S.T.A.L.K.E.R. Retrospektive (3)

(Artikel)
Daniel Fink, 04. Februar 2017

S.T.A.L.K.E.R. Retrospektive (3)

Part 3: Clear Sky

Nachdem wir nun die erste Expedition in die Zone in Shadow of Chernobyl überstanden haben, ist es nun an der Zeit, ein zweites Mal in das ultimative Gefahrengebiet einzutauchen. Shadow of Chernobyl war ein Spiel, welches vieles richtig gemacht hat, aber trotzdem einige Probleme hatte. Man denkt sich also, dass nach dem ersten Titel die Entwickler genug experimentiert hätten und nun in der Lage seien, ein starkes Spiel auf die Beine zu stellen. Sie sind vertraut mit ihrer Engine und sie wissen genau, was ihre Fans wollen. Was kann schon schief laufen? Theh, schön der Reihe nach!

Dieser Beitrag wurde erstmals am 2.11.2012 veröffentlicht.

Zeitlich gesehen siedelt sich S.T.A.L.K.E.R. - Clear Sky ein Jahr vor den Ereignissen von Shadow of Chernobyl an und ist somit ein Prequel. Dieses Mal schlüpfen wir in die Schuhe des Söldners Scar, der seine Moneten mit verschiedenen Aufträgen in der Zone verdient. Bei einer Eskorte von mehreren Wissenschaftlern zum Zentrum des Sperrgebietes wird die Gruppe von einem unerwartetem Blowout überrollt - einer riesigen Emission von Kraft, die sich innerhalb der Zone ansammelt. Normalerweise ist ein Blowout ein Todesgarant, jedoch überlebt unser Held auf wundersame Weise.

Er wird von den Mitgliedern der Fraktion Clear Sky bewusstlos aufgefunden und in ihre Basis gebracht, wo er später über sein Glück informiert wird. Ein Nachteil besteht jedoch: Die Emission verursachte schwerwiegende Schäden an dem Nervensystem von Scar und eine weitere würde er nicht er überleben. Bald erfährt Scar auch den Grund für die unvorhersehbaren Blowouts: der Stalker Strelok. Seine Expeditionen zum Zentrum verursachen dieses verheerende Phänomen, das einen Schutzmechanismus der Zone darstellt. Deshalb entschließt sich Scar Strelok zu finden und zu töten.

Nun, die Story ist in Clear Sky, so wie auch in Shadow of Chernobyl, kein Stärkepunkt, jedoch störte das im vorherigen Spiel auch nicht, denn es ist klar, dass der Fokus nicht auf der Story liegt. Gameplaymäßig gab es vielversprechende Veränderungen. Die interessantesten wären: Artefakte suchen, Fraktionskriege und Waffen- sowie Anzugupgrades.

Artefaktsuche

Wie im letzten Spiel nehmen auch in Clear Sky Artefakte eine wichtige Rolle ein. Was sich nun verändert hat, ist, dass die Artefakte nicht mehr einfach so auf dem Boden liegen und man jetzt extra ein Gerät braucht, um diese Kleinode zu orten. Es gibt verschiedene Arten von jenen Detektoren, manche piepen schneller, je näher man an ein Artefakt ran kommt, andere hingegen zeigen die Richtung an oder konkret die Position des Artefaktes auf einer Karte. Die Einführung dieser äußerst nützlichen Geräte verbesserte die Stalker-Erfahrung ungemein, da es nun auch komplexere Anomalie-Cluster gibt, die schwer zu navigieren sind. Das gestaltet die Artefaktjagd äußerst spannend.

Das Feature, welches Clear Sky auszeichnen sollte, wären natürlich die Fraktionskriege. Wer würde nicht gerne seiner Lieblingsgruppierung die Herrschaft über die Zone verschaffen? Jede Fraktion könnte sich theoretisch auf jedes Gebiet ausbreiten und es ist sogar möglich ganze Fraktionen komplett auszulöschen. Das klingt ja wirklich toll, aber wie funktioniert es in der Praxis?

