Ninja Blade

(Artikel)
Rian Voß, 04. Oktober 2011

Ninja Blade

Ninja Gaiden meets Bayonetta

Es ist schon witzig, wie lange Zeit im Beat 'em Up-Genre Devil May Cry die einzige Spieleserie war, die sich eine über alle Stränge schlagende Coolness-Darstellung des Hauptcharakters traute - Dante ritt auf Bazookaraketen, benutzte Feinde als Skateboard und trat Türen öffnende Kristalle mit einem gekonnten Elfmeter in die entsprechenden Fassungen. Umso interessanter, dass 2009 neben Bayonetta auch Ninja Blade von FROM Software erschienen ist, wobei beide Spiele im Konzept identisch waren: es passiert unglaublich viel skurriler Kram und man schlägt Gegner grün und blau. Trotz dieser und noch anderer Parallelen hat es Bayonetta zu meinem damaligen Spiel des Jahres geschafft, während Ninja Blade nicht mal ansatzweise in Nominierungsreichweite gekommen ist. Woran hat das gelegen und worauf hätte man bauen können??


Absurdität
Wenn Ninja Blade die Konkurrenz in einer Sache überfliegt, dann ist es offensichtlich in der Bizarrheit der Zwischensequenzen. Bayonetta hat zwar auch viel Unsinn gemacht, wie riesige Diener Gottes mit Omnibussen zu bewerfen oder einen Tanz-Wettbewerb mit der Entführerin ihrer Tochter in spe abzuhalten, aber Ken Ogawa, für dessen Konzeptualisierung viel von Team Ninjas Ryu Hayabusa abgekupfert wurde, ist einfach nur ein geiler Kerl. Ein auf einer Hauptstraße Tokyos crashendes Flugzeug hält er auf, indem er Seile dran befestigt und ordentlich die Beine in den Boden stemmt, ähnlich wie Peter Parker in Spider-Man 2. Oder bei einer gigantischen Spinne als Gegner schnappt er sich mal schnell eine Abrissbirne und drückt sie dem Arachniden als Silhouette vorm Vollmond mit einem gratifizierenden TODOMÉ, dem japanischen FATALITY-Äquivalent, ins Gesicht. Einer der schönsten WTF-Momente stellte sich noch ein, als unsere anzugtragende Kontaktperson entführt wurde, sich aber zeigt, dass der Kerl Jiu Jitsu gelernt hat und mit links unseren Erzrivalen zu Klump boxt. Whaaaa?!

Story
Noch ein Abschnitt, den Ninja Blade für sich entscheidet - leider aber auch der letzte. Bayonettas Plot ist zwar auch nicht übel, aber viel verwirrender präsentiert als es sein muss, mit Zeitreisegeschichten, unendlichen Flashbacks und einem recht komischen Plot-Twist. Ninja Blade macht's da simpler, dafür auch emotionaler: In Tokyo sind die sogenannten Alpha Worms ausgebrochen - Parasiten, die die Körper von Menschen übernehmen und sie auf verschiedene Weise mutieren lassen. Während Ken aus irgendeinem Grund immun gegen die Krankheit zu sein scheint, fallen sein Vater und ein langjähriger Freund den Würmern schnell zum Opfer. Schockierenderweise stellt sich aber heraus, dass diese Infektion nicht ganz unfreiwillig geschah und nun liegt es an Ken, die Motive seiner neuen Feinde herauszufinden. Dabei gilt es keine Zeit zu verlieren, denn die US-Regierung wartet schon eifrig am Knöpfchen zum Satelliten-Laser-Atom-Schlag: Die Weltpolizei möchte die Hauptstadt Japans verglasen.

Die Atmosphäre wird zudem sehr verdichtet gehalten, indem die Charaktere zwar meistens Englisch reden, aber auch gerne mal ins Japanische wechseln, wenn man mit Einheimischen, sei es freundlich oder feindlich, zu tun hat. Das ist auf jeden Fall ein nettes Feature, um mal ein bisschen die sonstige Babelfisch-Mentalität bei Videospielen zu umschiffen.

