Quantum Conundrum

(Artikel)
Rian Voß, 06. August 2012

Quantum Conundrum

Puzzeln in fünf Dimensionen

Wenn es um Puzzle-Spiele aus der Egoperspektive mit quirligen Erzählern geht, dann kann sich kein Spiel um den Vergleich mit Portal drücken - das wird noch solange weitergehen, bis mal irgendwann etwas uneingeschränkt Besseres auf den Plan tritt. Ich könnte jetzt so tun, als wenn ich Airtight Games Quantum Conundrum losgelöst von seinen Wurzeln betrachten würde, aber das wäre sowas von gelogen, denn während des Spielens drängen sich einem die Parallelen und Unterschiede einfach viel zu sehr auf.

In Quantum Conundrum spielt man nicht die stumme Versuchsperson Chell, sondern den stummen Neffen vom verrückten Wissenschaftler Qwadrangle, welcher sich gleich nach unserer ungebetenen Ankunft in seinem Anwesen, welches Portals Testlabore ersetzt, aus Versehen in eine Nebendimension teleportiert und uns über das Intercom Tipps gibt, Hintergrundinfos erzählt und nicht müde wird zu erwähnen, wie wenig er eigentlich familiären Besuch schätzt. Anstatt einer Portal Gun verfügen wir über einen Dimensionshandschuh, anstelle von Portalen und Gel gibt es vier verschiedene Dimensionen, zwischen denen man fliegend hin- und herwechseln kann. Würfel sind Tresore, Turrets sind BOTs und der Companion Cube teilt sich in eine kleine Plüschkreatur namens IKE, das Objektklonungssystem DOLLI und den Plastikvogel Desmond auf. Soweit, so ähnlich.

Plüsch-Tresore!

Die etwas farbenfrohere, bunte Villa ist erst einmal eine willkommene Abwechslung zum dystopischen Forschungskomplex aus Valves unverhoffter Erfolgsreihe. Objekte sind bewusst comichaft gehalten, hier und dort verzieren lustige oder interessante Gemälde die Wände und alles wirkt ein bisschen freundlicher. Professor Qwadrangle tut dabei sein Bestes, um den anti-sozialen Außenseiter zu mimen, wobei vor allem seine Anekdoten der Atmosphäre eine gewisse Dichte verleihen - da geht es dann darum, dass der Familiensitz erst als Klohäuschen mit unglaublich guten Rohrleitungen begonnen hat, oder er plaudert aus dem Nähkästchen, wenn es um seine vercasualisierten Zeitreisetrips geht (in den 70ern hat das ja schließlich jeder gemacht). Sein übriger Humor ist dabei leider ein bisschen weltfremd. Nicht unbedingt übel, aber... würde man Sheldon aus The Big Bang Theory um vierzig Jahre altern lassen und ihm mehr Ingenieurs-Enthusiasmus verleihen, dann wäre er wohl von Qwadrangle nicht zu unterscheiden. Fehlt eigentlich nur noch, dass er nach einem seiner praktischen Witze laut "BAZINGA!" ruft.
Ansonsten verliert das zuerst so anheimelnde Setting nach wenigen Stunden seinen Reiz. Spätere Räume sind in keinster Weise von der Anfangslobby zu unterscheiden, was dieses Wohngebäude sehr künstlich eingerichtet wirken lässt (bei Portal gehörte die sterile Umgebung ja zur Grundstimmung), und selbst Qwadrangles Persönlichkeit, von der man stets hofft, dass sie aus dem passiv-enttäuschten Tonfall mal länger herauskäme als für ein kurzes "Gar nicht schlecht!" hier und da, ging mir mit der Zeit ein wenig auf den Keks. Da riskiert sein Neffe heroisch seinen Kragen, um seinem exzentrischen Onkel das Leben zu retten, und der Typ hat nicht mal den Nerv, gegen Ende des Spiels stolz auf die Gene seiner Schwester zu sein? Irgendwie deprimierend. Selbst GlaDOS hat da mehr Emotionen gezeigt. Und mit Cave Johnson kann eh niemand mithalten.

Schwebende Tresore!

