben. Zwar wird durch das Punktebelohnungssystem eine bestimmter Spieltyp nahegelegt, nämlich der, der dem eigentlichen Charakter der Nummer 47 entspricht, dennoch steht uns nichts im Wege die eigenen "Ideen" auszuleben. Es hindert den Spieler nämlich nichts daran, das Level mit einem Massaker abzuschließen.
Ein Problem wird jedoch bei der neuen Spielstruktur ersichtlich: Hitman: Absolution ist storybedingt wie ein lineares Adventure aufgebaut. Deshalb fällt das Element der Equipmentzusammenstellung vor einer Mission komplett weg. So verliert man einen großen Teil der Freiheit und der Kreativität, die man in früheren Titeln ausleben konnte. Ich will damit nicht sagen, dass man nun zu sehr eingeschränkt wird; nur förderte der Ansatz von früher mehr Experimentation.

Wegen der neuen Struktur gibt es nun auch reine Stealth-Level, in denen man einfach von Punkt A zu Punkt B zu kommen muss. Diese verknüpfen die Morde miteinander und verlängern das Spiel um einige Stunden, dennoch empfand ich diese Level als komisch, weil ihre Qualität sehr schwankte. Manche waren nur wenige Minuten lang und stellten gar keine Herausforderung dar. Manche erforderten jedoch ein paar ziemlich erfinderische Ansätze zur Lösung von Problemen, weshalb sie wohl durchaus eine Existenzberechtigung haben.


Eine Ausnahme zu den fixen Missionsanfängen stellt der Spielmodus Contracts. Hier werden die Level aus der Singleplayerkampagne mit neuen Zielvorgaben aufgegriffen. Genau das erlaubt, was im Storymodus fehlt: persönliche Zusammenstellung des Equipments. Für einen Contract überlegen sich Spieler Szenarios und erstellen diese. Dabei geben sie bestimmte Vorgaben, wie zum Beispiel die Todesart des Ziels, das Verbot enttarnt zu werden, NPCs abgesehen vom Ziel zu töten oder einen Schuss zu verfehlen. Der Ersteller des Kontrakts diktiert ein Loadout, jedoch können die Spieler ihre Ausrüstung auch weiterhin selbst zusammenstellen, falls sie eine günstigere Variante zur Lösung des Levels sehen. Für die Erfüllung bekommt man Punkte, mit denen man Waffenupgrades kaufen kann, die dann die Ausführung von weiteren Kontrakten möglicherweise vereinfacht. Außerdem wird die Menge der Punkte, die man erhält, in ein Leaderboard eingetragen, sodass man sich ganz leicht mit anderen Spielern messen kann.

Das altgewohnte Klauen von Kleidung ist immer noch fester Bestandteil des Spiels. Man kann fast von jedem NPC die Bekleidung nehmen und diese in bestimmten Arealen benutzen. Diese gewähren einem dann zum Beispiel Zutritt zu vorher gesperrten Bereichen oder erlauben uns näher an unser Ziel zu kommen. Das Tarnungssystem funktioniert leider nicht so, wie man es sich denkt, denn man wird sehr schnell als Schwindler entlarvt - jeder NPC, der dieselbe Uniform trägt, kann den Spieler enttarnen. Häufig macht das Sinn, doch diese Logik stößt in vielen Situationen an ihre Grenzen. Wenn sich zwei NPCs mit zwei verschiedenen Anzügen unterhalten und man später einem den Anzug klaut, so wird der andere es nicht erkennen. Falls man aber eine Polizistenuniform trägt, kann jeder Polizist den Spieler innerhalb einer Sekunde demaskieren, obwohl sie sich möglicherweise vorher nie gesehen haben. Auch gibt es in einem Level ein Kostüm, was eine absolut freie Bewegung zwischen den Wachen erlaubt - dumm ist jedoch nur, dass jeder in der Stadt diese Person eigentlich kennen sollte. Es ist ungemein witzig, wie 47 von allen sehr ehrenvoll angesprochen wird und keiner bemerkt, dass gar nicht der richtige Typ in den Klamotten steckt.