Steuerung
Das ist auch bereits der Teil, bei dem am meisten schiefgegangen ist - und gerade der, der in diesem Genre einfach nicht schiefgehen darf. Bei Adventures, Rennspielen und sogar Shootern kann man kleine Schnitzer in der Kontrolle verkraften, aber sobald es darum geht, den Computer oder andere Spieler zu verprügeln, ist jeder Riss in der Steuerung ein Canyon in der Gesamtwertung. Und bei Ninja Blade gibt es viele Risse.
Da wären schon mal die Quick Time Events, die zu Hauf in so gut wie jeder Zwischensequenz auftreten. Es ist einerseits supercool, wenn man die Tastenreihenfolge einwandfrei gedrückt bekommt und man zur Belohnung von Anfang bis Ende eine der vielen Sequenzen unterbrechungsfrei betrachten darf, im Gegenzug ist es einfach nur frustrierend und Spielfluss-zerstörend, wenn man in einer langen Folge auf einen falschen Knopf abrutscht und sofort alles wiederholen darf. Dabei sind die Prompts auf dem Bildschirm schwer zu lesen, wenn es um Eingaben mit dem Analogstick geht, und ansonsten sehr verwirrend, da die Kommandos wie "Spring!" oder "Angriff!" oder "Halte stand!" nie auf denselben Tasten liegen. Ich konnte nie einsehen, warum ich auf einmal das Schwert mit der B-Taste, welche eigentlich für Ninjutsu, also Ninja-Magie, reserviert ist, zücken musste. Oder anscheinend vollkommen willkürlich mal mit X, dann mit A und dann mit B einer Schockwelle standhalten muss. Man kann ja nicht mal den Kram aus Verzweiflung auswendig lernen, weil einige Tasten zwischen den Versuchen wechseln. Bei vielen anderen Spielen wäre das ein kleines Manko, aber hier sind die Events so vordergründig und ebenso sind es ihre Fehler. Bei Bayonetta waren die QTEs zwar nicht weniger fies und vor allem wesentlich überraschender, aber man konnte sie dafür auch an einer Hand abzählen.


Schlimmer ist jedoch Kens Beweglichkeit an sich. Für einen Super-Ninja ist er nämlich eine ziemliche Nulpe und ein totaler Tollpatsch. In meinem ganzen Spieldurchgang bin ich kein einziges Mal durch die Hand eines Gegners gestorben, trotzdem zeigte mein Sterbe-Zähler am Ende eine schöne 30 an, und zwar nur, weil Ken meint, er müsse überall herunterfallen. Man steht auf dem Dach an einer Seite einer Häuserschlucht. Man benutzt das Greifseil, um sich auf die andere Seite zu schwingen. Was eigentlich ein automatischer Prozess ist, endet damit, dass Ken abrutscht, stirbt, retry. Gerne wird man durch eine Explosion auch mal in irgendein Loch geschleudert oder man kann bei den wenigen Wallruns nicht absehen, an welcher Stelle man zur nächsten Wand springen sollte. Im letzten Level ist es möglich zu wählen, ob man sich durch Gegnerhorden schlagen oder lieber ein paar Geschicklichkeitsübungen machen möchte. Ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich Letzteres gewählt habe.

Insgesamt fühlt sich Ken überhaupt so an, als hätte er Steine im Rucksack: er kann nicht hoch oder weit springen, er braucht immer eine Weile, bis er auf Höchstgeschwindigkeit kommt, seine Angriffe gehen häufig daneben und ansonsten war ich in Kämpfen auch eher der Meinung, ich sollte Feinde lieber zu mir kommen lassen anstatt auf sie zuzugehen und sie herzlich zu begrüßen. Aber selbst das bleibt einem häufig verwehrt, weil man nie wirklich weiß, welche Angriffe man nun überhaupt blocken kann und welche nicht.