Was Quantum Conundrum in Sachen Geschichte nicht punkten kann, macht es glücklicherweise mit den Puzzles mehr als wett. Je nachdem, womit ein gewisses Gerät im Level geladen ist, kann man zwischen vier Dimensionen wechseln, in denen sich die Zustände der Objekte in der Umgebung - jedoch nicht der eigene! - völlig verändern: Heavy, Slow, Gravity und Fluffy. Heavy macht Dinge einerseits schwer, so dass selbst Pappkartons Glasscheiben zerschlagen und Druckschalter aktivieren können, andererseits unzerstörbar gegenüber Laserstrahlung. Slow verlangsamt die Zeit, was perfekt ist, um bestimmte Aktivierungen oder Sprungsequenzen zu timen - oder um auf geworfene Objekte draufzuspringen und wie Tao Baibai auf ihnen durch die Lüfte zu surfen. Gravity kehrt einfach nur die Schwerkraft um und alles fliegt an die Decke. So kann man unter anderem auch die Flugzeit von Gegenständen, die ohnehin schon eine Richtung eingeschlagen haben, mit etwas Geschick stark verlängern. Und Fluffy macht Dinge plüschig. Das sieht gut aus und fühlt sich nett an. Oh, und außerdem werden Sachen leichter, so dass man die vielen Tresore auch tragen kann.

Einzeln ergeben diese Fähigkeiten natürlich noch keine große Kunst, erst in Kombination werden daraus heftige und überaus originelle Rätsel, die es zu knacken gilt und über lang auch wesentlich mehr Spaß machen als die Puzzle von Portal. Man wird ständig auf neue Art gefordert, so dass es relativ leicht fällt, die Atmosphärenschnitzer zu verzeihen, wenn man eine herabfallende Lawine an Möbeln in der Slow-Dimension hinaufkrabbelt, um dann an der Spitze sich schnell einen Safe in der Fluffy-Dimension zu schnappen, ihn wegzuwerfen, aufzuspringen, dann in der Heavy-Dimension damit eine Laserbarriere durchbricht und anschließend mit der Gravity-Fähigkeit durch einen Hindernisparcours düst. Am Rätselentwurf gibt es wirklich nichts zu meckern und somit ist der wichtigste Teil des Spiels auch gleich der beste.
Leider gibt es hier noch ein paar Frustabzüge, denn zum einen entwickelt die Steuerung im Vergleich mit der unglaublich guten und direkten von Portal fast schon ein Eigenleben - ich habe so viele Detailsprünge verkackt und ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, warum - und zum anderen ist die Abhängigkeit von der Physik für manche Rätsel ziemlich verstörend. Da landet dann eine automatisch gespawnte Kiste nicht so, wie sie soll, sondern kugelt irgendwo anders hin. Manchmal werden essentielle Gegenstände zerstört oder gehen auf merkwürdigem Wege verloren, so dass man entweder ermüdend backtracken darf oder manchmal sogar die Aufgabe neustarten muss, weil man sich selbst in eine Sackgasse gebracht hat.

IKE - putzig und vollkommen nutzlos

Und dann gibt es noch den Negativ-Bonus für die PC-Spieler, denn zwei der vier Dimensionen, zwischen denen man nun mal häufig sehr schnell und sehr geschickt wechseln muss, liegen auf den Tasten '1' und '3', was bei mir schon zu Handschmerzen geführt hat. Vielleicht bin ich auch einfach nicht mehr so jung wie ich mal war. Jedenfalls gab es eine Situation, wo ich zwischen den Dimensionen, die auf 'Q' und auf '1' liegen, blitzschnell wechseln musste, weswegen ich die Maus der rechten Hand losließ, um damit die beiden Tasten zu bedienen, während ich mit WASD steuerte. Das war sicherlich nicht im Sinne des Erfinders, ein Controller mit vier ordentlichen Schultertasten macht die Sache bestimmt angenehmer.

Für diejenigen, die Portal und Portal 2 vor allem wegen der Rätsel gespielt haben und die sich für die tiefsinnige Geschichte hinter Aperture Science oder die Beziehung zwischen GladOS und Chell nicht sonderlich interessierten, ist Quantum Conundrum ein gefundenes Fressen, denn die Level sind fordernd und clever. Wer allerdings ohne das kleine Bisschen extra nicht leben kann, der wird hier zumindest ein wenig enttäuscht werden. Rian

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21. Juni 2012
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