Coloropus

(Artikel)
Rian Voß, 12. April 2012

Coloropus

Meeres-Adventure mit Sinn und Verstand

Hachja, ist das schön. Der blaue Ozean, die Fische, zwei Kraken, die sich lieben und - hoppla - da wird Frau Oktopus von einem Moment zum anderen von irgendwelchen Teens in eine Flasche gesteckt und entführt. Keine Sorge, hier liegt kein Findet-Nemo-Plagiat vor, denn die Burschen langweilen sich schnell und schmeißen die Flasche wieder zurück in den Ozean. Nur den Korken lassen sie im Hals stecken. Penner. Nun gilt es, das weibliche Weichtier aus ihrem transparenten Gefängnis mit der Kraft der Farben zu befreien. Was wie der Vorgeschmack auf ein bunten Wochenend-Abenteuers klingt, entpuppt sich in Coloropus jedoch als klassisch angehauchter Entdeckerwahn für Hirn- und Fingerakrobaten.

An interessanten Orten mangelt es nicht.

Das Grund-Gameplay von Coloropus ist supereinfach, denn es die Devise lautet: Farben sind der Schlüssel! Unser kleiner Tintenfisch hat zwei Slots für Farbkügelchen, die man seiner Umgebung überall entwenden kann. Eine Kugel lässt Coloropus in dieser Farbe erglühen und gibt seinen Tintenattacken dieselbe Tönung, mit einer zweiten Kugel wird fleißig gemischt. Häufig trifft man dabei auf Hindernisse, die sich entweder als bestimmtfarbige Kalkblockaden, Gegner oder Bosse präsentieren, so dass man erst einmal überlegen muss, welche Farben man dafür am besten mischt und wo man die Komponenten denn das letzte Mal gesehen hat. Hier zeigt sich mal wieder: in der Schule aufpassen lohnt sich! Selbst sinnlose Fächer wie Kunst können einem hier und da das Leben leichter machen. Ok, also, Rot und Blau ergibt Violett...

Die Lage mit der Freundin spitzt sich später zu, denn der Korken der Flasche erfordert nicht nur Muskelkraft, einen Beschuss mit einem ganzen Regiment an Farben. Meistens mit seltenen, die man nicht dem Hering von nebenan aus den Gräten quetschen kann. War klar. Aus diesem Grund begibt man sich auf die Suche und wird dabei - ziemlich vorbildlich - so wenig wie möglich bei der Hand genommen. Es gibt zwar ein kleines Hilfefeld, bei dessen Drücken der Coloropus seine Gedanken zum Besten gibt, aber manchmal bringt das einfach nichts und man muss tatsächlich mal seine grauen Zellen anstrengen. Oder heroische Suchmaschinenfertigkeiten an den Tag legen; ich konnte jedenfalls keine Lösungshilfen finden, was mich dazu gezwungen hat, doch tatsächlich ein paar harte Rätsel selbst zu knacken und nicht gleich nach den ersten fünf gescheiterten Minuten verbittert aufzugeben. An und für sich ein gutes Gefühl.

Gute Kraken kommen in den Himmel.

Wer an dieser Stelle denkt: "Hey, das erinnert mich aber jetzt mal stark an Ecco the Dolphin", der ist eigentlich schon viel zu alt. Ich habe es mir trotzdem nicht nehmen lassen, die Leute von Pigsels Media mal nach Parallelen zu fragen, woraufhin sie sich dazu Videos bei Youtube erstaunt anguckten und ganz begeistert waren. Huh.
Kommt man einmal nicht weiter, hat man nach Adventure-Manier meist noch ein oder zwei andere Stellen, die man noch nicht untersucht hat und die einem eventuell an einem anderen Ort helfen können.
Das alles wäre ganz schön und harmonisch, wenn es nicht überall von bestialischen Feinden wimmeln würde, meistens irgendwelche Piranha-artigen Geschöpfe mit mordsgroßen Beißern, die Coloropus geschmackvoll die Tentakel vom Leib reißen wollen. Das wäre auch noch erträglich, wenn die Entwickler hier nicht auf einmal ein komplettes Survival-Horror verbaut hätten. Ihr glaubt mir nicht? Ok, Beweisführung: Erst einmal gibt es Schreckmomente, wo tote Fische einem plötzlich entgegenfallen (= der Zombie aus der Kiste). Da habe ich mir schon ziemlich in die Hose gepinkelt. Es gibt enge Korridore, wo man nur mit Müh und Not an Fischen vorbeikommt. Gegner kann man eigentlich nur verletzen, wenn man die passende Farbe (= Knarre) zur Hand hat. Dies ist, bei allen möglichen Farbkombinationen, meistens nicht der Fall und es wird durch eine sadistische Note ergänzt, indem man die Farbe von Feinden in dunklen Arealen erst sehen kann, wenn man nahe an sie heranschwimmt. Zudem ist die Tintenmenge des Coloropus stark begrenzt (= Munitionsarmut), so dass man nach einem erledigten Gegner oft erst mal händeringend nach Früchten zum Aufladen der Geschosse suchen muss.