Das saure Sahnehäubchen ist dann noch die Menüführung, wenn man mal Items benutzen, Waffen upgraden oder Moves nachgucken möchte - das dauert nämlich eine halbe Ewigkeit, weil jede Menü-Transition natürlich mit einen spektakulären Effekt begleitet werden muss. Oh, und dann noch das An-der-Hand-führen, wie etwa wenn man von Fledermäusen angegriffen wird. Dann schaltet sich nämlich jedes Mal unser Berater per Funk ein und meint, wir können die ja locker mit unseren Twin Blades besiegen. JEDES. MAL. DO A BARREL ROLL!

Combo
Eins der dankbarsten Systeme in diesem Genre sind die Combos: Man lernt die Tastenkombinationen seiner vielen Waffen, sucht sich die schönsten für alle möglichen Situationen aus und beginnt mit vielen Variationen zu experimentieren - eine Sache, die Bayonetta auch ohne irgendwelche Upgrades oder Erfahrungspunkte wundervoll gemeistert hat, sei es nun ob man sich die Schlittschuhe an die Füße patscht, um schneller zu werden, oder doch lieber die Raketenwerfer für Schaden, ob man Flammen- oder Blitzkrallen verwendet, um gegen solche Angriffe immun zu sein, oder doch lieber die Pistolen zückt, um die generelle Kampf-Wertung zu erhöhen.
Bei Ninja Blade gibt es drei Klingen: das Katana, das dicke Stonerender und die schnellen Dualmesser. Alle Schwerter lassen sich vier mal aufwerten und bekommen damit neue Attacken dazu und werden in ihrer Stärke verbessert. Die Stärke braucht man, die Attacken nicht. Es ist vollkommen okay, die ganze Zeit mit leichten Angriffen auf Mutanten einzumashen und irgendwann die schwere Angriffstaste zum finishen zu benutzen. Auch ein guter Tipp: Mit dem Stonerender in die Luft springen, mit einem Druck runterrauschen, Flächenschaden, wiederholen. Das ändert sich ein kleines Bisschen bei den Bossen, aber auch nicht viel. Dasselbe gilt für das Ninjutsu, welches eigentlich auch nur pro Level stärker wird. Enttäuschend.

Feinde
Bei den Gegnern befindet sich Ninja Blade in einer Patt-Situation mit Bayonetta: Die Bosse, also die ganzen mutierten Menschen, sind wesentlich interessantere Kontrahenten, bei denen man auch wegen ihrer Persönlichkeit noch irgendwie emotional involviert ist - bei Bayonetta handelt es sich einfach um größer und größer werdende Klötze, die es zu schlachten gilt. Dagegen ist das Reservoir an Standard-Schergen bei Ninja Blade aber unglaublich schnell erschöpft: es gibt die Mutanten mit Fäusten, die mit Krallen, die mit Schusswaffen, dann noch der dicke Mutant, der nur in einem einzigen Level zweimal auftaucht, und ein paar Insektenarten, die aber mehr Kanonenfutter darstellen. Scratch that, sie sind alle Kanonenfutter. Die Level sind dadurch meistens nur Füllstoff auf dem Weg zu den Bosskämpfen, die dann gegen überdimensionale Matsch-Samurai, Kimonofrauen mit Schlangen-Tentakel-Armen, Schleim-Helikopter oder Flugzeug-umschlingende Feuerhydren gehen. Doof nur, dass gerade die "kleinen" Bossgegner auch gerne mal 1 zu 1 recyclet werden.