Um diesem Problem ein wenig entgegen zu kommen, wurde das Instinkt-System eingeführt. Auf Knopfdruck kann man vollen Gebrauch von Hitmans umfangreicher Erfahrung und Ausbildung machen. Das Instinkt-Feature lässt sich sehr gut mit der Detective Vision aus Batman: Arkham Asylum vergleichen: Hier wird einem das Level-Ziel angezeigt, die Wachen, interessante Gegenstände, geheime Pfade und die Wege der Wachen werden vorhergesagt.
Falls man nun einen Anzug trägt und an einem NPC mit dem gleichen Kostüm vorbei läuft, kann man ihn mit Hilfe von Instinkt täuschen. Sobald man den Instinktknopf betätigt, beginnt Hitman an seinem Hut zu fummeln oder hält sich schlichtweg die Hand an das Gesicht und wird somit für diesen Charakter unverdächtig. Dies verbraucht jedoch Instinkt, welches man nur wiederherstellt, indem man Hitman-mäßige Dinge ausführt, wie Stealth-Kills oder die Erfüllung der Zielvorgaben des Levels.
Insgesamt erleichtert dieses Feature das Spiel ungemein, da es sehr viel Trial and Error erspart - Puristen können jedoch vollkommen darauf verzichten. Als ich dieses Feature benutzte, wirkte es für mich wie ein offizieller Cheat an, weshalb sich die Verwendung sehr falsch anfühlte und ich daraufhin versuchte die Nutzung von Instinkt zu meiden. Dennoch denke ich, dass die Einführung dieses Systems durchaus sinnvoll ist, da es viel Frustration nimmt und somit Leuten, die nicht viel Erfahrung in der Spiel-Reihe haben, den Einstieg stark erleichtert.


Die zwei größten Schwachstellen von Hitman: Absolution sind jedoch die Checkpoints und die Steuerung.
Das Checkpoint-System funktioniert nämlich so, dass man die Speicherpunkte in dem Level aktivieren muss. Leider sind die Punkte weder gut gesetzt, noch lassen sie sich gut finden, was dazu führt, dass man bestimmte Level-Abschnitte immer und immer wieder neu spielen muss. Das ist sehr mühsam, da man an manchen Stellen rund zwei Minuten warten kann, bis ein NPC seine Routine abgeschlossen hat und der Zeitpunkt wieder eintritt, an dem man gefahrlos weitermachen darf. In dieser Wartezeit macht man wortwörtlich nichts. Bei dem ersten Versuch ist es zwar durchaus spannend, wird mit der Zeit aber sehr ermüdend. Das Quicksave-System aus vorherigen Teilen war definitiv besser gestaltet: Es stand einem eine begrenzte Menge an Quicksaves zur Verfügung - wie man diese benutzte war dem Spieler überlassen. So konnte man sich in eine günstige Position bringen, von da aus experimentieren und somit lästigen Teilen der Level ausweichen, was mit dem neuen System deutlich schwerer ist.

Die Steuerung wird das sein, was einen ziemlich häufig an Checkpoints zurückwerfen wird. Vor allem das Cover-System wird einen in den späteren Leveln bis zur Weißglut treiben. Die Positionen, an denen man seinen Rücken an die Umgebung drücken darf, sind sehr spezifisch und die Anzeige, dass man an den Stellen mit der Umwelt in Kontakt treten kann, kommt zu früh. Das führt dazu, dass man auf den Knopf einhämmert und nichts passiert. Mit dem Cover-System wird man für die NPCs in der Regel fast unsichtbar, weshalb es oft notwendig ist sehr schnell in Deckung zu gehen. Leider ist die Steuerung träge, was dazu führt, dass die korrekte Positionierung in heiklen Situation sehr schwer fällt.


Auch wenn Hitman: Absolution einige Probleme hat, denke ich, dass es ein hervorragendes Spiel ist. Der Großteil von den von mir aufgeführten Schwachstellen ist meiner Pingeligkeit geschuldet. Die Welt von Hitman fühlt sich sehr real an und hat einen ziemlich hohen Immersionsfaktor, deshalb fängt man schnell an sich über Dinge aufzuregen, die unrealistisch erscheinen. Das Spiel hat ein gutes Gefühl von Stil, die visuelle Präsentation der rauen Welt Hitmans ist schlichtweg beeindruckend. Auch die Einzigartigkeit eines solchen Puzzlespiels für Erwachsene macht den neuen Eintrag der Hitman-Saga würdig in jeder Spielesammlung aufzutauchen. Vor allem, da die meisten Spiele heutzutage auf schnelle Reflexe und dicke Explosionen setzen, ist es erfrischend ein Spiel einen anderen Ansatz zu probieren.

Es ist also mal wieder Zeit in einen Anzug zu schlüpfen und seine Klaviersaite auszupacken, denn der stille Assassine ist wieder unter uns und er ist immer noch so, wie wir ihn geliebt haben.

Bis dahin,
Undead

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