Wir fangen in den Sümpfen an. Eine riesige Map, die uns extrem viel Freiraum bietet. Der ganze Sinn dieses Areals ist es dem Spieler eine riesige Sandbox zu geben, in der er sich einfach austoben darf. Töten, looten und Stützpunkte einnehmen - was wünscht man sich mehr? Auch das A-Life ist in diesem Gebiet am besten zu beobachten: Schießereien zwischen Stalkern und Mutantenangriffe sind an der Tagesordnung und auch das Sumpfmonster ist da, um dem Spieler das Leben zu vermiesen, denn was ist schöner als ein Monster, welches aus dem Schilf springt, euch das Blut aussaugt und dann eure blutleere Leiche zu Boden schmeißt? Richtig: Nichts!

Bloodsucker

Sobald die Fraktionskriege beginnen, fangen die Probleme an. Denn ihr müsst wissen, dass die NPCs nicht davor zurückschrecken euch um Hilfe zu bitten. Jeder Hilferuf wird automatisch im Questlog als eine neue Quest aufgeführt, was durchaus ganz nett ist. Leider wird dem Spiel in diesem Szenario A-Life zum Verhängnis. Sobald man die Quest bekommt, stehen die NPCs nicht dumm in der Gegend, sondern versuchen den Auftrag selbst zu erfüllen. Das mag wieder sehr cool klingen, doch manchmal sind unsere virtuellen Kameraden fähiger oder unfähiger als sie sein sollten, was dazu führt, dass manche Quests innerhalb von fünf Sekunden erfüllt werden oder schlichtweg scheitern, ohne das man etwas getan hat. Manchmal schlendert man durch die Gegend, will eventuell etwas Kram einsammeln, vielleicht ein Artefakt bergen und plötzlich hat man über 9000 laufende Quests. Dann will man an einer Stelle helfen und ehe man da ist, ist der Auftrag schon abgeschlossen, alle anderen Aufträge wurden auch erfüllt oder sind gescheitert und die nächsten drei Ziele, die man innerhalb von zehn Sekunden bekommen hat, sind am anderen Ende der Map!
Das Schönste ist aber, dass jede questrelevante Meldung mit einem Piepen von dem PDA begleitet wird, was einen komplett in den Wahnsinn treibt.

Und ihr dachtet, das ist die Spitze? Versucht mal, in dem Spiel auf etwas zu schießen! Das Gunplay in Shadow of Chernobyl war nicht perfekt. Die Gegner haben teilweise mehr eingesteckt als sie sollten, aber deshalb waren Headshots so viel wichtiger. Man musste kurz stoppen, seine Lage einschätzen, zielen und jeden Schuss so setzen, als wäre es der letzte, den man hat.

Clear Sky zieht ein wenig andere Saiten auf. Die Waffen fühlen sich wie Erbsenschleudern an, weil man gefühlte 10.000 Schüsse braucht, um jemanden unter die Erde zu bringen. Das mit den Headshots wird auch schwieriger, weil die Waffen eine so kranke Kugelstreuung haben, dass man auf 20 Meter nichts trifft. Man möge jetzt argumentieren, dass man seine Waffen upgraden kann und es somit ausbalancieren soll, aber Bullshit! Nicht nur, dass man erst die auf USB-Sticks gespeicherten Upgrades irgendwo auf der Map finden muss, nein, die Upgrades sind so minimal, dass sie die Kosten nicht mal wert sind.

Oh, habe ich die Blutungen erwähnt? Falls man mal mit seiner Erbsenschleuder einen Gegner trifft, lachen sie dir ins Gesicht. Falls man von einem Gegner getroffen wird, verliert man wahrscheinlich einen Arm oder ein Bein, weil die Blutung einfach nicht zu stoppen ist. Ganz ehrlich, wenn man sich auf eine kleine Schießerei gefasst macht, dann sollte man mindestens zehn Bandagen mitbringen. Das reicht gerade so für zwei Blutungen. Also sollte man immer mit mindestens 50 Bandagen herumlaufen, weil man locker mal zwei bis vier Stück benötigt, um eine Blutung zu stoppen. Wenn man weniger hat, wird man irgendwann wegen einem unbedeutenden Kratzer wie ein armseliges Schwein irgendwo verbluten, weil man aus zwei Metern Höhe gefallen ist.

