Modern Warfare 3

(Artikel)
Haris Odobašic, 25. November 2011

Modern Warfare 3

Schon wieder die Russen? Och nö!

Die Russen sind die Bösen! Nachdem in Modern Warfare 2 so ein kranker US-General mal eben eine russische Invasion der USA provoziert hat, könnt ihr euch im neuesten Spross endgültig darauf konzentrieren, es Makarov und seinen Ultranationalisten heimzuzahlen. Oder eigentlich sind die meisten Russen gar nicht böse, der Präsident selber will ja den ganzen Krieg gar nicht, aber spätestens wenn ich den zweihundersten namenlosen, russischen Soldaten umgenietet habe, sind alle Versuche des Spiels, da etwas mehr als allersimpelste Schwarz/Weiß-Malerei zu betreiben, vergebens. Und überhaupt, die Story ist mal wieder verwirrend wie eh und je, weswegen das einzige, was ihr über Modern Warfare 3 wissen müsst, ist, dass Price cool ist. Und eure Mutter.

Anders kann ich es mir nicht erklären, wieso ihr im Spiel so oft an seinem Rockzipfel hängt. Okay, manchmal hängt ihr auch an Soaps Rockzipfel, der dann wohl entweder den Papa oder älteren Bruder verkörpern soll, aber diese Szenen -- im vierten Call of Duty noch genial umgesetzt in der atmosphärischen Pripyat-Mission, bei denen ihr als kleines Team durch bis ins letzte Detail durchgescriptete Level unterwegs seid -- erwarten euch auch in Modern Warfare 3 an jeder Ecke. Ständig werdet ihr herumkommandiert, dass ihr stehen bleiben sollt, um zu sehen wie cool Price einen Gegner im Nahkampf erledigen kann. Schießt auf Befehl Wachen in den Kopf. Duckt euch und kuschelt euch möglichst nah an ihn, um der Entdeckung zu entgehen. Und das so oft, bis ihr am liebsten wie jedes gute Kind in der Pubertät rebellieren würdet, um alles niederzuballern.

Doch auch diese Gelüste werden, selbstverständlich, in Modern Warfare bedient. Das Spiel setzt euch in regelmäßigen Abständen an Geschütze oder ersatzweise in Panzer oder das altbekannte AC-130 Gunship, mit dem meist einfachen Ziel, alles niederzumähen, was sich auch nur in entferntester Weise bewegt. Dabei fehlt zwar eine ordentliche Zerstörungsengine für den letzten Kick, aber trotzdem fühlt ihr euch übermächtig und schön explodieren tut es obendrauf auch.

Und zwischendrin erwartet euch die normale Routine. So gut wie immer kämpft ihr euch als Mitglied eines Teams durch Häuserschluchten -- beispielsweise in Prag, London oder Somalia, aber auch in Hamburg und Berlin -- mit dem gewohnten Call-of-Duty-Gameplay. Vielleicht habe ich den zweiten Teil nicht ausführlich genug gespielt, aber Unterschiede im Look-&-Feel konnte ich gar keine feststellen. Das Zielen geht locker von der Hand und ist präzise wie eh und je. Auch an der Steuerung wurde nicht mal minimal gefeilt.
Dazu erwartet euch wirklich alles, was die Serie bisher ausgemacht hat. Regelmäßig wechselnde Sichtpunkte auf die Geschichte, durch die mehreren Charaktere, zwischen denen ihr immer wieder die Kontrolle tauscht, spektakuläre Script-Momente in der Story und sogar die ja nun schon zum Standardrepertoire gehörende Kontroverse, die aber in diesem Jahr keine großen Wellen schlagen wird, finden sich wieder.

Auch das Level-Design ist wie gewohnt gelungen. Man muss den Entwicklern ein großes Lob dafür aussprechen, dass sie es schaffen in knapp zehn Meter breite Häuserschluchten eine Vielzahl von Wegen einzubauen, die das Maximum aus der für die heutigen Militärshooter übliche Schlaucherfahrung herausholen. Mal könnt ihr in eines der höheren Stockwerke eines Hauses marschieren, um die Gegner aus der Luft aufs Korn zu nehmen, manchmal führt euch eine Seitengasse hinter die feindlichen Linien zu einem Überraschungsangriff. Dabei verzichtet das Spiel darauf, anders als Battlefield 3, euch ständig auf diese Flankierungsmöglichkeiten hinzuweisen. Stattdessen ist es dem Spieler selbst überlassen, diese Wege zu entdecken, wodurch sich ein ungleich größeres Zufriedenheitsgefühl einstellt.

Und habt ihr erst mal eure Rolle im Kampf gegen die russische Invasionsmacht gespielt und seid endlich in der letzten Mission angelangt, geht es noch mal richtig ab. Gleich im Ladescreen könnte euch vor lauter Awesomeness der ein oder andere Fistpump entgleiten, ehe ihr in total übertriebener Art und Weise die Möglichkeit erhaltet, auf eurem Rachefeldzug alles niederzumetzeln, um schließlich in einem epischen Bosskampf das Spiel -- und damit auch die Modern-Warfare-Reihe -- auf sehr gelungene Art mit Makarov, Taskforce 141 und dem wohl markantesten Schnurrbart der Videospielgeschichte abzuschließen. Leider werdet ihr dieses Ende aber schon nach knapp fünf bis sechs Stunden sehen.

