The Beatles: Rock Band

(Artikel)
Christian Steiner, 13. November 2009

The Beatles: Rock Band

Und alle so: "All you need is love!"

Musik-Spiele haben einen langen Weg hinter sich. Nach den anfänglich irritierten Blicken der Mitmenschen, dass man sich nun eine Plastik-Gitarre umschnallt und zum Gitarren-Helden mutiert, ging es steil bergauf. Bis zuletzt in einer eigenen South-Park-Folge dem Wahnsinn gehuldigt wurde, Heidi Klum der Werbung für Guitar Hero ein bisschen mehr als ihr Gesicht lieh und die Spieleranzahl zu einer ganzen Band aufgestockt wurde. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung bietet zweifelsfrei der neueste Spross der Rock Band-Serie.

Ich habe diese Entwicklung des Genres schon früh beobachtet und war sofort begeistert. Damals noch den ersten Guitar Hero-Teil auf der PS2 importiert und trotz der etwas lausigen Cover-Songs meinen Spaß gehabt. Den Moment, in dem ich das erste Mal die Gitarre nach oben riss, um den Punkte-Multiplikator auszulösen, werde ich ebenso wenig vergessen wie die erste Runde mit der eigenen Rock Band. Doch zuletzt machten mich die ganzen Hero-Teile und der Hardware-Wahnsinn stutzig. Hat das Plastik-Instrumente-Business seine besten Tage hinter sich? Wie viele Teile des immer gleichen Spiels samt wenig innovativer neuer Hardware sollen wir uns als Spieler noch in die zu kleinen Kämmerlein stellen? Woher das Geld und wohin mit dem ganzen Plastik?

Natürlich darf man sich erneut Plastik-Instrumente kaufen - den Originalen der Beatles nachgebildet versteht sich.

Sind wir mal ehrlich, dann ist es mit der Innovation schon lange vorbei. Es gab immer mal wieder nette Kleinigkeiten wie die Möglichkeit neue Songs per DLC zu kaufen, aber die eigentliche Innovation ist doch das Genre selbst bzw. der Schritt vom Einzelhelden zur eigenen Band. Dies wird auch den Entwicklern selbst nicht entgangen sein. Statt also Schritte nach vorn macht man Schritte zur Seite und widmet sich in den neuen Iterationen lieber einer einzigen Band. Guitar Hero Metallica machte es vor und der neueste Spross aus dem Hause Harmonix macht es nach.
Man ließ sich nicht lumpen und spielte gleich den wohl größten Trumpf der Musikgeschichte aus. Die Beatles sind nach rund 30 Jahren wieder auf Tournee und zwar im heimischen Wohnzimmer. Dass wir dieses Spiel überhaupt in den Händen halten dürfen, gleicht einem mittelschweren Wunder. Die Beatles sind ein riesiges Franchise, eine Marke, um die sich heute noch unzählige Rechte und Lizenzen scharen. Onkel Paul und Ringo sind nämlich, was ihre alten Stücke angeht, gar nicht lässig drauf. Schon seit Jahren warten Fans auf die Möglichkeiten die alten Werke als Download aus dem Store ihres Vertrauens zu bekommen oder werden Mashup-Projekte kaputt geklagt. Die Pilzköpfe sind immer noch eine Goldgrube, schon allein deshalb muss die Arbeit für Harmonix eine Menge Energie und noch mehr Geld gekostet haben. Doch hält das Spiel diesem gewaltigem Druck stand?

Ebenfalls neu ist die Möglichkeit in Harmonien gemeinsam zu singen.

