Fusion: Genesis

(Artikel)
Haris Odobašic, 21. November 2011

Fusion: Genesis

Ein gigantisches Weltraumabenteuer

Gerade eben habe ich noch die Galaxie von den religiösen Spinnern der Revenant Order gesäubert, nun stecke ich in einem Zimmer, in dem wohl ein Tornado durchgefegt ist und weiß nicht, wieviel Uhr es ist, geschweige denn, welcher Tag überhaupt geschrieben wird. Scheinbar sollte ich Call of Duty: Modern Warfare 3 oder so einen Käse spielen, aber zwischendrin bin ich dann bei Fusion: Genesis, dem ersten XBLA-Titel des aus Ex-Rare-Mitgliedern bestehenden 4-Mann-Teams der Starfire Studios, stecken geblieben.

Dass mich das Spiel so in seinen Bann ziehen konnte, liegt dabei primär an seinem Einzigartigkeit. Denn nur auf den ersten Blick könnte man Fusion: Genesis für einen stinknormalen Twin-Stick-Shooter halten, tieferes Bohren offenbaren eine komplexe Weltraumsimulation und sogar tiefgehende RPG-Elemente. Damit dieser ungewöhnliche Genre-Mix auch Platz hat sich zu entfalten, haben die Entwickler dabei nicht am Umfang gespart und packen in den 800 MS-Points kostenden Download ein riesiges Universum mit, laut offiziellen Angaben, 40 Stunden Spielzeit. Das ist eine Lüge: man könnte locker das Doppelte an Zeit dort verbringen ohne dass einem langweilig wird.

Das Spiel hat ein umfangreiches Angebot für Einzelspieler, indem ihr euch einer von fünf Fraktionen anschließen könnt und Missionen für diese erledigt. Zwischendurch könnt ihr aber auch wechseln, um in die Vorzüge jeder der Organisationen zu kommen -- und ihre einzigartigen Skills abzustauben, während ihr einer galaktischen Verschwörung auf die Spur kommt, in der eine rachsüchtige Alienrasse darauf pocht, das Universum einzunehmen und ihr durch euren Mentor der einzige Fähige seid, um sie aufzuhalten.
Nebenbei rüstet ihr euer Raumschiff mit neuen Waffen aus, steigt gleich auf ein neues Fluggefährt um, levelt euren Charakter und, was ziemlich nützlich ist, trainiert euren Sentient. Sentients sind roboterartige Begleiter, die ständig um euer Schiff herumschwirren und selbstständig agieren. Sie können Gegner angreifen, Asteroiden minen, Loot sammeln und die ein oder andere Spezialfähigkeit wirken. Und das Coole ist: ihr könnt mehr als nur einen dabei haben. So habe ich online schon Spieler gesehen, die alle ihre Waffenslots mit Sentients ausgestattet haben und deswegen mit bis zu vier Begleitern unterwegs waren. Diese Spieler konnten zwar nicht mehr selber feuern, aber ihre Sentients haben auch höchsteffektiv aus allen Feinden Weltraumschrott gemacht, und das ohne dass der Spieler bis auf ein paar Flugmanöver auch nur einen Finger krümmen musste.

Der zweite, massive Suchtfaktor findet sich in der Pseudo-MMOigkeit des Spiels: es wird nicht selten passieren, dass man gerade in einer Galaxie umherfliegt und plötzlich ein Ship mit Gamertag an euch vorbeirauscht. Ständig betreten und verlassen andere Spieler euer Universum, und wenn ihr wollt könnt ihr euch mit ihnen zusammenschließen. Das erlaubt euch einerseits die vielen Nebenmissionen gemeinsam zu erledigen -- Storymissionen muss man alleine spielen -- aber andererseits könnt ihr euch auch an die gelungene Multiplayer-Missionen wagen.
In der Warzone tritt man im Team entweder auf der Seite der Revenant Order oder des Dominions an, um das Mutterschiff der jeweils anderen Fraktion zu vernichten. Dabei hat man die Möglichkeit durch das Erobern von Stützpunkten Kriegskreuzer und kleinere Kampfflieger zur Unterstützung zu rufen.
Die zweite Art von Multiplayer-Mission heißt Legion Raid und schickt Welle um Welle von Schiffen der Dark Legion, die ihr aufhalten sollt, ehe sie eine Raumstation zerstören können. Abschließend gibt es für Leute, die alle Storymissionen abgeschlossen haben, die Möglichkeit, Ark Raids zu spielen. Hier durchquert ihr eine Art Dungeon, in dem starke Feinde auf euch warten -- mit noch stärkerem Loot, das ihr nutzen könnt, um euer Schiff aufzubessern.