Nach dem erfolgreichen Durchspielen der Solo-Kampagne schleust euch das Spiel direkt in den Special-Ops-Modus, welches euch kooperatives Spielen auf zwei verschiedene Arten ermöglicht. Aus dem Vorgänger bekannt sind schon die den Kampagnenleveln ähnelnden Missionen, bei denen ihr alleine, besser aber zu zweit, versucht bestimmte Ziele zu erreichen. Die Missionen legen dabei wirklich wert auf den Ko-op-Aspekt und können auch CoD-Veteranen eine Herausforderung bieten.
Wer es lieber etwas ausdauernder mag, wagt sich an den neuen Survival-Modus, der das CoD-Äquivalent zum üblichen "Töte Wellen von Gegnern"-Spaß ist, der zum Standard in praktisch allen Shootern avancierte. Cool bei Modern Warfare 3 ist das integrierte Shop-System, mit dem ihr euch neue Waffen, Luftunterstützung und sogar KI-Kollegen kaufen könnt, um gegen die immer schwerer werdenden Wellen an Gegnern bestehen zu können. Und lasst euch eins sagen: wenn ihr bei Gears 3 die Ticker im Horde Mode schon nicht gemocht habt, die mit C4 bestückten Hunde aus MW3 werdet ihr hassen!
Wer sich für besonders cool hält, kann online sogar als Jason-Verschnitt rumlaufen

Und habt ihr euch auch an diesem Modus sattgesehen, bleibt nur noch die Kleinigkeit des normalen Multiplayer-Modus, um euch zu unterhalten. Auch hier könnte man auf den ersten Blick vermuten, dass sich nicht viel getan hat -- doch spätestens bei den Killstreaks wird man eines Besseren belehrt. Die Mechanik wurde grundlegend überarbeitet, heißt nun Strike Chain und hängt nicht mehr nur noch von Kills ab, sondern von den Punkten, die ihr sammelt. Außerdem habt ihr die Wahl zwischen drei Arten wie ihr eure Streak-Belohnungen freischaltet, Strike Packages genannt.

Traditionalisten können sich beim Assault Strike Package wie Zuhause fühlen: sie sammeln munter drauflos und ärgern sich, wenn sie kurz vor dem Erreichen der nächsten Belohnung sterben, weil sie dann wieder von vorne anfangen müssen. Dafür können sie aber starke Unterstützung zur Hilfe rufen, die in ihrer primären Form Schmerzen für die Konkurrenz bedeutet: Kampfheli, Luftschlag und Co. sind hier zu finden.
Wer schon ahnt, oft zu sterben, kann stattdessen das Support Strike Package wählen. Hier gibt es keinen fiesen Reset nach dem Tod und ihr habt die Wahl zwischen nützlichen Hilfsmitteln für euer Team wie den allseits beliebten EMP oder eine Luftabwehreinheit, die die Helikopter und Gunships eurer Feinde vernichtet.
Und für die, die sich ganz auf ihren Skill verlassen, gibt es die Specialist Strike Packages, die keinen technischen Schnick-Schnack bereitstellen, sondern zusätzliche Perks, die ihr frei wählen könnt. Wer mit diesem Strike Package richtig gut spielt, kann sogar freischalten, dass er ALLE im Spiel verfügbaren Perks (außer die Möglichkeit zwei Primärwaffen zu tragen, Overkill genannt) erhält. Aber der Spaß hält nur an, solange man lebt, bei einem Tod muss man von vorne sammeln und verliert die bisherigen Perks.

Auch wenn diese Überarbeitung der Kill Streaks es schafft, dem Spiel einen frischen Wind zu verpassen, und man dank des überarbeiteten Waffenfortschrittssystems zusätzlich motiviert wird dranzubleiben, kann all das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Call of Duty -- dafür, dass es ein Teamspiel ist -- überraschend untaktisch sein kann. Für richtiges Teamspiel muss man schon organisiert spielen, wer einfach so online zockt, wird nie im Leben daran denken, dass es auch Leute gibt, die Modern Warfare 3 taktisch angehen. Und trotz der Neuerungen kennt man das dann doch alles irgendwie schon.

Abschließend sollte jedoch noch positiv erwähnt werden, dass, obwohl Activision Weltmarktführer ist und sich die Call-of-Duty-Reihe so gut verkauft wie keine Spieleserie zuvor, man seitens des Publishers beharrlich darauf verzichtet, einen Online Pass einzuführen. Dafür, dass Activision in letzter Zeit extrem viel gescholten wurde, sollte dies nicht unerwähnt bleiben, dass hier eine offensichtliche und von der Zielgruppe zähneknirschend akzeptierte Möglichkeit, auf einfache Weise viel Geld zu verdienen, bisher ignoriert wurde.

Modern Warfare 3 zieht gegenüber Battlefield 3 klar den Kürzeren. Die Einzelspieler-Kampagne sticht zwar EAs Titel aus und der Multiplayer mit seinen Neuerungen kann zumindest ein bisschen von dem alten Feuer wiedererwecken, lässt aber insgesamt nicht darüber hinwegtäuschen, dass man nun zum dritten Mal Call of Duty 4 spielt ohne das Wichtigste: den Wow-Effekt. Eingefleischte CoDler werden sich nicht davon abbringen lassen auch diesen Winter bei Activision die Server unsicher zu machen, aber jeder, der auch nur geringste Zweifel hat, sollte Battlefield 3 die Chance geben. Um sich von Captain Price zu verabschieden, und das sollte man auf jeden Fall machen, reicht auch ein kurzer Abstecher in die Videothek. Evil

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08. November 2011
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