Unfairness
Und gerade die Bosskämpfe, so gut sie auch sind, stellen in sich wieder ein Problem dar. Gegen die unbalancierten Hüpf- und Springpassagen habe ich ja schon tiriliert, aber bei Bosskämpfen bekommt man häufig einfach auf die Schnauze - ohne dass man weiß warum! Bei Bayonetta ist es so, dass man immer nur dann Schaden bekommt, wenn man nicht aufpasst. Das ist okay. Bei Ninja Blade werden unsichtbare Kugeln geschossen (okay, die kann man mit der tollen Ninja Vision sehen, aber die Energie dafür ist immer wahnsinnig schnell alle), man bekommt Lebenspunkte abgezogen, wenn man nur in der Nähe eines Bosses steht, wenn der sich gerade aus einer von uns induzierten Benommenheit berappelt. Was schon schwierig genug herbeizuführen ist, weil die Gegner gerne einfach mal nicht auf dem Spielfeld sind und sich schön viel Zeit lassen, bis man sie überhaupt mal angreifen kann, so ziehen sich die doch strategisch recht simplen Fights maßlos in die Länge,.

Auch noch schöne Sachen: Gegnern die aus Kisten springen und plötzlich ein bisschen Schaden verursachen oder Sprengkäfer, die man töten muss, um ein Flugzeug in der Luft zu halten, welche dann aber hinter Schutt landen, so dass man sie nicht kriegen kann, sind alle sehr super.

Grafik und Sound
Ninja Blade hat die actiongeladeneren Zwischensequenzen, das stimmt wohl. Dafür ist Bayonetta an allen anderen Stellen besser und selbst ihre Filmchen sind immer noch sehr sehenswert. Bei Ninja Blade besteht irgendwie alles aus Dreck und Schutt und rechten Winkeln, die Feinde sehen alle gleich aus und wenn mal was auf dem Bildschirm explodiert, dann wirkt das schäbig und nimmt einem dazu noch vollkommen die Sicht. Zusätzlich kann das Spiel gegen Bayonettas famosen Soundtrack überhaupt nicht anstinken. Häufig hat es ja nicht mal so etwas wie musikalische Begleitung und wenn doch, dann hält sie sich vollkommen im Hintergrund und ist vernachlässigbar.

Extras
Bayonetta kommt mit einem Arsch voller Zusätze: neue Waffen, die man im ersten Playthrough nicht erhalten kann, zusätzliche Level, neue Kostüme, Waffenextras, spielerisch sehr unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, eine Filmsektion und und und. Ninja Blade hat... dieselben Waffen, nur halt auf Level 5 anstatt auf Level 4. Und man kann Kens Kostüm einfärben. Und ihm vorgegebene Symbole auf den Stirnschutz montieren. Huiuiui.

Ninja Blade ist per se kein schlechtes Spiel, die Geschichte und die Action kommt wunderbar herüber, aber im Nachhinein würde ich mir am liebsten wünschen, man hätte aus der ganzen Sache einen Film gemacht. Denn die Steuerung und verschiedene unfaire Stellen machen daraus eine eher frustgeladene Jagd auf vergleichsweise geschenkte Achievements. Rian

Kommentare

Kevin
Gast
30. April 2012 um 02:53 Uhr (#1)
ich hab mir ein halbes jahr zeit gelassen um dieses nette aktion-spiel zu beenden. die steuerung hat mich nich beeinträchtigt. ich konnte wie ein ninja rumspringen. die level-gegner waren keine gegner sondern beute ;-). die bosse fand ich anfangs heftich schwer , da braucht man ne stunde um erstmal eine taktik zu erarbeiten & dann noch 3 versuche um sie erfolgreich anzuwenden. es is ein super gefühl das spiel durch zu haben, es war viel arbeit. ich werds irgendwann in 3 oder 5 jahren nochmal auf schwer durchzocken. es ist für mich das eigentliche ninja gaiden 3 was unter fans eher ein schlechter witz der entwickler sein muss. mfg
Rian
30. April 2012 um 17:06 Uhr (#2)
Ich finde, dass Ninja Blade ja nicht mal den Vergleich zu NG2 geschweige denn NG1 überlebt, aber naja - wenn's dir Spaß gemacht hat, werde ich dir das in keinster Weise vermiesen wollen. Wie gesagt, richtig schlecht ist's ja nun auch wieder nicht.
Gast
25. April 2024 um 16:30 Uhr
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