MagnaCarta 2

(Artikel)
Haris Odobašic, 08. Februar 2012

MagnaCarta 2

Können's Koreaner besser als Japaner?

Man müsste sich eigentlich zwicken lassen: war das einzige auch nur annährend östliche RPG auf der Xbox, Sudeki, noch ein von Amerikanern entwickeltes, trojanisches Pferd, so kann man sich auf der Xbox 360 ja im Vergleich kaum noch vor Rollenspielen retten. Selbst der ein oder andere Exklusivtitel hat es auf die Microsoft-Konsole geschafft. Doch während Spiele wie Blue Dragon und Lost Odyssey Unmengen an Aufmerksamkeit geschenkt gekriegt haben, ist das Ende 2009 erschienene MagnaCarta 2 so ziemlich unter jedermanns Radar geflogen. Mittlerweile ist es in jedem gut sortierten Fachhandel für 20€ zu finden; Zeit sich also anzuschauen, ob es sich lohnt einen näheren Blick drauf zu werfen.

Dass MagnaCarta 2 aus Korea kommt ist ein Fakt, das man dem Spiel nicht ansieht. Alleine die Story wirkt eher wie ein Best-of von Final Fantasy, mit Elementen aus Final Fantasy XII, VII und V wild durcheinander gemischt. Primär dreht sich alles um das Paar aus Juto, einem von Gedächtnisverlust befallenen Mann, der auf einer idyllischen Insel ein lockeres Leben als fauler Herumtreiber führt und ein dunkles Geheimnis in sich trägt, und Prinzessin Rzephillda Grena Berlinette, Gott sei Dank im Spiel meist mit Zephie abgekürzt, die nach einem Mord an ihrer Mutter, der Königin von Lanzheim, um ihr Thronerbe und den Frieden auf dem Kontinent kämpft. Wie es der Zufall so will, wird ausgerechnet auf Jutos Insel ein Guardian gefunden, ein mächtige Waffe aus vergangenen Tagen. Natürlich sind beide Seiten des Konflikts daran interessiert, in den Besitz dieses Guardians zu kommen und so findet sich Jutos Heimat schnell als Brennpunkt des Bürgerkrieges und er wird gezwungen, eine Entscheidung zu treffen und sich einer Seite anzuschließen.
Diesen Schriftzug werdet ihr sehr, sehr oft sehen.

Auch wenn die Story nur so trieft vor Klischees und sich auch die Charaktere redlich bemühen alle üblichen Stereotypen abzudecken, wird es spätestens zur Hälfte des Spiels doch spannend. Nachdem die Figuren Zeit hatten sich etwas weiterzuentwickeln, wachsen sie einem nämlich doch ans Herz und die Geschichte wird durch das ein oder andere Myterium sowie gut platzierte Wendungen entschieden vorangetrieben.

Das Highlight ist das intuitive Echtzeit-Kampfsystem, bei dem sich alles um die Ausdauer eurer Charaktere dreht. Mit jedem Schlag füllt ihr euren Ausdauerbalken, der, wenn er voll ist, euren Charakter in den Overdrive-Modus versetzt. Dieser ermöglicht es euch, eure letzte Kombo mit einem ordentlichen Schadensbonus fertigzustellen -- ehe ihr in den Overheat-Zustand wechselt, der euch für einige Sekunden soweit lahmlegt, dass ihr weder Angreifen noch Items benutzen könnt.
Es gibt aber einen kleinen Trick, der euch das Leben bedeutend einfacher macht: beendet ihr eure Combo, während ihr im Overdrive seid, mit einer Spezialfähigkeit eures Charakters, habt ihr die Möglichkeit per Wechsel zu einem anderen Charakter einen Chain zu initialisieren. Der neue Charakter profitiert dann erst mal von einem Damage Buff, und wenn ihr es dann noch schafft mit ihm ebenfalls genug Ausdauer zu verbrauchen, um in den Overdrive zu kommen und eine Spezialfähigkeit einzusetzen, werdet ihr mit einem Chain Break belohnt: der Ausdauerbalken der am Chain beteiligten Charaktere wird komplett zurückgesetzt, statt einer Warteperiode könnt ihr also sofort wieder angreifen.