Besonders auffallend ist die Detailverliebtheit. Die Schiffe sind hochdetailliert, handgezeichnete Porträts bringen euch eure Gesprächspartner näher und die Waffeneffekte können sich sehen lassen. Zusätzlich sind die Dialoge nicht nur gut geschrieben, sondern offenbaren auch reihenweise Anspielungen. Da wird dann auch mal ein Star-Wars-Zitat zweckentfremdet. Doch auch im Design wird so manche Homage erkennbar, die großen Kriegskreuzer der Dark Legion erinnern beispielsweise von ihrem Aussehen an die Shadows aus der 90er-Jahre-Sci-Fi-Serie Babylon 5.

Manchmal wünscht man sich jedoch, dass das Spiel einen nicht so erschlagen würde mit Optionen. Viele Aspekte des Spiels sind nicht wirklich selbsterklärend und werden weder im Tutorial angesprochen, noch gibt es eine umfassende Hilfsfunktion, die Licht ins Dunkel bringen könnte. Einer dieser Problemfälle ist das Leveln eurer Sentients: ihr baut Asteroiden ab, um Kristalle freizugeben, die ihr wiederum an eure Sentients verfüttert. Das kann man vom Spiel sogar automatisch erledigen lassen und braucht sich nicht weiter darum kümmern. Denkt man zumindest, bis man irgendwann zufällig herausfindet, dass das Menü für eure Sentients noch eine weitere Seite hat, in der ganz andere Stats verwaltet werden. Diese kann man nur manuell aufbessern, indem man ihnen schwarze Kristalle gibt, die man auch erst mal in Kombination mit den anderen Farben erstellen muss.

Besitzer eines Handys mit Microsofts Windows-Phone-7-Betriebssystem können sich zusätzlich an einer Art Kompagnon-Spiel namens Fusion: Sentient erfreuen. Das ist, ganz anders als sein Konsolenbruder, ein Echtzeitstrategietitel, in dem ihr eine Gruppe von Sentients durch unterschiedliche Missionen schleust. Der große Clou findet sich aber in der Konnektivität dieser zwei Spiele: Sentients, die im Windows-Phone-Spiel gelevelt wurden, können auf die Konsole übertragen werden. Einerseits zum Selbstgebrauch, andererseits aber auch, um sie im Auktionshaus an andere Spieler zu verkaufen. Gerade die selteneren Sentients, die einem auf der Konsole nur ungern begegnen, tauchen in der mobilen Variante öfter auf. So profitiert man als Spieler von Fusion: Sentient gleich doppelt, hat man doch einen stärkeren Begleiter für sein Schiff und kann gleichzeitig viel Geld machen, da natürlich jeder besonders seltene Sentients haben will.
Fusion: Sentient für Windows Phone 7

Fusion: Genesis ist ein ambitioniertes Projekt, das zu den umfangreichsten und aufwändigsten Xbox-Live-Arcade-Produktionen zählt. Die schiere Menge an Informationen, die Möglichkeit Pilot, Sentients und Schiffe detailliert anzupassen und dutzende, wenn nicht sogar hunderte von Nebenmissionen -- all dies könnte den ein oder anderen abschrecken. Doch wenn man sich auf Fusion: Genesis einlässt, kann es sehr gut passieren, dass man wie durch ein schwarzes Loch gesogen irgendwann verwirrt aus der Spieltrance aufwacht, ohne sicher zu sein, wo man ist und welches Jahr gerade geschrieben wird, aber mit dem Wissen, dass man den Weltraum ordentlich unsicher gemacht hat. Das Einzige, was an Fusion: Genesis wirklich schade ist, ist die Tatsache, dass es gesandwiched zwischen Spielen wie Skyrim, Modern Warfare 3 und Co. released wurde, anstelle im Summer of Arcade, wo das Spiel sich qualitativ pudelwohl gefühlt hätte. Evil

Kommentare

Haris
22. November 2011 um 04:11 Uhr (#1)
Der wirklich fantastische Soundtrack von Steve Burke kann außerdem hier kostenlos heruntergeladen werden: http://www.steveburkemusic.com/FusionGenesis/Fusion_Genesis_Soundtrack.zip
Gast
18. April 2024 um 21:13 Uhr
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