Gears of War 3

(Artikel)
Benjamin Strobel, 20. Oktober 2011

Gears of War 3

Auf der Suche nach Vadder Fenix

Vielleicht habt ihr euch schon gewundert, warum ich bisher nur über den Multiplayer-Modus von Gears of War 3 geschrieben habe. Das werde ich hiermit ändern. Doch hatte es einen wichtigen Grund: Das Gears of War 3-Erlebnis ist nicht als Gesamtpaket in einem einzelnen Artikel zu fassen. Während wir im DPad-Squad die Kampagne durchgesuchtet haben, nutzte ich die Pausen und füllte sie mit Multiplayer-Gameplay. Ich habe mich also von Gears 3 mit noch mehr Gears of War 3 erholt. Es war eine Wonne!

Eigentlich hatte Haris Dibs auf diesen Artikel. Aber wisst ihr, was in diesem Business mehr zählt als Dibs? Erster sein.
Fairerweise muss ich aber gestehen, dass mein Multiplayer-Artikel im Grunde genommen unvollständig ist. Denn der massive Koop-Anteil von Gears of War 3 lässt die Mehrspieler-Erfahrung direkt in die Kampagne einfließen. Gears ist keine Spielereihe, die man jemals allein spielt. Ist euch aufgefallen, dass Epic Games von Anfang an nicht von einem Singleplayer sprachen? Man spielt den Kampagnen-Modus einfach nicht allein. Es macht keinen Spaß und keinen Sinn und sowieso - man tut es nicht. Er besitzt eine inhärente Sinnhaftigkeit, einen Weg, eine Bestimmung. Er ist auf eine spezielle Weise gemeint. Epic Games sagen: Macht etwas gemeinsam, ladet Freunde auf eure Zockercouch ein und spielt dieses Spiel als Team!

Neu im Team: Anya (links), ehemals nur Stimme in Marcus' Ohr.

Bevor ich in meinem theatralisch-philosophischen Hype um Gears 3 versinke, komme ich mal zum Handfesten. Die Kampagne von Gears of War 3 besitzt fünf Akte, zahlreiche Unterkapitel und ein paar unliebsame Längen. In acht bis zehn Stunden kann man hier durchmaschieren, aber höhere Schwierigkeitsgrade fordern mehr Tode und damit ein paar Restarts, die Zeit kosten. Nachdem mir Gears 2 im Vergleich zum ersten Teil viel leichter vorkam, finde ich den dritten Ableger wieder etwas schwerer. Was definitiv etwas Gutes ist! Zudem ist mir aufgefallen, dass die Checkpoints nicht unfair, aber schon etwas rarer gesetzt wurden. Das Drop-in und -out funktioniert zudem tadellos: Bis zu zwei Spieler können an einer Konsole spielen, während per Systemlink und Xbox Live insgesamt vier Spieler zusammenkommen dürfen, um sich kooperativ zu engagieren. Tritt man Spielen von Freunden oder öffentlichen Spielen im Netz bei, so gibt das Spiel die Kontrolle über die KI an den jeweiligen Spieler frei. Andersherum, werden die ehemaligen Kameraden beim Verlassen des Spiels sofort vom Computer weitergesteuert. Besser könnte es nicht laufen!