Eine kleine Warnung zum DLC: Dieser enthält nämlich eine Handvoll Waffen, die das Spiel noch einfacher machen, als es eh schon ist, sowie drei kurze Cutscenes, die zwar ganz lustig sind, aber meiner Meinung nach den Preis von XYZ MS-Points nicht rechtfertigen.
Diese Mechanik geht einfacher von der Hand als es anfangs klingt, nach wenigen Stunden hat man die Chains und Chain Breaks gemeistert. Dennoch führt dieser nette Kniff dazu, dass der Kampf um einiges taktischer abläuft als bei vergleichbaren Titeln -- statt purem Tastengekloppe ist man eher dazu animiert, genau aufzupassen welcher Charakter gerade einen vollen Balken hat, um einen erfolgreichen Chain Break auszuführen. Leider ist das aber gleichzeitig auch die Höhe des Anspruchs. Es wäre schön gewesen, wenn diese Grundmechanik im Verlaufe des Spiels noch ausgebaut worden wäre. So fehlt nach gut 2/3 des Spiels jegliche Herausforderung. So entsteht also kurioserweise eine Situation, in der man die erste Hälfte des Spiels primär wegen des Kampfsystems spielt, aber genau in dem Moment, wo selbiges droht langweilig zu werden, die Geschichte genug anzieht, um einen doch noch für den Endspurt bei der Stange zu halten.
MagnaCarta 2 hat hübsche Charaktermodelle, aber teils matschige Texturen.

Leider ist die Ausrichtung an Einsteiger nicht nur beim Kampfsystem bemerkbar, auch vielen anderen Aspekten des Spiels fehlt es an Tiefe. Ein ins Auge stechendes Beispiel ist das Crafting-System, das es euch erlaubt aus magischen Steinen, Kammonds genannt, neue Gegenstände zu schmieden. Auf dem ersten Blick würde man nun wohl erwarten, dass man so mächtige Waffen erwerben kann oder seltene Monster sucht, um an die besten Kammonds zu gelangen. Im Spiel an sich ist es dann aber eine eher langweilige Angelegenheit, da ihr nur 12 mickrige Accessoires auf diese Weise erstellen könnt -- und das auch nur, nachdem ihr im Verlauf der Story an die Rezepte dafür gekommen seid. Genausowenig werdet ihr seltene Monster jagen, die meisten benötigten Kammonds fallen euch einfach in den Schoß.
Weiterhin fehlt es an Inhalten abseits des Hauptpfades. Simple Nebenmissionen lassen sich meist auf dem Weg erledigen, aber als Rollenspielveteran wird man geheime Endbosse oder kurzweilige Minispiele vermissen, was auch dazu führt, dass das Spiel nach dem ersten Durchspielen kein zweites Mal euer Laufwerk betreten wird.

Das hinterlässt beim Spielen einen faden Beigeschmack, da MagnaCarta 2 Potential hat, dieses aber dadurch verspielt, dass man sich einerseits nah bei den Standards hält und, wohl um den Einsteigerfokus beizubehalten, keine großen Risiken wagt. Daher fehlt es an manchen Ecken und Enden an der nötigen Individualität, um das Spiel richtig aus der Masse hervorzuheben. Kein Wunder also, dass es trotz seines Exklusivstatus' weitgehend unbekannt ist.
Zusätzlich getrübt wird der Spielspaß von kleineren Macken der KI. Diese tendiert nämlich dazu an Ecken und Enden festzuhängen, schaut auch gerne mal bei den Kämpfen zu oder läuft blindlings in Fallen hinein. Ihr werdet euch also gelegentlich dabei ertappen, wie ihr zwischen Teammitgliedern hin- und herwechselt, aber nicht um Chains auszuführen, sondern um sie um massive Objekte, die im Weg stehen, kleinere Grasbüschel oder unüberwindbare Erhebungen mit 20 cm Höhe herumzunavigieren. Wäre MagnaCarta 2 schwerer, würden euch solche Situationen eine Menge Nerven kosten, aber so hat man es hier höchstens mit kleineren Unannehmlichkeiten zu tun.

MagnaCarta 2 bemüht sich jedes erdenkliche RPG-Klischee zu bedienen, will dabei bloß nicht zu anspruchsvoll sein und ergibt im Endresultat ein Einsteiger-RPG mit Macken, das aber durchaus zu Gefallen weiß. In der Liste der Xbox-RPGs muss es sich zwar, wie so ziemlich jedes Ost-RPG, Lost Odyssey geschlagen geben, aber in manchen Aspekten ist es spaßiger als Blue Dragon. Wer am Verhungern ist und nach einem kurzweiligen RPG-Happen sucht, kann sich bei MagnaCarta 2 seine Ration für gut 40 Stunden holen, auch wenn ihr danach mit einem etwas flauen Gefühl im Magen und Appetit auf ein großes, ambitioniertes J-RPG zurückgelassen werdet. Evil

Kommentare

Bisher hat dieser Artikel keine Kommentare. Sei der erste, der einen Kommentar veröffentlicht!
Gast
19. April 2024 um 06:58 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Ähnliche Artikel