Halo: CE Anniversary

(Artikel)
Haris Odobašic, 13. April 2012

Halo: CE Anniversary

Alte Liebe neu entflammt

Der 30-Sekunden-Kreislauf perfektioniert: packende Eins-gegen-Eins-Duelle mit den Eliten, eine unheimlich inutitive Fahrzeugsteuerung mit weitläufigen, ziemlich frei gestaltetenen Leveln sowie ein Spielgefühl, das einfach vom ersten Moment Klick macht. Im Grunde ist genau das das Fundament von Halo: einzelne Elemente, die komprimiert und aneinandergereiht kaum dreißig Sekunden ausmachen, aber in dieser kurzen Zeitspanne so viel Spielspaß wie nur irgend möglich produzieren, so dass der Effekt sich auch durch Wiederholung nicht abnutzt.

Auf zweiter Ebene kam dann das Drumherum: Verschiedenste Gameplay-Elemente, die man teils aus anderen Spielen kannte, sich aber nie so richtig durchsetzen konnten, sei es das Waffenlimit eines Counter-Strike oder die fahrbaren Vehikel der Tribes-Serie, wurden in Halo kombiniert. Zusammen mit dem perfekt ausbalancierten Kampfgefühl, welches sich insbesondere dank der regenerierenden Energie mit kaum einem Shooter zuvor in der Art und Weise, wie die Feuergefechte bisher abliefen, vergleichen ließ und eine ganz neue Dimension des taktischen Denkens vom Spieler abverlangte, schaffte Bungie in ihrem Erstlingswerk für Konsolen gleich die definitive Konsolen-Shooter-Erfahrung zu produzieren, die alles Vorherige in den Schatten stellte und allem, was danach kam, als Messlatte dienen sollte.

Dazu kam, dass auf technischer Ebene das Spiel kaum Makel hatte. Die Weitsicht, als man zum ersten Mal auf Halo landete und den Ring fern am Horizont erkennen konnte, war ein kollektives Wow-Gefühl für jeden Zocker, der damals den Controller in die Hand nahm, und jedes andere Konsolenspiel im direkten Vergleich nicht unbedingt hässlich aussehen ließ, aber eindeutig schlechter.
Und dann noch ein Soundtrack, der mit ungewöhnlicher Instrumentalisierung, starkem Orchestra und einem schlichtweg genialen Hauptthema Sterben zu einer unheimlich freudigen Angelegenheit machte, denn so konnte man die Musik, die ein integraler Bestandteil der Halo-Erfahrung wurde und den Spieler zu Höchstleistungen animierte, immer und immer wieder hören.

Das alleine wäre schon ziemlich beeindruckend gewesen und hätte Halo seinen Platz in den Annalen der Videospielgeschichte gesichert, aber Bungies Ambition, ob beabsichtigt oder versehentlich, war größer. Also markierte der Release am 15. November 2001 nicht nur der Tag, an dem das Ego-Shooter-Genre neu erfunden wurde, sondern auch die Schöpfung eines unglaublichen Universums, so grandios und voller Leben, mit unzähligen Geheimnissen und einem schier unendlichen Potenzial. Selbst die durchsetzungsfähigsten Rollenspiele, Titel wie Final Fantasy oder Chrono Trigger, schaffen es wunderbar Geschichten zu erzählen, scheitern jedoch darin Rahmenbedingungen zu schaffen, die einem auch den Rest der Welt abseits der Haupt-Protagonisten begleiten - aber dass ein Actionspiel so was vollbrachte, war unerhört gewesen. Dass einer der häufigsten Vergleiche, denen sich Halo unterziehen muss, nicht mit anderen Spielen ist, sondern Star Wars, zeigt, wie gut Bungie es geschafft hatte die Vorstellungskraft der Spieler einzufangen und wie gut konstruiert das Halo-Universum letztendlich ist.

Egal wie man die einzelnen Elemente zusammenrechnet, egal ob man auf dem Kopf spielt oder mit dem Controller falschherum, ein anderes Fazit bei Halo zu ziehen, als dass es sich um eines der bedeutendesten Werke und Meisterwerke im Bereich der Spiele handelt, vergleichbar mit dem Barcelona-Pavillon von van der Rohe, der nachhaltig die moderne Architektur beeinflusste, ist einfach nicht möglich.