Was auch sehr schön ist, sind Granatenscharfschützen. Nein, nein. Das ist nicht jemand mit Granaten- oder Raketenwerfer, sondern jeder verdammte Gegner, der eine Granate irgendwo findet. Ihr versteckt euch hinter einer zwei Meter hohen Wand, die mindestens zehn Meter lang ist. Die Gegner werden es verdammt noch mal schaffen, euch eine Granate genau vor die Füße zu werfen. Mindestens eine. Vor einem Feuergefecht werfen die Gegner erst mal alle Granaten auf den Spieler und falls er das mithilfe eines Wunders überlebt, kann er sich eventuell in einem Feuergefecht beweisen.

Ach, natürlich. Seht ihr die wunderbare Flora, die die Zone schmückt? Ihr denkt, die Gegner werden euch nicht sehen? Macht euch drauf gefasst, ständig aus dem nichts erschossen zu werden, weil alle Gegner Wallhack angeschaltet haben! Und wenn das noch nicht schlimm genug ist, dann kommen noch miserable Optimierung und fehlende Stabilität dazu! Denn natürlich macht es Spaß sich mit diesem ganzen Scheiß auseinander zu setzen, während man laggt oder crasht.


Trotzdem mag ich das Spiel. Möglicherweise bin ich masochistisch veranlagt oder es liegt daran, dass das Spiel nach zehn Patches endlich spielbar war, auch wenn es immer noch viele der vorher genannten Probleme gibt. Woran liegt das? Auch hier ist die Antwort: die Zone.

Hier hat GSC nämlich etwas Interessantes gemacht: Da Clear Sky ein Prequel ist, haben sie zum größten Teil die Level aus Shadow of Chernobyl übernommen und sie überarbeitet, sodass sie so sind, wie sie ein Jahr vor den Ereignissen gewesen waren. Wenn man Shadow of Chernobyl gespielt hat, ist es eine unglaublich interessante Erfahrung zu schauen, was sich verändert hat. Die Basen von Fraktionen sind an anderen Orten, bestimmte Fraktionen gibt’s noch nicht, manche Charaktere tauchen wieder auf, einige existieren nur als Legenden weiter. Die Zone fühlt sich deshalb wie ein echter Ort an. Es ist eine autonome und lebendige Gegend, weshalb man sich auch in dieser Zone wieder heimisch fühlt, vor allem weil auch gewisse Verbundenheit wegen dem ersten Spiel schon besteht.

Auch wenn Clear Sky zum Ende him linearer wird und am Ende fast zu Call of Duty mutiert, punktet das Spiel trotzdem durch die Atmosphäre und das Stalker-Feeling. Die Zone ist einfach ein Ort, an dem man sich gern aufhält, auch wenn es ein rauer und brutaler Aufenthalt ist.

Insofern haben wir mit dem schwarzen Schaf der Serie abgeschlossen. Nach den Experimenten in Clear Sky hörte GSC bei Call of Pripyat viel mehr auf die Fans, was definitiv in einem besseren Titel resultierte, da man Dinge eingebaut hat, die sich die Spieler wirklich gewünscht haben. Also, woran genau liegt's, dass Call of Pripyat weitaus besser angenommen wurde als Clear Sky? Das werde ich euch im nächsten Teil der Retrospektive erzählen!

Bis dahin,
Undead

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29. März 2024 um 14:37 Uhr
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Themen

Retrospektive
Sparte - Wir werfen einen Blick zurück in graue Vorzeit. Oder, wenn es nicht ganz so weit sein soll, in sepiafarbene Vorzeit. Vor kurzem Geschehenes wäre dann rot-übersättigte Vorzeit.
Review
Sparte - Wenn es nicht bei drei auf dem Baum ist, testen wir es.

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RELEASE
23. März 2007
PLATTFORM
PC
Plattform - PC-Spiele haben mit die älteste Tradition. Heutzutage laufen die meisten Games unter dem Microsoft Windows.

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