Aber auch das wäre noch ziemlich cool. Das lässt einen eben häufiger auch mal weglaufen anstatt in den Kampf überzugehen, wenn es sich vermeiden lässt. Einen saftigen Strich durch die Rechnung, hier und an vielen anderen Stellen, macht einem aber die ziemlich beknackte Maussteuerung. Linksklicks geben Coloropus für gewöhnlich die Richtung an, ein Rechtsklick lädt eine Tintenkugel auf. Aber gerade, wenn man es eilig hat oder feinfühlig festgehaltene Objekte manövrieren muss bzw. durch dünne Lücken zu schießen hat, muss man frustriert resignieren. Vielleicht bin ich in der Hinsicht auch nur ungeschickt, aber ich habe an einer Stelle fünf Minuten gebraucht, um einen verkackten Korken in ein verkacktes Loch zu stopfen - nur um den Propf hinterher, als ich einem Krebs seine Muschel vorbeibringen wollte, in die er wegen einer herumliegenden Seegurke partout nicht reinkriechen konnte und ich schreiend mit der Schale herumnavigierte, wieder aus der Lücke zu kicken und ich die ganze Prozedur von vorne starten durfte.
Ein weiteres Unding sind die Bossgegner. Es ist einerseits viel Hirnschmalz in die Konzeption zum Besiegen der Meeresgetiere geflossen - etwa einen Kristall mit einer bestimmten Farbe aufladen, der daraufhin Blitze verschießt, oder die bunte Schutzschicht eines Obermotzes einzeln abarbeiten - jedoch weiß man oft erst einmal nicht, was man überhaupt tun soll. Bis man hinter eine ordentliche Strategie gekommen ist, ist man vor Panik entweder schon gestorben oder hat das Areal verlassen, um notgedrungen neue Lebensenergie zu finden.

FÜNF MINUTEN!

Aber Stichwort Tod: Hier wird es interessant. Während des üblichen Gameplays gibt es ein simples Karma-System. Wehrlose Pflanzen ausreißen setzt einem kleine Hörnchen auf, neues Leben in den Boden zu säen gibt einem dafür bei Gott Bonuspunkte. Wenn man dann einmal abtritt, landet man in einem Himmel- oder Höllenlevel und muss zu seiner Leiche finden, wenn man auferstehen möchte. Diese kleinen Räume sind teils leichte, teils schwierige Farb- und Physikrätsel, die ab und zu sogar mit Upgrade-Orbs für schnellere Schwimmgeschwindigkeit oder einer besseren Maximalenergie ausgestattet sind. So macht sterben Spaß! Außerdem ist es einfach nur episch, wenn man sich im Anschluss persönlich aus seinem eigenen Grabe wieder herausschaufelt.

Coloropus ist ein wirklich zwiegespaltenes Spiel, denn für jeden Moment, in dem ich freudig meinem Entdeckerdrang nachging, mich angenehm gefordert fühlte oder die Ideen der Leveldesigner bewunderte, gab es einen Moment der Verwirrung oder der Frustration über Steuerung oder Programmierung. Die putzige Aufmachung und der gelungene Soundtrack, der mir wie Seelenbalsam über einige ärgerliche Stellen hinweghalf, tun ihr Bestes, um diese Makel abzuschwächen. Manchmal klappt das, manchmal nicht. Ich denke, dass Spieler, die es sehr gut langsam angehen lassen können, mit Coloropus auf der Suche nach alternativen Adventure-Titeln ihre wahre Freude finden werden, doch jeder andere sollte zumindest vorher einmal die Demo ausprobieren. Rian

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29. März 2024 um 13:50 Uhr
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22. März 2012
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