Darum bin ich froh, dass Halo: Combat Evolved Anniversary die Halo-Erfahrung ohne Verluste in die nächste Generation gebracht hat. Ich kann verstehen, dass sich der ein oder andere ein richtiges Remake gewünscht hätte, aber andererseits hätte alles, was nicht ein perfektes Endprodukt gewesen wäre, dazu geführt, dass man die Fanbasis unnötig teilt. Stattdessen hat man immerhin ein umfangreiches Grafikupdate: Halo läuft nun mit einer neuen Engine und sieht auch dementsprechend gut aus. Außerdem hat man jederzeit die Möglichkeit über die Back-Taste einen Zeitsprung in das Jahr 2001 zu machen, das Spiel schaltet dann nämlich auf die Original-Grafik um, Classic Modus genannt. Manche Level sehen dabei auch in ihrer ursprünglichen Fassung überraschend gut aus, beispielsweise "Halo" oder natürlich die Strandlandung in "Der stille Kartograph".

Andere Level hingegen kriegen neues Leben durch die Überarbeitung eingehaucht. Sieht "Truth and Reconciliation", das dritte Halo-Level, bei dem man im Schutze der Nacht einen Convenant-Kreuzer infiltriert, in der alten Engine unheimlich karg aus -- detailarme Bergformationen, kaum Flora, einfarbige und matschige Texturen, bringt ein Druck auf Back einen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wo vorher nur grau war, sprießen nun Bäume und Sträucher aus dem Boden. Die Überarbeitung ist so massiv, dass man teilweise lieber wieder zurückschaltet: die knallig-bunten Gegner sind nämlich viel einfacher in der grauen und kontrastschwachen 2001er-Engine zu erkennen.

Selbst die von manchen so verhasste Bibliothek, der Level, den ich lange Zeit nur spielen konnte, wenn meine Mutter mir zugeguckt hat, weil ich einfach solch eine verdammte Scheißangst vor der Flood hatte, wird in Halo Anniversary erträglicher. Durch eine bessere Belichtung fällt es einem nun leichter sich durch das altbekannte, weil immer gleiche, Korridorgefüge zu kämpfen. Damals durfte ich noch ein ums andere Mal feststellen, dass meine eigentlich höchsteffektive Strategie, bei der ich einfach nur wegrannte, spätestens dann scheiterte, wenn ich die Orientierung verlor und plötzlich wieder zu den ganzen Flood-Viechern zurücklief. In Anniversary passierte mir das nicht mehr.

Martin O'Donnells meisterlicher Soundtrack wurde ebenfalls komplett neu aufgenommen und auch hier habt ihr die Wahl, wenn auch etwas unkomfortabel über das Pausen-Menü, die alte Musik zu genießen oder euch von den neuen Tönen berauschen zu lassen. Ich bin, ehrlich gesagt, etwas zwiegespalten. Die Stücke, die prinzipiell unangetastet geblieben sind und nur von höherer Soundqualität und einer neuen Aufnahme durch das Skywalker Orchestra profitieren, klingen auch wirklich besser und optimieren einen der qualitativsten OSTs um noch ein kleines Stückchen. Andere Lieder wurden etwas stärker verändert, was nicht immer positiv ist. Beispielsweise wurde einem der Songs eine kreischende E-Gitarre hinzugefügt, was prinzipiell ja kein Problem wäre, aber einfach nicht zum ersten Halo passt, da dieser Gitarrensound ein Markenzeichen von Halo 2 war.


Einige kleine Neuerungen gibt es dann aber doch, in Form von Terminals, von denen jeweils eins in jedem der 10 Levels versteckt ist. Diese zeigen euch komplett neue Zwischensequenzen, in denen 343 Guilty Spark, die künstliche Intelligenz, die für die Instandhaltung des Halo zuständig ist, eine wichtige Rolle einnimmt und euch Einblick in die Hintergrundgeschichte bietet. Wer genau aufpasst, kann sogar kryptische Hinweise auf Halo 4 erkennen.
Besonders sammelwütige Spieler können auch nach den Schädeln Ausschau halten, die es seit Halo 2 in jedem Teil gab und das Spiel modifizieren - meist dadurch, dass sie es noch ein Stück härter machen. Da es diese aber im originalen Halo: Combat Evolved eben nicht gab, sieht man sie auch nur, wenn man nicht im Classic-Mode spielt.

Wenn die Frage gestellt wird, welches der beste Shooter oder gar das beste Action-Spiel aller Zeiten ist, dann fällt es mir nicht schwer ohne mit der Wimper zu zucken Halo zu nominieren. Es ist fast unmöglich eine Spieleserie in diesem Jahrtausend zu finden, die so einflussreich war. Halo Anniversary bringt einem die originalgetreue Halo-Erfahrung, extrem gut umgesetzt aber mit nur wenigen Extras und ohne richtige Neuerungen. Das darf aber keine Ausrede sein, insbesondere wenn man Halo verpasst hat, sich dem ersten Abenteuer des Master Chiefs zu stellen. Evil

Kommentare

Dreed
15. April 2012 um 01:04 Uhr (#1)
kommt das auch fürn pc raus?
Gast
19. April 2024 um 05:25 Uhr
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