The Missing Link

(Artikel)
Haris Odobašic, 23. Mai 2012

The Missing Link

Jensens fehlendes Glied

Erinnert ihr euch an Assassin's Creed 2? Als das ultimative Negativbeispiel für Story-DLC ließen einen die Entwickler in der Mitte des Spiels auf der Überholspur zum Spielende springen. Sowohl Storyverlauf als auch Menü machten glasklar: hier wurden ein paar Kapitel übersprungen. Und wie ein Wunder erschienen sie einige Monate später als Bezahl-Add-on. Die Spielerschar war daraufhin "not amused", was dazu führte, dass Ubisoft in den späteren Teilen solche Geniestreiche ausbleiben ließ. Auch in Deus Ex: Human Revolution gibt es Story-DLC, der mittendrin einsetzt, hier ist aber die Integration um einiges subtiler von statten gegangen.

Kurz vor Ende des Spiels muss Jensen sich nämlich auf einen Frachter schleusen, schaltet dort sein Kommunikationsequipment aus und legt sich schlafen. Drei Tage später wacht er an seinem Ziel angekommen auf, Pritchard spielt noch kurz den Besorgten und alles ist gut. Einfach nur ein üblicher Schnitt, um einem 72 Stunden Gameplay, bei dem Jensen ständig auf dem Schiff zwischen Kantine und Klosett hin- und herschleichen muss, zu ersparen? Mitnichten! Der DLC klärt auf, was wirklich während dieses Exkurses passiert ist: Jensen wird nämlich schon am Anfang seiner Kreuzfahrt erwischt, gefoltert und wie ein Handy auf den Werkszustand zurückgesetzt. Das hat zwar nicht das Löschen seines Adressbuches zufolge, sorgt aber dafür, dass ihr nur mit den absoluten Standardaugmentierungen die Flucht wagen dürft.


The Missing Link orientiert sich dabei sehr stark an dem, was das Hauptspiel so großartig gemacht hat: Die Story, die die Geschehnisse aus Human Revolution nur in sehr geringem Maße thematisiert, bietet den gewohnt unterhaltsamen Deus-Ex-Mix aus moralischen Entscheidungen, überraschenden Wendungen und wilden Verschwörungstheorien. Auch die Traversierung des Schiffs und später einer Militärbasis gestaltet sich durch unzählige Schleichpfade und Geheimwege abwechslungsreich und an euren Spielstil anpassbar. Leider ist die Aufmachung der Gebiete wie üblich grau und trist gehalten, was sich eben gar nicht von den Innen-Arealen unterscheidet, die man schon bereist hat. So spannend Lüftungsschacht-Infiltration auch sein kann, hier umspielt am Ende ein leichtes Gähnen die Lippen, weil man alles schon so gesehen hat.

Aber neben bekanntem Gameplay darf auch die erwartete, besondere Herausforderung für die Achievement-Jäger darf nicht fehlen: Mit Pacifist und Foxiest of the Hounds bot Deus Eux: Human Revolution zwei der befriedigendesten Erfolge, die man im letzten Jahr in einem Spiel freischalten konnte. Mit Factory Zero wird in eine ähnliche Kerbe eingeschlagen; hier dürft ihr sogar Leute umbringen und Alarm auslösen wie ihr lustig seid, ehe das Trollface der Entwickler zum Vorschein kommt und euch stattdessen Waffengebrauch und das Verbessern eurer Augmentierungen verbietet. Wer will denn auch schon drei Meter hoch springen oder Terminals, die höher als Stufe 1 sind, hacken? Der Wiederspielwert ist damit gesichert.


Diese Einschränkung gilt übrigens auch für den Bosskampf. Manch einer dürfte jetzt beim Erinnern an die Endgegner in Human Revolution das Gesicht voller Schmerzen verziehen, aber für The Missing Link kann Entwarnung gegeben werden. Da Eidos Montreal, anders als im Hauptspiel, die Entwicklung dieser Kampf-Sequenz nicht an ein drittes Studio ausgelagert hat, reflektiert dieser Abschnitt die Essenz von Deus Ex um einiges besser. Wurde man im Verlauf von HR auch als leiser Schleicher gezwungen, zum Raketenwerfer zu greifen, um es den Bösewichten zu zeigen, habt ihr hier freie Hand und könnt euch dieses Gegners auch beispielsweise im Nahkampf entledigen. Dieser Bruch mit dem Hauptspiel sorgt auch dafür, dass hier der beste Deus-Ex-Bosskampf ausgetragen wird.

The Missing Link schafft den komplizierten DLC-Spagat mühelos. Die hohe Qualität sorgt dafür, dass man zu keinem Zeitpunkt den Eindruck hat, hier irgendwas schnell Zusammengeklopptes zu spielen. Wäre dieses Zusatzpaket so direkt im Spiel integriert gewesen, es wäre niemandem fremd vorgekommen.
Gleichzeitig fällt aber der Schnitt im Spiel so sanft aus, dass man auch als jemand, der kein Interesse am fehlenden Glied hat, problemlos Deus Ex genießen kann ohne das Gefühl der Unvollständigkeit zu haben. Die Erweiterung von Jensens Cyberpunk-Abenteuer ist nicht etwas, was ihr unbedingt braucht, gleichzeitig wollt ihr euch aber die fünf Stunden Zusatzspaß im Deus-Ex-Universum auf gar keinen Fall entgehen lassen. Evil

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