Wer jemals Hand an eine Plastik-Gitarre gelegt hat wird wissen, worum es bei The Beatles: Rock Band geht. Hier ist alles vorhanden, was wir in den vergangenen Teilen der Serie so lieben gelernt haben. Egal ob Gitarre, Bass, Gesang oder Drums, jeder findet seinen favorisierten Part in der Band. Heimliches Herzstück (oder eher offenes Geheimnis) war schon immer der Multiplayer-Part. Auch dieses Mal ist es möglich eine schnelle Runde einzuschieben und einfach Spaß zu haben, sowie in verschiedeen Duell-Varianten nach Punkten und Anerkennung zu kämpfen. Ebenfalls wieder mit von der Partie ist der „No Fail-Mode“, so dass auch der ungeübteste Nachwuchs-Ringo die anderen Bandmitglieder nicht um ihren Spaß bringt. Gerade weil die Beatles mit ihrer zeitlosen Pop-Musik eine viel breitere Basis an Spielern anspricht, ist dieser Modus eine willkommene Ergänzung, die hoffentlich als neuer Standard in das Genre Einzug hält. Ebenfalls löblich ist, dass bereits zu Beginn alle Songs freigeschaltet sind und somit einer schnellen Runde zwischendurch nichts im Wege steht.
Die meiste Zeit habe ich allerdings im Story-Modus verbracht, der sich ebenfalls kooperativ gestalten lässt. Zum ersten Mal in einem Musik-Spiel hat mich dieser begeistern und fesseln können. Hier trumpft Harmonix mit einer gehörigen Portion Können und noch mehr Liebe auf. Das Gespür für den Stil der ersten Boy Band und ihre Zeit lässt sich perfekt am Intro des Spiel ablesen.

In den acht wichtigsten Etappen der Karriere der Beatles wird Halt gemacht. Vor jedem Abschnitt steht ein wunderschönes Intro im Diorama-Stil, der einen Überblick über die 60er Jahre der Beatles gibt. Über den Cavern-Club, zur Ed Sullivan-Show bis zu den Aufnahmen in den legendären Abbey Road-Studios und dem Höhepunkt auf dem Dach des Apple Corps.-Plattenlabels vermittelt das Spiel in jeder Sekunde, was es heißt die Popstars einer ganzen Generation zu sein. Ebenfalls motivierend sind umfangreiche Boni und Kleinigkeiten für Fans und Interessierte der Band. Mit jeder Verbesserung der Bewertungen lassen sich neue Fotos und Trivia freischalten, nach jeder Etappe wird ein Challenge-Modus zugänglich, in dem die Songs am Stück gespielt werden wollen. Gelegentlich trumpft das Spiel dann mit kleinen Raritäten auf, beispielsweise zeitgenössischen Geschenken für Mitgleider des Beatles-Fanclubs oder Interviews mit den Bandmitgliedern. Dieses gesamte Paket aus stilsicherem Auftreten, Belohnungen für jeden kleinen Schritt sowie den natürlich grandiosen Stücken machen Spaß und motivieren weiter. Leider hält der Spaß nicht allzu lange vor: nach den 45 Stücken, dem Abspann und einer kleinen Zugabe ist dann auch schon Schluss. Vermutlich aus dem angesprochenen lizenzbedingtem Rattenschwanz an Kosten gestaltet sich die Anzahl der Tracks so gering. Einen Blick auf den bereits angekündigten und teilweise erhältlichen DLC stimmt den Geldbeutel leider etwas traurig, doch das Spielerherz froh. Wichtig zu wissen ist dabei allerdings, dass die Beatles sich nicht mit den anderen Inkarnationen von Rock Bands vertragen und andersherum. Der DLC sowie die Tracks auf der Disc bleiben dort, wo sie sind. Das kann man natürlich kritisieren, ist wohl aber ebenfalls der Lizenzen geschuldet.

Spätestens wenn die "Dreamscapes" einen unter Wasser führen ist die Ablenkung perfekt.