Haris wurde während unserer Gears-Session leider von einem wiederkehrenden Bug verfolgt: Die Kamera bekam ein Eigenleben und ließ sich nicht mehr kontrollieren. Kurzes Verlassen und mühelose Rückkehr ins Spiel schafften hier aber Abhilfe.
Über den Standard-Modus hinweg gibt es auch die Arcade-Kampagne. An der Story ändert sich nichts, aber es spielen einige Zusätze mit rein: Es lassen sich so genannte Mutators aktivieren, die man sehr gut mit den Schädeln aus Halo vergleichen kann. Auch dort gab es die Möglichkeit, in der Kampagne eine Punktewertung einzuschalten - genau das macht auch der Arcade-Modus. Nach jedem Level gibt es ein Scoring mit Rangliste der teilnehmenden Spieler. Wie für alles bei Gears of War 3 werden für gute (und für einige schlechte) Leistungen Abzeichen und Medaillen vergeben. Diese wiederum geben zusätzliche Erfahrungspunkte und leveln das persönliche Gears 3-Profil. Zur Belohnung gibt es nicht nur eine Reihe von Achievements, sondern auch Freischaltungen im Spiel: neue Multiplayer-Charaktere, Waffenskins und so weiter. Es ist wirklich sehr schön, dass man auch hier, wie bei Halo Reach, an ein globales Profil gedacht hat, das seine Abzeichen und Erfahrungspunkte über alle Modi hinweg sammelt. Das ergibt ein ganzheitliches Spielerlebnis und motiviert über die zahlreichen Modi hinweg, immer nochmal weiterzuspielen.

Achtung bei Savegame-Migration: Als ich meine Spielstände von einer 360 auf eine andere übertrug, wurden sie mir als corrupt angezeigt. Dies passiert immer dann, wenn die Spieldaten von unterschiedlichen Vesionen stammen, also wenn man den aktuellen Patch nicht installiert hat. Haltet euer Spiel immer up to date!
Wer, wie viele deutsche Spieler, hiermit zum ersten Mal einen Gears-Titel eingekauft hat, wird dankbar zum Intro-Video greifen können, das man optional im Menü anwählen kann. Aber auch für eingesessene Spieler ist es interessant und dezent genug, sodass man sich gerne auch wundern darf, warum es nicht es nicht per Default vor dem Prolog eingespielt wird. Im Gegensatz zu dem cineastischen Ashes to Ashes-Trailer sind auch in Gears 3 wieder alle Zwischensequenzen in grandioser Ingame-Grafik echtzeitlich gerendert. Gemeinsamkeit zum Trailer: die Inszenierungen sind großartig und jeder einzelne (Original-)Sprecher verdient ein Abzeichen für seine besonderen Leistungen. Die Sprüche sind wie immer gelungen, wenn auch teils etwas cheesy. Unterm Strich fehlt mir aber schon der regelmäßige Comic-Relief, der in Vorgängern mit perfektem Timing immer genau dann einsetzte, wenn es angebracht war.

Insgesamt hat sich das Setting von Gears of War in diesem Teil stark verändert. Der Krieg ist vorbei und die Zeiten, in denen man noch das Versinken ganzer Städte verhindern musste, stauben langsam ein. Gears 3 legt dafür größeren Wert auf seine Charaktere, ihre Motive und ihre Vergangenheit. Insbesondere für Cole und Dom kommt es zu einigen Schlüsselmomenten, die ich hier natürlich nicht spoilern werde. Die Kerngeschichte dreht sich um Marcus und seinen Vater. Irgendwie ist der noch irgendwo und will wiedergefunden werden, außerdem ist er ja Wissenschaftler und muss noch wichtigen Stuff zum Wohle der Menschheit erleidigen. Also machen sich die Gears auf den Weg, Vadder Fenix zu finden (im Vergleich zur üblichen Weltrettung wirkt das leider etwas... belanglos). Ich kann und muss zugeben, dass die Charakter-Darstellung auch hier nicht die erhoffte Tiefe erreicht, die ich mir gewünscht habe. Schon im Vorgänger schlug man diesen Weg leicht verunsichert ein und führte ihn nicht ganz zu Ende. Genau dieses Problem hat sich aus meiner Sicht auch in den dritten Teil geschleppt. Zudem kommt eine kleine Enttäuschung noch obendrauf: Die hohe Latte von Over-the-Top-Awesomeness aus Gears of War 2 wird hier an keiner Stelle übersprungen. Man hat es nicht mal versucht! Die Geschichte von Gears 3 plätschert so dahin. Manchmal ist weniger einfach nur weniger.


Diese kleinen Design-Mängel werfen allerdings nur spärliche Schatten über grandioses Gameplay. Es gibt zwar weniger außergewöhnliche Passagen, wie das Reiten eines Brumak oder die Erkundung eines gigantischen Wurms von innen. Der Standard wurde dafür nochmal ordentlich angehoben und bietet mit Sicherheit das beste Gears-Gameplay der Reihe. Insbesondere das Leveldesign hat in meinen Augen weitere Fortschritte gemacht. Man kämpft auf einem Schiff, einer verlassenen Stadt und einer strahlend grünen Insel. Allein optisch ist das ein deutlicher Schritt aus dem Ursprungsgrau in eine Welt der visuellen Abwechslung. Die deckungsgespickten Umgebungen von Gears sind dieses mal noch intelligenter konstruiert, bieten häufig die Möglichkeit, zu flankieren und sinnvoll im Team anzugreifen. Und wieder einmal ist nichts wichtiger, als auf seine Kollegen zu achten und vor allem anderen, niedergeschossene Freunde zu retten, noch bevor man sich um die Feinde kümmert.

Einmal mehr gilt: Freund vor Feind! Zusammenbleiben, aufeinander aufpassen, Kollegen retten!
Eine subtile, aber sehr nützliche Neuerung ist das Spotting. Per Klick auf den linken Stick kann man anvisierte Feinde, Munition oder Waffen markieren und damit für das ganze Team sichtbar machen. Auch für den seltenen Fall, dass man nicht per Sprachchat oder im selben Raum kommuniziert, bietet das eine wichtige Möglichkeit, seinem Team zu helfen und auf entscheidende Dinge im Spiel aufmerksam zu machen. Dass man Türen nur zu zweit öffnen kann, ist ein vergleichsweise lasches Ko-Op-Gameplay, das schon bei Army of Two langweilig war. Glücklicherweise transzendieren die übrigen Mechaniken diesen alten Knochen der Ko-Op-Spielgeschichte bei Weitem.


Auch das Balancing der Waffen scheint diesmal umso besser gelungen zu sein. Der Standard sind jetzt ein Maschinengewehr und dazu eine Schrotflinte. Unter den Gewehren gibt es drei zur Auswahl (neu darunter der Retro Lancer mit klassischem Bayonett) und zwei verschiedene Schrotflinten (hier neu: die Sawed-Off Shotgun. Nur ein Schuss pro Magazin, aber unheimlich wummig). Unter den Spezialwaffen gibt es ebenfalls ein paar Neuzugänge. Das wohl auffälligste Eisen nennt sich Digger und veschießt fiese Mienen durch den Untergrund, die im Anschluss zu Füßen der Feinde aus der Erde schießen und ihre Gesichter wegsprengen. Munitionskisten füllen aber nur Ammo für die Standardwaffen auf. Entleerte Spezialwaffen, wie auch der Boomshot oder das Longshot-Sniper, können also getrost weggeworfen und gegen andere Waffen ausgetauscht werden. Im Gegenzug liegen auch mehr dieser Waffen herrenlos in dunklen Ecken herum. Sie müssen also nicht immer den Händen der Feinde entrissen werden.

Apropos tote Feinde. Wie schon in den Vorgängern der Gears-Reihe lassen sich die Spießgesellen per Execution auf fieseste Weise ins KI-Jenseits befördern. Diesmal gibt es verschiedene Hinrichtungen in Abhängigkeit der ausgerüsteten Waffe. Hat man beispielsweise den Scorcher (= Flammenwerfer) ausgerüstet, so wird hier die Waffe in den Feind gesteckt, abgedrückt und von innen nach außen gut durchgeröstet, bis die Flammen zu den Ohren und der Nase wieder herauskommen. Klingt auf diese Weise sogar irgendwie lustig. Aber überlegt mal. Da wird lebenden Feinden ein Flammenwerfer ins Fleisch gestoßen und dann werden sie bei lebendigem Leibe verbrannt. Hallo, USK? Ich finde es sehr interessant, dass Gears of War mit solchen Mechaniken und Bildern an der Zensur und dem Index vorbeischrammeln konnte. Wird die Behörde auf ihre alten Tage etwa noch lasch?