Der Spielaublauf selbst gestaltet sich wie in jedem Rock Band gekonnt und routiniert. Bereits gewonnene Schlagzeug- und Gitarren-Skills lassen sich problemlos auf die Beatles übertragen. Allerdings irritiert der stark schwankende Schwierigkeitsgrad gelegentlich - statt einer langsam steigenden Lernkurve gibt es eine wilde Achterbahn aus einfachen und schwierigen Stücken. Erschwerend hinzu kommt, dass so viel Wert auf das Geschehen der Beatles gelegt wurde, dass die im Hintergrund der Noten laufenden Performances der vier Teenie-Idole ablenken können. Erneut zeigt Harmonix mit wie viel Liebe die einzelnen Locations nachgebaut wurden, teilweise bricht ein Effektfeuerwerk über den Spieler ein, dass man am liebsten die Sticks zur Seite legen würde und dem Geschehen einfach nur zuschauen möchte. Leider wurde es verpasst dem Spieler eben diese Möglichkeit zu geben. Einen selbst ablaufenden Theater-Modus oder Ähnliches sucht man vergebens. Gerade weil das Spiel ein so großer Hingucker ist, schmerzt dieser Umstand besonders. Als Hintergrundbeschallung wären die wunderschön inszenierten Auftritte der Beatles nämlich eine nette Ergänzung zur Party, wenn diese ein paar Runden pausieren möchte. Ein schnelles Ein- und Aussteigen sucht man ebenfalls vergeblich.

Ist Harmonix also nun der große Wurf gelungen? Absolut! Mit The Beatles Rock Band ist das Genre der Plastik-Rocker auf seinem erneuten Höhepunkt angelangt. Der Schritt zur Seite, statt nach vorn hat dem Spiel sehr gut getan. Statt verkrampft nach Innovation zu suchen, konzentrierte man sich auf das Wesentliche: Das Spiel sieht wunderschön aus, spielt sich grandios wie immer und überzeugt mit einem Abriss durch die Beatles-Diskographie eine breite Basis von potentiellen Spielern. Jeder findet den einen oder anderen Song zum Nach- und Mitspielen, so dass der Unterhaltungswert für alle garantiert ist, die zumindest wissen, dass es da mal so eine britische Band in den 60ern gab. Man muss kein Beatles-Fan sein, um das Spiel genießen zu können, man wird aber garantiert mit einem großen Lächeln im Gesicht und einigen Ohrwürmern die Instrumente zur Seite legen. Christian

Kommentare

Kristin
13. November 2009 um 00:28 Uhr (#1)
Tja, man muss sich immer wieder was Neues einfallen lassen. Ich sag nur: DJ.Hero...
Ben
13. November 2009 um 00:32 Uhr (#2)
Vor allem Band Hero für den DS finde ich dann schon wieder nicht mehr sinnvoll.

Aber die Beatles auf dem großen Rockband? Gerne!
Lostelei
13. November 2009 um 18:16 Uhr (#3)
Agreed. Am DS wird dieses ganze Spielsystem riskant. Guitar Hero am DS mit dieser seltsamen Peripherie kann man ja schon bestenfalls als weird bezeichnen, aber wenn es dann noch daran geht, dass es multiplayer tauglich sein soll, ist das mit einem Handheld einfach nicht mehr gut zu realisieren. Scheint mir zumindest schwer vorstellbar ein Nintendo DS Spiel als Party Game mit 3 Leuten zu spielen.
Nicht ohne dass es wie ne Sad Nerd Party wirkt, jedenfalls.
Rian
13. November 2009 um 19:25 Uhr (#4)
Rock Band für iPhone finde ich da aber doch schon wieder witzig. Wenn man nicht unbedingt gerade beobachtet wird. Aber wann findet man schon vier iPhone- respektive iPod Touch-Nutzer auf einem Haufen?
Undead
16. November 2009 um 22:28 Uhr (#5)
Hatte nicht drauf geachtet, aber wer zum Teufel ist izanagi?!
Rian
16. November 2009 um 23:37 Uhr (#6)
Schön, dass du fragst! izanagi (oder von uns auch Mister Nagi genannt) ist ein Freund von uns und hat sich dazu entschlossen, ab und an Gastartikel zu schreiben. Und das macht er ziemlich gut, finde ich.
Gast
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