Zum Schluss noch eine positive Aussparung: Es gibt kaum noch Passagen, bei denen man sich aufteilen muss. Und wenn, dann sind sie recht kurz und man ist schnell wieder beinander. Irgendwie hatten mir diese Stellen schon vorher nie so wahnsinnig gut gefallen und sie wirkten eher aufgesetzt. Der besser pointierte Einsatz der Teamsplittung kommt mir also sehr entgegen. Hier vermisse ich also nichts!

Mir fehlt zwar die übertriebene Action des zweiten Teils, es bleibt aber ein Wehrmutströpflein auf den heißesten Koop-Stein des Jahres! Gears bringt alles mit, was man von einem kooperativen Shooter ewarten kann: Teamplay, grandioses Leveldesign und Ansporn zum Wiederspielen. Ob Fans der ersten Stunde oder Gears-Neulinge, holt euch dieses Spiel! Nex

Kommentare

Rian
20. Oktober 2011 um 20:55 Uhr (#1)
Hah, von wegen Ko-Op-Spiel des Jahres! EDF: Insect Armageddon all the way, bitch! Aber ja, Gears 3 ist gut.
Damien
22. Oktober 2011 um 23:21 Uhr (#2)
Ich habe die Kampagne zusammen mit 3 Kollegen in einem Raum und 4 Screens > 40" gespielt. Im co-op macht das Spiel echt viel Spaß, allerdings wurde es ab der zweiten Hälfte etwas eintönig.
Auch auf die Gefahr hin, gelyncht zu werden, aber RE5 hatte für mich im co-op einfach mehr Spannung zu bieten und war auch taktisch wesentlich abwechslungsreicher.
Rian
23. Oktober 2011 um 15:12 Uhr (#3)
Da wirst du nicht gelyncht. :D Spiele wie Resident Evil 5 sind wesentlich mehr auf "echtes" Zusammenspiel geeicht. Bei Gears 3, auch wenn man sich doch auf Hard ein bisschen absprechen muss, fühlt es sich zum Großteil immer noch an wie "Jeder macht, was er will und belebt ab und zu andere wieder"
Ben
23. Oktober 2011 um 21:26 Uhr (#4)
Ich finde das eigentlich nicht, da man Gears unmöglich spielen kann ohne sich abzusprechen. Der nötige Team-Anteil findet, so würde ich sagen, auch viel außerhalb der Spielmechaniken statt, wird aber doch vom Spiel gefordert: Alleingänge wie Vorlaufen wurde permanent bestraft, sodass wir in der Gruppe immer wieder verbieten mussten, dass sich einer löst und vorrennt.
Rian
24. Oktober 2011 um 00:58 Uhr (#5)
Ach was, unser Absprechen beruhte auf "Lauft nicht so weit vor!" und "Ich brauche Munition für diese und jene Waffe!" xD
Jozu
24. Oktober 2011 um 20:26 Uhr (#6)
"Evil! Nicht die ganze Zeit sägen! Die rapen dich!"
Rian
24. Oktober 2011 um 20:37 Uhr (#7)
"Nein, ich rape die! Haha! Ha--Oh. Oh! OH! Ich werde geraped! Zu Hilfe, zu Hilfe!"
Ben
07. Dezember 2011 um 18:07 Uhr (#8)
Mir jucken die Finger nach einer neuen Runde Gears 3 =D
Gast
25. April 2024 um 12:29 Uhr
GASTNAME
E-MAIL (nicht öffentlich)
      
SICHERHEITSFRAGE
Mit wie vielen "d" schreibt sich "dailydpad"?
ANTWORT

Themen

Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

Gefällt dir unser Artikel?

Spiele des Artikels

RELEASE
20. September 2011
PLATTFORM
Xbox 360
Plattform

Ähnliche Artikel